Enak Ferlemann - Regionalisierungsgesetz
Sehr geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Landesminister, schön, dass Sie auch einmal an einer Debatte des Deutschen Bundestages teilnehmen.
(Sören Bartol [SPD]: Fängt schon gut an!)
Wir bringen als Bundesregierung heute den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes ein.
Bevor wir uns nachher wahrscheinlich wie die Kesselflicker um das Geld streiten, möchte ich für die vielen Zuschauerinnen und Zuschauer ein wenig erläutern, worum es bei dem Regionalisierungsgesetz inhaltlich geht. Im vergangenen Jahr haben wir das 20-jährige Jubiläum der Bahnreform gefeiert. Die Bahnreform war – das lässt sich wohl ohne Übertreibung behaupten – eines der größten Reformprojekte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Neben der Änderung des Grundgesetzes wurden damals sieben neue Gesetze erlassen sowie sage und schreibe 130 weitere Gesetze geändert. Inhaltlich fußte die Bahnreform auf drei Grundprinzipien: Umwandlung von Bundes- und Reichsbahn in eine privatrechtlich organisierte Eisenbahngesellschaft des Bundes, die DB AG, Schaffung eines diskriminierungsfreien Zugangs zum Eisenbahnnetz für private Eisenbahnunternehmen, die sogenannte Öffnung des Marktes, und Übertragung der Zuständigkeit für den Schienenpersonennahverkehr auf die Bundesländer, einschließlich der finanziellen Verantwortung, die sogenannte Regionalisierung.
Die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre hat gezeigt, dass sich dieser politische und organisatorische Kraftakt wahrlich gelohnt hat. Nach Jahren des Niedergangs mit kontinuierlich sinkenden Marktanteilen erlebt der Schienenverkehr seitdem einen enormen Aufschwung. Ohne die anderen Teile der Bahnreform geringschätzen zu wollen, behaupte ich, dass die Übertragung der Planungs-, Organisations- und Finanzierungsverantwortung für den Schienenpersonennahverkehr auf die Bundesländer zum 1. Januar 1996 und die Schaffung einer finanziellen Grundlage durch die Regionalisierungsmittel zentrale Elemente der Erfolgsgeschichte der Bahnreform sind.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes erhalten die Länder seitdem auf Grundlage des Regionalisierungsgesetzes jährliche Beiträge zur Finanzierung der Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr, die sie aber zum Teil auch investiv zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs einsetzen können. Allein im Zeitraum von 2008 bis 2014 erhielten die Länder auf diesem Weg knapp 50 Milliarden Euro. Allein 2014 flossen insgesamt rund 7,3 Milliarden Euro vom Bund an die Länder – eine sagenhafte Summe.
Der Bund schafft also die Voraussetzungen, indem er die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt. Auf Landesebene bzw. in der Region wird dann entschieden, wie diese Mittel sinnvoll eingesetzt werden können, wie der öffentliche Verkehr vor Ort, in der Region oder auch länderübergreifend bedarfsgerecht gestaltet werden kann. Darüber hinaus wird die Verwendung der Mittel über die Transparenznachweise
(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Das sehe ich ganz anders!)
– na ja, im weitestgehenden Sinne sind es Transparenznachweise –, die die Länder seit 2008 erbringen, belegt.
(Gustav Herzog [SPD]: Rheinland-Pfalz macht das ganz ordentlich!)
Meine Damen und Herren, die durch die Regionalisierung eingeführte Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern hat sich bewährt. Die Zugkilometer im Schienenpersonennahverkehr konnten um über 28 Prozent und die Verkehrsleistung in Personenkilometern um über 50 Prozent gesteigert werden. Besseres Material, neue Fahrzeugflotten sowie integrierte Taktfahrpläne haben zudem dafür gesorgt, dass es beim Komfort und bei der Qualität des Angebots einen Quantensprung gegeben hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung – das betone ich ausdrücklich – hat ein elementares Interesse daran, die mit der Regionalisierung verbundene Erfolgsgeschichte weiter fortzuschreiben. Zum einen ist und bleibt ein bedarfsgerechtes Angebot im Schienenpersonennahverkehr ein zentrales Element der Daseinsvorsorge, zu dem sich die Bundesregierung ganz ausdrücklich bekennt. Zum anderen ist ein bedarfsgerechtes Angebot im Schienenpersonennahverkehr auch aus ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten ein Gebot der Stunde. Unsere Gesellschaft und auch das Mobilitätsverhalten der Menschen haben sich deutlich verändert. Von den Menschen wird heute mehr berufliche Mobilität erwartet, gleichzeitig können und wollen viele Menschen diesen gesteigerten Erfordernissen nicht mehr ausschließlich mit dem Auto nachkommen. Deswegen ist ein attraktiver Schienenpersonennahverkehr in den Ballungsräumen und genauso natürlich in der Fläche ein unverzichtbarer Bestandteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Um die Mittel auf den zukünftig zu erwartenden Bedarf ausrichten zu können, ist gemäß § 5 Absatz 5 Regionalisierungsgesetz für den Zeitraum ab 2015 eine Neufestsetzung vorgesehen. Diese anstehende Revision der Regionalisierungsmittel tangiert nach Auffassung der Bundesregierung aber auch in erheblichem Maße die Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf grundsätzliche Art und Weise. Daher ist die Bundesregierung der Auffassung, dass diese Revision im Rahmen der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen beraten und beschlossen werden soll.
Mit der heutigen Vorlage eines Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes sollen die bisher geltenden Regelungen des Gesetzes um ein Jahr fortgeschrieben werden. Damit ist sichergestellt, dass die Mittel auch 2015 um 1,5 Prozent dynamisiert werden. Den Ländern steht unter diesen Voraussetzungen für 2015 insgesamt ein Betrag von rund 7,4 Milliarden Euro zu. Das sind rund 100 Millionen Euro mehr, als ursprünglich im Haushaltsgesetz 2015 vorgesehen.
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Kosten steigen halt noch viel stärker!)
Die Bundesregierung demonstriert damit ihre Bereitschaft, den schienengebundenen Personennahverkehr weiterhin bedarfsgerecht auszustatten, ohne den laufenden Beratungen und Verhandlungen über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen entscheidend vorgreifen zu wollen.
Nun hat auch der Bundesrat einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dazu kann man sagen: Wenn ich unter den Bundesländern Streit über die Verteilung der Mittel habe, ist es einfach, dem Bund links tief in die Tasche zu greifen und rechts tief in die Tasche zu greifen, sodass alle mit dem Mehr, was verteilt wird, zufrieden sind.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist nicht besonders intelligent. Für die Länder ist es vielleicht gut, aber es ist sehr teuer für den Bund. Von daher werden wir das Problem so nicht lösen können. Gleichwohl wollen wir uns gerne an den Diskussionen beteiligen.
Ich hoffe, dass wir den Entwurf, den wir vorgelegt haben und der ein gutes Gesetz beinhaltet, zügig im Parlament beraten, damit die Verkehrsdienstleister in diesem Jahr das ihnen zustehende Geld und auch die Erhöhung der Mittel bekommen. Ich hoffe auch, dass wir in diesem Jahr eine Regelung finden, die eine dauerhafte Finanzierung des schienengebundenen Personennahverkehrs in Deutschland zur Freude aller Beteiligten sicherstellt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Sabine Leidig, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4512086 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Regionalisierungsgesetz |