Wolfgang HellmichSPD - Bundeswehreinsatz Operation Active Fence (Türkei)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt Situationen in der parlamentarischen Beratung, da nimmt man seine Blätter, legt sie zur Seite und geht auf die Diskussion ein, die hier geführt wird.
Vorab, um das von vornherein klar zu sagen: Wir werden der Verlängerung eines solchen Mandates – des Einsatzes von Patriot-Raketen zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung – zustimmen. Es gibt an dieser Stelle keine Alternative dazu, der Türkei als unserem Partner in der NATO die nötige Unterstützung zu geben, wohlwissend, dass dies in einer Zeit passiert, in der sich die Situation in der Region bei weitem nicht verbessert, sondern im Wesentlichen verschlechtert hat.
Es ist auf die Zahlen hingewiesen worden: Als wir vor etwas mehr als einem Jahr hier diskutiert und debattiert haben, redeten wir über 200 000 Flüchtlinge in der Türkei. Heute reden wir über 1,6 bis 1,7 Millionen Flüchtlinge in der Türkei. Die WHO und andere haben die Türkei sehr dafür gelobt, wie sie mit den Flüchtlingen aus Syrien umgeht, wie sie die Versorgung organisiert, wie sie sich um die Flüchtlinge kümmert. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass die Türkei an dieser Stelle ihrer Verantwortung für die Menschen in der Region nachkommt, indem sie in diesem gesamten Konflikt den Menschen als Fluchtort zur Verfügung steht und ihnen den nötigen Schutz gibt.
Diesen Flüchtlingen wollen wir genauso wie allen anderen Menschen in der Türkei denselben Schutz vor möglichen syrischen Raketen – von wem auch immer abgeschossen – geben. Wir wollen den bedrohten Menschen in der Türkei diesen Schutz geben, damit sie sich sicher fühlen können und damit sie an der Stelle auch wissen, dass wir an ihrer Seite stehen und wir mit zu denjenigen gehören, die ihnen helfen wollen, in der Region für Frieden zu sorgen, für eine Entspannung der Situation zu sorgen, dazu beizutragen, dass der Konflikt gelöst wird. Dabei spielt nach wie vor die Türkei eine ganz wesentliche, eine ganz entscheidende Rolle.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deshalb werden wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln helfen, genauso wie nämlich die Türkei auch anderen NATO-Partnern an anderen Stellen geholfen hat. Ich erinnere an das Engagement in Afghanistan im Rahmen von ISAF, als die Türkei eine wesentliche Stütze des Einsatzes war.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das fehlte gerade noch!)
– Dass Sie den nicht wollen, das weiß ich ja; das können Sie hier auch noch ein anderes Mal sagen. – Genauso wie die Türkei mit 380 Soldatinnen und Soldaten bei KFOR im Kosovo unterwegs ist und dort hilft, für eine sichere Situation im Kosovo zu sorgen, oder mit Fregatten bei UNIFIL, muss sie – jetzt vielleicht auch mit einer gesteigerten, wieder höher werdenden Bedeutung – ihren Aufgaben im Rahmen der Regulierung eines Konflikts zwischen Israel und dem Libanon nachkommen. An dieser Stelle müssen wir auch mit der Türkei sprechen, wie sie ihren Einfluss da einsetzt, damit es einen solchen Konflikt und eine Eskalation nicht gibt. Das Gleiche gilt dafür, wie sie uns im Golf von Aden und am Horn von Afrika bei der Bekämpfung der Piraterie hilft.
Es ist der Geist dieses Vertrages der NATO, den Türken in der Situation, in der sie sind, zu helfen. Mit Fug und Recht können sie sagen, dass sie bedroht sind. Die Zahlen sind genannt, die Strukturen sind genannt. Gleichzeitig wissen wir natürlich auch um die innere Situation, die in der Türkei herrscht und die hier vielfach – gerade am ausführlichsten von dem Kollegen Nouripour – beschrieben und bezeichnet worden ist.
Sie von der Linken müssen sich entscheiden, was Sie mit der Türkei machen wollen: reden und verhandeln, damit die Situation besser wird, oder sie herausschmeißen und gar nicht mehr mit ihr reden. Auf der einen Seite Grenzen öffnen und auf der anderen Seite Grenzen schließen. Wenn Sie einmal zu einer konsistenten Position kommen würden, dann wären Sie an dieser Stelle vielleicht auch ein Stück glaubwürdiger, als Sie das im Moment sind.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Grenzen für Flüchtlinge auf und für Terroristen zu!)
Die Türkei kann sich mit Fug und Recht bedroht fühlen, und an dieser Stelle werden wir ihr helfen. Die türkische Regierung hat trotz allem in diesem Konflikt besonnen und verantwortungsvoll gehandelt. Sie hat in diesen Konflikt nicht offensiv eingegriffen, obwohl die Beschlüsse des Parlaments das zugelassen hätten. Nein, sie spielt da eine andere Rolle.
Wir wissen um die schwierige Situation der Türkei, um ihre schwierige Rolle, die sie dort spielt, und wir sagen ihr das. Viele Parlamentarier waren da und haben vor Ort mit all denjenigen gesprochen, die beteiligt sind. Die haben auf den Plätzen gestanden und haben auch in der Türkei deutlich gemacht, dass das so nicht geht und dass man mit Menschenrechten, mit demokratischen Rechten anders umgehen muss.
Wir haben ein ureigenes Interesse, dass es in Verhandlungen mit der Türkei dazu kommt, dass Foreign Fighters über die Türkei nicht hinein- und nicht herauskommen können.
Ich wünsche der Bundesregierung bei den Verhandlungen nicht, dass sie scheitern, sondern den vollen Erfolg dieser Verhandlungen über Abkommen, um an dieser Stelle dafür zu sorgen, dass wir auch beschützt werden. Unser eigenes Interesse ist das, und deshalb geht es auch um unsere eigenen Sicherheitsinteressen. Es geht auch darum, dass die Verhandlungen über das Atomprogramm mit dem Iran, die unter Beteiligung der Türkei gerade in Istanbul laufen, zu einem guten Ergebnis kommen.
Also: Wir brauchen die Türkei in der Region, wir brauchen sie als unseren starken Partner an der Seite und im Bündnis der NATO. Wir sehen die Türkei als stabilisierenden Faktor und werden beides tun: sagen, was verbessert werden muss, was anders werden muss, und gleichzeitig dieser Verlängerung des Mandats zustimmen, damit es in der Region vorwärtsgeht und wir einen guten Beitrag dazu leisten können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Karl Lamers für die CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4511871 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz Operation Active Fence (Türkei) |