Katja KeulDIE GRÜNEN - Schuldrechtsanpassungsgesetz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als am 20. September 1990 der Einigungsvertrag durch Volkskammer und Deutschen Bundestag angenommen wurde, haben wohl nur die wenigsten Datschenbesitzer in der ehemaligen DDR darüber nachgedacht, wem das kleine Stück Land gehört, auf dem sie ihre Feierabend- oder Wochenendidylle geschaffen hatten. Noch weniger dieser Datschenbesitzer werden sich ausgemalt haben, dass die Frage sie auch noch über das Jahr 2015 hinaus beschäftigen wird.
Die Eigentumsordnungen von DDR und Bundesrepublik waren und sind nicht leicht zusammenzuführen. Im Grundgesetz und im Bürgerlichen Gesetzbuch ist das Eigentumsrecht als starke individuelle Rechtsposition ausgestaltet. Dies kann man von den in der Rechtsordnung der damaligen DDR vorherrschenden Eigentumsvorstellungen nicht gerade sagen. Vorrang hatte nach der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik immer das sozialistische Eigentum. Alle anderen Eigentumsformen mussten sich dem unterordnen.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das ist richtig!)
Die Erbauer der Datschen hatten das Grundstück, auf dem ihr kleines Wochenendhaus stand, in der Regel nicht eigentumsrechtlich erworben, sondern lediglich zur Nutzung überlassen bekommen. Das bedeutete im real existierenden Sozialismus jedoch eine de facto eigentumsrechtliche Stellung. Im Vertrauen auf den Fortbestand des Sozialismus oder zumindest der DDR haben sie daher mitunter viel Mühe und vergleichsweise hohe Investitionen in ihre Wochenendhäuser gesteckt. Mit der Einheit wurde dieses stark ausgeprägte Nutzungsrecht, zumindest aus der Perspektive des BGB, vom Kopf auf die Füße gestellt. Der Eigentümer einer Sache oder eines Grundstückes konnte jetzt mit diesem grundsätzlich so verfahren, wie es ihm beliebt.
Den Übergang von der starken Stellung des Nutzungsrechts hin zum übergeordneten Eigentumsrecht zu vollziehen, ist Aufgabe des Schuldrechtsanpassungsgesetzes von 1994. Der dort vorgesehene Kündigungsschutz in § 23 endet allerdings am 3. Oktober 2015.
Dem vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates liegt die Befürchtung zugrunde, dass mit dem Ablauf der Kündigungsschutzfrist viele Eigentümerinnen und Eigentümer von ihrer Kündigungsmöglichkeit Gebrauch machen werden und damit auf die Datschenerrichter die von ihnen als ungerecht empfundene Kostentragungspflicht zukommen könnte. Entschließt sich nämlich der Eigentümer nach der Beendigung des Nutzungsverhältnisses zur Beseitigung des einst vom Nutzer errichteten Gebäudes, so kann er von diesem unter bestimmten Voraussetzungen die Hälfte der Abbruchkosten verlangen.
Die besondere Kündigungsschutzfrist soll um drei Jahre bis zum 31. Oktober 2018 verlängert werden, und die Pflicht des Nutzers zur Übernahme der Abbruchkosten soll generell nur noch auf Härtefälle, sogenannte grobe Unbilligkeiten, beschränkt sein. Da fragt man sich natürlich schon, ob das nicht zu mehr Rechtsunsicherheit führt als bisher.
(Dr. Christoph Bergner [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Was ein Härtefall und was eine Unbilligkeit ist – da muss ich dem Kollegen von der Union recht geben –, werden wohl in der Regel erst die Gerichte entscheiden müssen.
Eine ausgewogene Regelung zu haben, die die Rechte und Pflichten der Eigentümer und Nutzer gut ausbalanciert, ist zweifelslos erstrebenswert. Jedoch muss man sich auch bewusst sein, dass es nicht möglich ist, sowohl Eigentümer – in dem Fall häufig die Kommunen – als auch Nutzer zu begünstigen. Eine endgültige Regelung wird zwangsläufig irgendwann irgendjemand belasten. Die Frage ist nur, wann dieser Zeitpunkt eintreten soll.
Es ist ja richtig, dass den hohen finanziellen Aufwendungen bei der Datschenerrichtung Rechnung getragen werden muss. Deswegen gibt es ja das Schuldrechtsanpassungsgesetz. Die Nutzer werden aber auch in drei Jahren höchstwahrscheinlich noch dieselben sein. Es stellt sich dann die Frage, wie oft die Frist in Zukunft erneut verlängert werden muss, um den getätigten Investitionen der Nutzer ordnungsgemäß Rechnung zu tragen.
Es ist wichtig, eine endgültige Regelung zu schaffen, auf die sich die Datschennutzer einstellen können, um Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schaffen. Die verschiedenen Fristen, die für die Frage der Übernahmepflicht von Abbruchkosten gelten sollen, sind in der Tat nur für Spezialisten aus dem Gesetz herauszulesen. Hier wäre durchaus mehr Rechtsklarheit wünschenswert.
Wir werden diesen Fragen in den anstehenden Ausschussberatungen nachgehen und prüfen, ob der hier vorgelegte Vorschlag wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Aber die Härte, mit der die Union den Gesetzentwurf heute an dieser Stelle ablehnt, überrascht mich schon ein bisschen; denn die Bundesregierung hat dem Gesetzentwurf des Bundesrates eine Stellungnahme beigefügt, in der eigentlich eine relativ offene Position vertreten wird. Dort wird zumindest betont:
Ich frage Sie an dieser Stelle, ob das alles schon erledigt ist und Sie sich schon entschieden haben. So hat es sich vorhin jedenfalls angehört. Wir werden die Sache jedenfalls noch einmal ergebnisoffen prüfen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Stefan Zierke, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4511999 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Schuldrechtsanpassungsgesetz |