Martina Stamm-FibichSPD - Rezeptpflicht der Pille danach
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der lange Atem, den wir als SPD-Bundestagsfraktion beim Thema Pille danach bewiesen haben, hat sich gelohnt.
(Beifall bei der SPD)
Er hat sich gelohnt vor allem für die Frauen in Deutschland. Sie werden die Pille danach schon bald ohne Rezept in der Apotheke erhalten. Gut, dass wir so beharrlich waren. 2012 haben wir als SPD-Fraktion den ersten Antrag gestellt und damit als erste Fraktion im Deutschen Bundestag die Rezeptfreiheit der Pille danach gefordert.
(Beifall bei der SPD)
Mit dieser Forderung standen wir schon damals nicht allein. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat schon 2003 empfohlen, die Verschreibungspflicht aufzuheben. Auch die Europäische Arzneimittel-Agentur vertritt seit Jahren die Meinung, dass die Pille danach auch ohne ärztliche Verschreibung sicher und effektiv ist. Die Weltgesundheitsorganisation rät seit 2010 dazu, die Pille danach rezeptfrei abzugeben. Die Pille danach ist gut erforscht und weitgehend frei von Nebenwirkungen, und zwar unabhängig vom Wirkstoff. Alle bisherigen Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die beiden Wirkstoffe Ulipristal und Levonorgestrel ein vergleichbares Sicherheitsprofil haben.
Es gibt also gute Gründe dafür, dass in rund 80 Staaten der Welt die Pille danach ohne Rezept erhältlich ist. Auch in den meisten europäischen Staaten ist die Pille danach bereits rezeptfrei zu bekommen. Viele unserer Nachbarländer wie zum Beispiel Belgien, Frankreich und die Niederlande machen damit gute Erfahrungen. Dass jetzt endlich auch in Deutschland unsere Forderung erfüllt wird, dass die Pille danach schon bald auch hierzulande rezeptfrei abgegeben wird, freut mich sehr.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Ein längst überfälliger und wichtiger Schritt für das Selbstbestimmungsrecht moderner Frauen ist damit vollzogen. Ich hoffe, dass bereits im Frühjahr Frauen von der getroffenen Entscheidung profitieren. Künftig kommen sie bei Bedarf unkompliziert und schnell an die Pille danach. Die meisten Verhütungspannen passieren schließlich am Wochenende oder dann, wenn der vertraute Frauenarzt gerade keine Sprechstunde hat. Bislang war der Gang in die Notaufnahme dann der einzige Weg, um rechtzeitig die Pille danach zu erhalten. Dieser Gang in die Notaufnahme bedeutete oft enorme Wartezeiten und konnte durchaus zu einem Spießrutenlauf geraten, bei dem sich die betroffenen Frauen unangemessene Bemerkungen anhören mussten. Das alles gehört nun, so hoffe ich, der Vergangenheit an.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Die Befreiung der Pille danach von der Rezeptpflicht ist ein Erfolg unserer Hartnäckigkeit, und dieses Eigenlob, liebe Genossinnen und Genossen, haben wir uns redlich verdient.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Im jahrelangen politischen Tauziehen haben wir als SPD-Bundestagsfraktion einen kühlen Kopf bewahrt, für unseren Standpunkt geworben und die Skeptiker überzeugt. Dem einen oder anderen Skeptiker half – das will ich hier nicht verschweigen – zu guter Letzt noch ein Impuls aus Brüssel auf die Sprünge.
Am 7. Januar 2015 entschied die EU-Kommission, die Pille danach mit dem Wirkstoff Ulipristal aus der Rezeptpflicht zu entlassen. Damit markierte die Kommission einen Wendepunkt im Kampf für die Rezeptfreiheit und hat im Gesundheitsministerium ein erfreuliches Umdenken bewirkt. Das Gesundheitsministerium will diese europäische Entscheidung jetzt im Rahmen der 14. Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung zügig umsetzen. Ich begrüße dies ausdrücklich. Die neue Verordnung sieht auch vor, dass die Pille danach mit dem Wirkstoff Levonorgestrel künftig nicht mehr verschreibungspflichtig ist.
