Johannes Singhammer - Schuldrechtsanpassungsgesetz
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf hat der Bundesrat mit überwältigender Mehrheit – das möchte ich Ihnen gerne sagen, weil hier Regierungen unterschiedlichster Couleur vertreten sind – beschlossen, das Schuldrechtsanpassungsgesetz neu auszutarieren. Im Mittelpunkt – das hat meine Vorrednerin gesagt – steht ein Phänomen, das es nur in Ostdeutschland gibt. Es betrifft die sogenannten Datschengrundstücke.
Die Grundstückseigentümer und die Nutzer haben vor der Wende Vereinbarungen über Erholungsgrundstücke getroffen. Damit ist den Nutzern ein sehr weitreichendes Recht, eine schutzwürdige Position eingeräumt worden. Anders als bei den gewöhnlichen Miet- und Pachtverträgen der DDR war der nach diesen Regeln geschlossene Nutzungsvertrag im Prinzip nahezu unkündbar. Deswegen, weil es so war, war der Nutzer auch berechtigt, das Grundstück mit eigenen Mitteln zu bebauen, und er erwarb an den Baulichkeiten sogar ein gesondertes Gebäudeeigentum. Das darf man nicht vergessen. Regelmäßig haben dann die Nutzer, natürlich im Vertrauen darauf, dass sie im Prinzip unkündbar sind, mit hohem finanziellem und persönlichem Einsatz Bauten auf den Wochenendgrundstücken errichtet. Das sind die sogenannten Datschen.
Die Aufgabe des Schuldrechtsanpassungsgesetzes – das ist schon gesagt worden – war und ist es, diese spezifischen, nach DDR-Recht begründeten Nutzungsverträge in bundesdeutsches Recht überzuleiten. Dabei gilt es – es stimmt –, den widerstreitenden Interessen zwischen Nutzern und Grundstückseigentümern zu einem gerechten Ausgleich zu verhelfen.
Warum hat sich nun der Bundesrat 20 Jahre danach entschlossen, den Kompromiss, der 1994 vereinbart wurde, nachzubessern? Zum einen sollen die Kündigungsschutzfristen – das ist gesagt worden – um drei Jahre verlängert werden, nämlich bis zum 3. Oktober 2018, und zum anderen ist die Frage der Abbruchkosten neu zu bewerten.
Die Problematik, mit der wir es dabei zu tun haben, besteht ganz einfach darin, dass sich der damalige Gesetzgeber – vielleicht waren einige von Ihnen noch dabei – hat von einer Prognose leiten lassen, die besagte, dass im Jahre 2015 der Bedarf an Datschennutzungen nicht mehr in dem Maße bestehen wird, weil es ein verändertes Freizeitverhalten der Bürger der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gibt und weil natürlich auch eine zunehmende berufliche Mobilität dazu beiträgt, dass viele Leute am Wochenende ihre Datsche nicht mehr nutzen werden.
Aber die Lebenswirklichkeit hat gezeigt: Es ist anders. Nach wie vor gibt es ungefähr eine halbe Million Nutzer von Datschengrundstücken in Ostdeutschland. Das bedeutet, dass die Nutzung dieser Grundstücke auch heute noch einen besonderen sozialen Stellenwert hat. In Anbetracht dessen hat der Bundesrat beschlossen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem der Kündigungsschutz für drei Jahre verlängert werden soll.
(Beifall bei der LINKEN)
In diesem Gesetzentwurf wird außerdem die Beteiligung an den Abbruchkosten neu geregelt. Erinnern Sie sich: Damals ist eine sehr fragwürdige Regelung getroffen worden; allein schon an den Zahlen kann man das nachvollziehen. Diese Regelung besagt nämlich: Wenn ein Vertrag bis Anfang Oktober 2022 endet, dann trägt der Grundstückseigentümer alle Abbruchkosten. Wenn ein Vertrag zwischen Oktober 2022 und Ende Dezember 2022 endet, dann werden die Abbruchkosten hälftig geteilt. Wenn ein Nutzer sein Grundstück ab 2023 abgibt, dann muss er ganz allein die Abbruchkosten tragen. – Das erscheint dem Bundesrat nicht nachvollziehbar und auch nicht begründbar.
Diese Regelung ist misslungen. Deshalb sagt der Bundesrat: Die Abbruchkosten sollen dem Grundstückseigentümer grundsätzlich übertragen werden. Es gibt Ausnahmen, etwa für den Fall, dass ein Gebäude nicht mehr genutzt wird, da es in einem allzu schlechten Zustand ist. Das hat auch deswegen einen Sinn, weil mit dem Übergang des Grundstücks auch das Gebäude des Nutzers, das er mit seinen eigenen Mitteln errichtet hat, auf den neuen Grundstückseigentümer übergeht. Er hat also einen Wertzuwachs.
Es ist angesprochen worden, dass es verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Ich glaube, diese verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Privatnützigkeit des Eigentums überzeugen nicht; denn die Privatnützigkeit bleibt auch in Zukunft gewährleistet; sie wird überhaupt nicht angegriffen. Die bestehenden Kündigungsmöglichkeiten des Eigentümers, insbesondere für den Fall, dass er das Grundstück für den eigenen Bedarf, etwa zu Wohnzwecken, nutzen will, bleiben bestehen; sie werden durch Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfes nicht verändert. Darüber hinaus kann der Eigentümer, wenn er es will, auch heute schon die Nutzungsentgelte entsprechend den ortsüblichen Entgelten beanspruchen.
Insofern bitte ich Sie, ernsthaft zu überprüfen, ob Sie diesem Gesetzentwurf, der – ich wiederhole es – im Bundesrat eine absolut überwältigende Mehrheit bekommen hat, nicht doch Ihre Zustimmung geben können. Ich finde, das wäre 25 Jahre nach dem Mauerfall ein Zeichen für ein gutes Zusammenwachsen von Ost und West.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Landesminister Dr. Markov, vielen Dank. – Bevor der Kollege Steineke das Wort erhält, darf ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der letzten namentlichen Abstimmung über den Antrag „Fortsetzung der Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der Integrierten Luftverteidigung der NATO auf Ersuchen der Türkei und auf Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung“, Drucksachen 18/3698 und 18/3859, bekannt geben: abgegebene Stimmen 580. Mit Ja haben gestimmt 503, mit Nein haben gestimmt 70, Enthaltungen 7. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen.
Ich erteile jetzt das Wort dem Kollegen Sebastian Steineke, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4511978 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Schuldrechtsanpassungsgesetz |