Ute Finckh-KrämerSPD - Menschenrechte in Saudi-Arabien
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Saudi-Arabien ist eines der Gründungsmitglieder der Vereinten Nationen. Es war also schon Mitglied der Vereinten Nationen, als 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als Grundsatzdokument der Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Saudi-Arabien hat sich damals bei der Abstimmung enthalten, und zwar nicht wegen der Menschenrechte, um die es im Augenblick im Fall von Raif Badawi, seinem Anwalt und vielen anderen geht – also wegen des Verbots grausamer Strafen oder der Einschränkung der Meinungsfreiheit –, sondern aus zwei anderen Gründen: Saudi-Arabien hatte Bedenken wegen der in dieser Erklärung enthaltenen Religionsfreiheit und wegen der Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Bezug auf die Ehe. Das heißt, in Saudi-Arabien hat sich etwas verschlimmert seit 1948. Den Zivilpakt, in dem zentrale Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Hinblick auf persönliche Freiheitsrechte in einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag gegossen sind, hat Saudi-Arabien bis heute weder ratifiziert noch in anderer Weise völkerrechtlich verbindlich anerkannt. Dies ist ein echter Ausnahmetatbestand; denn von 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben immerhin 168 den Zivilpakt unterzeichnet und ratifiziert.
Frau Höger, in einem Punkt bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ich hoffe sehr, dass sich die Presseinformationen, die wir in den letzten Tagen lesen konnten, nämlich dass Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien bis auf Weiteres gestoppt sind, als wahr erweisen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Was wir nachweisen können, ist, dass im ersten Halbjahr 2014 wesentlich weniger Waffen nach Saudi-Arabien exportiert wurden als in den Jahren davor. Insofern hoffe ich, dass wir dort den Anfang eines Trends sehen, der in die Richtung weitergeht, die Sie skizziert haben.
Es wurde bereits erwähnt, dass wir es in Bezug auf Saudi-Arabien nicht mit Einzelfällen zu tun haben, sondern mit einer ganzen Serie von Verurteilungen von Menschen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben. Wir haben auch schon gehört, wie jung die Bevölkerung im Schnitt ist.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Keul?
Ja, gerne.
Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben gerade gesagt, es sei deutlich, dass bereits 2014 weniger Waffen an Saudi-Arabien geliefert worden sind als in den Jahren zuvor. Nun liegt uns der Rüstungsexportbericht für 2014 noch gar nicht vor. Alles, was wir haben, sind einzelne Erklärungen über erteilte Genehmigungen im Bundessicherheitsrat, die aber keinesfalls vollständig sind. Die ministeriellen Genehmigungen sind nicht enthalten. Was das BAFA genehmigt hat, wissen wir nicht. Deswegen frage ich Sie: Woher haben Sie diese Informationen?
(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie weiß mehr!)
Ich habe über das erste Halbjahr 2014 gesprochen, und dafür liegt ein Zwischenbericht vor.
(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Den haben Sie doch auch, Frau Keul!)
Ich komme zurück auf das Rechtssystem von Saudi- Arabien. Seit 2011 nehmen dort Zensur, Einschüchterungsmaßnahmen, Festnahmen wegen politischer Meinungsäußerungen zu, und das in einem Land, wo ein Großteil der Bevölkerung unter 25 Jahre alt ist. Das heißt, dass ein Großteil der Bevölkerung dort wie in anderen Ländern auch, etwa in unserem Land, das Internet nutzt. Zum Teil wird gebloggt; zum Teil gibt es Einträge bei Facebook usw. Ich habe mich zwischendurch gefragt, wie viele von uns angesichts der drakonischen Strafen, die dort aufgrund bestimmter Meinungsäußerungen verhängt werden, den Mut hätten, ihre Meinung so frei zu äußern, wie es Raif Badawi getan hat.
Ein Punkt noch, der vielleicht für die weitere Diskussion wichtig ist: Die drakonischen Strafen, die Unrechtstatbestände in Saudi-Arabien, die uns im Augenblick zu Recht so empören, sind größtenteils Vorgänge, die in der Vergangenheit auch in Deutschland üblich waren. Das geht bis hin dazu, dass in Saudi-Arabien bis heute Menschen wegen Hexerei verurteilt werden – etwas, was in Deutschland zum letzten Mal im 18. Jahrhundert vorgekommen ist. Die Hoffnung, die wir haben – Herr Heinrich hatte erwähnt, dass es an manchen Stellen ganz winzige Fortschritte gibt –, ist, dass Saudi-Arabien genauso, wie das Deutschland und viele andere Länder der Welt in den letzten Jahrzehnten, zum Teil sogar Jahrhunderten getan haben, auch erkennt, dass bestimmte Strafen, dass bestimmte Rechtssysteme nicht menschenwürdig sind und nicht aufrechterhalten werden sollten, dass Saudi-Arabien auf diesem Weg weitergeht und sich in die gleiche Richtung entwickelt wie fast alle Länder der Welt, die den Zivilpakt und den Sozialpakt unterschrieben und damit in ihren Ländern die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen rechtsverbindlich gemacht haben.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4511731 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Menschenrechte in Saudi-Arabien |