Ich begrüße auch die Regelungen zur Erstattung. Hier ist Folgendes vorgesehen: Für unter 20-jährige Frauen soll die Pille danach weiterhin kostenlos sein. Bisher haben Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum vollendeten 20. Lebensjahr Anspruch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln, wenn sie ärztlich verordnet werden. Um auch nach der Entlassung der Pille danach aus der Verschreibungspflicht sicherzustellen, dass für Frauen, die das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Kosten nicht nur für herkömmliche empfängnisverhütende Mittel, sondern auch für Notfallkontrazeptiva durch die GKV übernommen werden, wird der Artikel 1 § 24 a SGB V entsprechend geändert. Der neue Satz 2 dieses Paragrafen sieht eine entsprechende Ausnahmeregelung für die nicht verschreibungspflichtigen Notfallkontrazeptiva vor. Die Regelung bestimmt, dass die Kosten für diese nicht verschreibungspflichtigen empfängnisverhütenden Mittel durch die Krankenkassen zu tragen sind, sofern eine ärztliche Verordnung vorliegt.
Uns allen ist klar: Die Pille danach ist ein Notfallmedikament. Sie ist kein Ersatz für die Antibabypille. Sie wirkt nicht, wenn sich die befruchtete Eizelle bereits eingenistet hat. Die Pille danach ist demnach kein Präparat, das einen Schwangerschaftsabbruch zur Folge hat. Die Pille danach ist ein wichtiges Mittel zur Prävention ungewollter Schwangerschaften und ihre Freigabe damit eine große Erleichterung für Frauen.
Mit der Aufhebung der Rezeptpflicht stellt sich allerdings auch die Frage der medizinischen Beratung und Aufklärung neu. Beides darf auf keinen Fall vernachlässigt werden. Es muss dafür gesorgt werden, dass Frauen auch in Apotheken fachkundig beraten und ausführlich über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Auf keinen Fall darf der Eindruck aufkommen, die Pille danach könne man so bedenkenlos wie eine Kopfschmerztablette einnehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Oder wie ein Smartie!)
Eine gute Beratung bei der Abgabe der Pille danach muss also auf jeden Fall sichergestellt werden. In diesem Punkt besteht weithin Einigkeit. Wie die Dokumentation im Einzelnen ausgestaltet werden soll und wie Beratung und Aufklärung vergütet werden können, ist dagegen noch offen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Apotheker eine qualitativ gute Beratung leisten können. Schließlich ist die Beratung zur Einnahme von Arzneimitteln für die Apotheker kein Neuland, sondern eine Kernkompetenz.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sie beweisen tagtäglich, dass sie die nötige Fachkenntnis und auch das wünschenswerte Fingerspitzengefühl haben.
Gemeinsam mit Frauenärzten, Apothekern und dem BfArM werden derzeit fachliche Kriterien dafür entwickelt, wie Beratungsgespräche diskret gestaltet werden können. Von allen Seiten höre ich, dass diese Gespräche sehr konstruktiv verlaufen. Ob am Ende nun ein standardisierter Dokumentationsbogen oder eine Art Checkliste mit Fragen stehen wird, ist gegenwärtig noch offen.
Zu klären sind auch noch einige offene Fragen, wie zum Beispiel die, ob auch Versandapotheken der Versand erlaubt werden kann und ob es eine Mindestaltersgrenze für die Abgabe für die Pille danach geben kann. Ich hoffe, dass diese Fragen rasch geklärt werden, damit für die betroffenen Frauen keine unnötigen Unsicherheiten entstehen.
Die Rezeptfreiheit der Pille danach war von Anfang an ein Herzensthema der SPD-Bundestagsfraktion. Gesundheitsminister Gröhe hat mit der Eilverordnung schnell und richtig reagiert und kommt damit den Forderungen nach, die wir als SPD-Bundestagsfraktion seit langer Zeit stellen.
Kollegin Stamm-Fibich, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Ende. – Die Anträge von Linken und Bündnis 90/Die Grünen sowie deren Gesetzentwurf haben sich mit der Eilverordnung erübrigt und werden daher von uns abgelehnt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Ulle Schauws das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4512440 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Rezeptpflicht der Pille danach |