30.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 83 / Tagesordnungspunkt 16 + ZP 7

Michaela NollCDU/CSU - Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wenn ich meinen Blick nach oben richte, sehe ich Herrn Wüstner und Herrn Schönmeyer vom BundeswehrVerband. Ich möchte Ihnen sagen: Vielen Dank für Ihre Anregungen! Vieles von dem, was wir hier heute diskutieren, war Gegenstand des Dialogs zwischen Ihnen und uns.

Ich weiß, dass Sie circa 200 000 Mitglieder haben. Ich befürchte aber, dass nicht alle heute vor dem Fernseher sitzen und diese Debatte verfolgen. Deswegen würde ich Sie bitten, das, was Sie heute aus dieser Debatte mitnehmen, an die Soldatinnen und Soldaten vor Ort weiterzutragen, damit diese wissen: Es ist ein sehr guter Tag für die Soldatinnen und Soldaten.

Auf der Besuchertribüne sehe ich eine gemischte Altersgruppe. Vielleicht gelingt es uns, den einen oder anderen anzuregen, darüber nachzudenken, dass die Bundeswehr wirklich attraktiv ist. Ich werde mich an dieser Stelle redlich darum bemühen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Verderben Sie den jungen Leuten nicht die Zukunft!)

Dass heute ein guter Tag für die Soldatinnen und Soldaten ist, haben wir eben gehört. Die Attraktivitätsoffensive teilt sich auf in zwei Teile: die „Agenda Attraktivität“ und das Artikelgesetz. Das eine betrifft die Sichtweise nach innen, also diejenigen, die wir anwerben wollen, und das andere betrifft diejenigen, die bereits in der Bundeswehr sind. Dafür ist es verdammt noch mal auch Zeit!

Insbesondere durch die Neustrukturierung der Bundeswehr hat sich das Leben vieler Soldaten massiv geändert. Wenn wir wollen, dass die Neuausrichtung ein Erfolg wird, dann müssen wir diejenigen mitnehmen, die es tatsächlich tangiert, und das sind die Soldaten.

In Gesprächen ist mir bewusst geworden: Viele Soldaten „schwimmen“. Sie sagen: Es muss sich alles noch einspielen. Vieles ist noch unklar. – Deswegen ist jetzt der richtige Moment für die Attraktivitätsoffensive. Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt und bewirkt konkrete Verbesserungen.

Das Vertrauen in die Bundeswehr als Arbeitgeber ist an der einen oder anderen Stelle ein bisschen verloren gegangen. Ich bin sicher, dass dies die Chance ist, dieses Vertrauen zurückzugewinnen.

Ich möchte an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an unsere Verteidigungsministerin richten. Sie haben eine ehrliche Analyse gemacht und aufgeführt, wo Handlungsbedarf besteht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte etwas erwähnen, was den Soldaten, aber nicht all denjenigen, die hier im Saal sind, vertraut ist:

Das ist der Diensteid, den die Berufssoldatinnen und -soldaten und die Soldaten auf Zeit leisten. Ich habe ihn bewusst wiedergegeben, um zu transportieren, über was und über wen wir hier wirklich sprechen. Es geht um die Menschen, die bereit sind, im schlimmsten Fall ihr Leben für uns, für unsere Sicherheit und für unsere Freiheit einzusetzen.

Ich mache einmal einen kleinen Abstecher. Ich war diese Woche Montag im „Wald der Erinnerung“; General Fritz hat mich durchgeführt. In diesem Wald sieht man an den Stelen und Bäumen die Namen der gefallenen und gestorbenen Soldaten. Ich denke, diese Gedenkstätte ist ein deutliches Zeichen gegen das Vergessen. Er ist auf Wunsch der Hinterbliebenen entstanden. Es ist ein Ort der Stille und der Trauer. Deswegen sage ich: Soldat ist kein Beruf wie jeder andere. Denn die Soldatinnen und Soldaten sind bereit, alles zu geben.

Dass Freiheit und Sicherheit nicht mehr selbstverständlich sind, haben jetzt und heute, glaube ich, alle begriffen. Die weltweite Sicherheitslage hat sich komplett verändert. Überall in der Welt gibt es Krisen und Instabilität. Es gibt Auseinandersetzungen, zum Beispiel in der Ukraine oder in Form des Vormarsches des IS und der Anschläge in Paris. Freiheit und Frieden sind keine Selbstverständlichkeit mehr.

Die Generation, die heute hier oben und unten im Saal sitzt, ist die Generation, die letztendlich noch nie einen Krieg erlebt hat. Wir kennen ihn nur aus den Erzählungen unserer Eltern und unserer Großeltern. Deswegen sage ich: Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben. Wir müssen Geld für die Bundeswehr in die Hand nehmen; denn die Ansprüche an die Bundeswehr und an ihr Personal werden weiter zunehmen. Rund 120 Millionen Euro zusätzlich werden allein im Jahr 2015 zur Verfügung gestellt. Das ist ein Anfang.

Viele haben genauso wie Herr Leutert die mangelhafte Ausrüstung angesprochen. Natürlich ist das ein Problem; die KPMG-Studie hat das gezeigt. Aber wir haben dieses Problem erkannt und arbeiten an einer Lösung. Gute Ausrüstung ist wichtig und für viele Soldaten sogar überlebenswichtig. Attraktiv ist sicherlich all das, was die Arbeit sicherer macht. Aber wir müssen auch die Gesamtheit der Soldaten im Blick haben und darauf achten, dass sie einsatzfähig und motiviert sind, die Arbeit gut und gewissenhaft zu erledigen.

Der Kollege Fritz Felgentreu hat eben darauf hingewiesen, dass es sich bei der Bundeswehr um eine Freiwilligenarmee handelt. Das heißt, niemand muss mehr Dienst tun. Oft wird gesagt, dass die Bundeswehr die Besten haben will. Ich will diesen Bogen weiter spannen. Ich möchte gerne auch diejenigen für die Bundeswehr gewinnen, die sozial kompetent, teamfähig und verantwortungsvoll sind; gerade angesichts vieler komplexer Tätigkeiten bei der Bundeswehr.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir brauchen qualifizierte Leute, die mit komplizierter Technik umgehen können. Damit stehen wir in Konkurrenz zu vielen Großunternehmen. Die Wirtschaft und das Handwerk suchen händeringend Leute. Der vieldiskutierte Fachkräftemangel macht auch vor der Bundeswehr nicht halt. Ich habe an der Schule meines Sohnes erlebt, dass die Unternehmen durch gezielte Kooperation mit der Schule die Schüler, die als Leistungskurs Informatik belegt haben oder gute Noten in naturwissenschaftlichen Fächern haben, mit attraktiven Angeboten regelrecht abfischen. Wenn die Bundeswehr hier nicht mit dem Rücken zur Wand stehen will, muss sie sich warm anziehen und sich bewegen. Die entsprechenden Maßnahmen dazu haben Sie mit der Attraktivitätsoffensive auf den Weg gebracht. Danke, Frau Ministerin.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

An den Berufsberatungstagen stehen die jungen Leute Schlange am sogenannten Karrierebus. Aber wir müssen auch erreichen, dass sie bei der Bundeswehr bleiben. Sie bleiben dann, wenn die Bundeswehr attraktiv ist. Darum müssen wir uns kümmern. Wir verlangen viel von den Soldaten. Daher verlange ich, dass die Soldaten die bestmöglichen Rahmenbedingungen bekommen. Dafür werden wir mit dem nun zur Beratung anstehenden Gesetz sorgen.

In der Presse ist oft von maroden Unterkünften und Überbelegungen die Rede. Ist das attraktiv für junge Leute? Ich glaube, eher weniger. Deswegen war es richtig, dass Sie, Frau Ministerin, gesagt haben: Wir nehmen nun Geld in die Hand. – Von den insgesamt 3 000 Unterkünften werden erst einmal 500 geschlossen. 800 Sofortmaßnahmen sind bereits abgeschlossen. Das heißt, es geht aufwärts. Das gigantische Schiff Bundeswehr in der Fläche zu bewegen, ist sicherlich kein einfacher Job. Aber ich bin sicher, dass Sie, Frau Ministerin, das schaffen werden. Sie haben gesagt, dass Sie mit Hochdruck daran arbeiten, und auf Ihre Aussage ist Verlass.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Fritz Felgentreu [SPD])

Ist es attraktiv, jedes Wochenende Hunderte Kilometer zu pendeln und in der Regel fernab von der Familie zu leben? Nein, das ist es nicht. Ist es attraktiv, die Freizeit nicht mehr richtig planen zu können? Nein, das ist es nicht. Laut der 2013 veröffentlichten Studie über die Attraktivität der Mannschaftslaufbahnen lehnen viele junge Leute unregelmäßige Arbeitszeiten ab und möchten mehr Zeit für die Familie haben. Mit den 29 untergesetzlichen Maßnahmen der „Agenda Attraktivität“, die dazu dienen, Verlässlichkeit und Planbarkeit für die Soldaten zu schaffen, und den im Artikelgesetz aufgeführten 22 Maßnahmen wird es uns gelingen, mehr Nachwuchs für die Bundeswehr zu rekrutieren.

Wie ich sehe, habe ich mich zeitlich verkalkuliert. Deshalb muss ich meinen Redebeitrag radikal kürzen. Nur noch so viel: Es gibt etwas, was nur die Bundeswehr lebt. Das ist Kameradschaft. Das finden Sie in kaum einem anderen Unternehmen. Als ich im Mai letzten Jahres in Masar-i-Scharif war, habe ich mit den Soldaten und vor allem mit den Soldatinnen gesprochen. Eine Soldatin hat mir auf meine Frage, warum sie bei der Bundeswehr sei, geantwortet: „Kameradschaft im Einsatz so wie hier finden Sie nirgendwo anders!“ Hier ist die Bundeswehr einmalig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ein ermutigendes Beispiel dafür, dass ein Debattenbeitrag auch durch radikale Kürzung des Manuskripts nicht an Wirkung verlieren muss.

(Heiterkeit)

Nächster Redner ist der Kollege Thomas Hitschler für die SPD-Fraktion.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4514538
Wahlperiode 18
Sitzung 83
Tagesordnungspunkt Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz
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