Renate KünastDIE GRÜNEN - Aufklärung der Foltervorwürfe gegen die CIA
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein ernstes Thema. Es geht um einen Antrag, bei dem meines Erachtens eigentlich niemand in diesem Haus dagegen sein kann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])
Ich denke, alle können unterschreiben und sagen:
Wir alle wollen doch wohl, dass Folter abgestellt wird und Foltervorwürfe rechtsstaatlich aufgeklärt werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Eigentlich haben wir bei diesem Thema doch alle die gleiche Meinung, zum Beispiel gerade gestern bezüglich des Bloggers in Saudi-Arabien. Der Kollege Tom Koenigs, der zum Beispiel dazu geredet hat, sitzt jetzt auch hier. Logisch. Aber wenn das so ist, meine Damen und Herren, muss doch der Deutsche Bundestag jetzt gemeinsam begrüßen, dass – erstens – der Geheimdienstausschuss des US-Senats unter Leitung von Dianne Feinstein diese Aufklärung über das Inhaftierungs- und Verhörprogramm der CIA, über Jahre mühevoll betrieben hat, und müsste – zweitens – logischerweise dann auch zustimmen, wenn wir heute beschließen wollen: Wir ersuchen die zuständigen Stellen in den USA, uns den vollständigen Bericht von 6 000 Seiten ungeschwärzt zu übermitteln. Das alles gehört logisch zusammen, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Wir kennen ja nun alle die Zusammenfassung, die mittlerweile auf Deutsch – auf meinem Tisch liegt sie – erschienen ist, 500 Seiten.
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] hält ein Buch hoch mit dem Titel „Der CIA-Folterbericht“)
Aber der Bericht hat eben 6 000 Seiten. Selbst bei dieser Zusammenstellung auf 500 Seiten – wenn man sie liest – kann man verzweifeln. Es ist unglaublich, dass so etwas in den USA geschehen ist, dass sich dieses politische System, vermeintlich um Freiheit zu verteidigen, dahin versteigen kann:
Waterboarding. – Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sich ein Mensch physisch und psychisch dabei fühlt. Man ist dann doch zerstört, im wahrsten Sinne des Wortes zerstört – schon nach dem ersten Mal. Hier war es mindestens 18-mal.
Entzug von Schlaf. – Meine Damen und Herren, das ist mit einem Land, dessen Verfassung anfängt mit „We the People“, eigentlich gar nicht vereinbar.
Ich meine, was jetzt nicht passieren darf, ist, dass nach diesem Bericht die Straflosigkeit folgt, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es gibt viele Staaten auf der Welt, in denen Folter an der Tagesordnung ist: Saudi-Arabien – davon haben wir gestern geredet –, Syrien, Iran, auch Russland, meine Damen und Herren. Aber von der US-Justiz erwarte ich, dass sie hier wirklich aufarbeitet und es nicht mit der Veröffentlichung des Berichts oder des Teilberichts bewenden lässt. Die USA haben sich doch eigentlich völker- und menschenrechtlichen Standards verpflichtet, wenn sie auch nicht alles unterschrieben haben, zum Beispiel bei dem Internationalen Strafgerichtshof.
Klar ist aber auch: Auch wenn die US-Justiz untätig bleibt und Obama schon gesagt hat: „Wir reagieren da nicht mit strafrechtlichen Maßnahmen“, kann das für uns nicht heißen, dass wir, die wir sagen, Folter ist verboten – einen anderen Weg gibt es nicht; wir haben es im Fall des Polizisten Daschner richterlich bestätigt bekommen –, meinen: Das gilt jetzt für uns auch. Nein, das Strafrecht hat ein Weltrechtsprinzip: Folter ist verboten – was nichts anderes heißt, als dass jedes Land Folter, wo auf dieser Welt und an wem auch immer sie verübt wird, bei sich selbst einem Strafverfahren unterziehen kann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Deshalb sage ich: Das Ganze muss Folgen haben. Die deutsche Justiz muss doch zumindest in der Lage sein, Taten mit Bezug zu Deutschland zu verfolgen, zum Beispiel bei Entführungen, die über unser Territorium erfolgt sind, bei denen deutsche Behörden beteiligt waren – etwa bei der Ermittlung persönlicher Daten oder von Aufenthaltsorten – oder wo die Opfer deutsche Staatsangehörige waren.
Stellen Sie sich jetzt einmal vor, jemand, dem das passiert wäre, hieße Fritz Müller oder Meier. Wäre dann der Aufschrei eigentlich größer gewesen, als wenn man einen ganz anderen Namen gehabt hätte, zum Beispiel Murat Kurnaz oder Khaled el-Masri? Überlegen Sie einmal – der Untersuchungsausschuss hat das ja gezeigt –, ein deutscher Bürger aus Bremen wird in Mazedonien festgenommen, nach Afghanistan verschleppt, gefoltert – wir haben es gesehen; selbst in diesem Bericht steht das –, misshandelt, erniedrigt und geschlagen. Ihm werden Drogen verabreicht und verschiedene rektale Einläufe verpasst. Wenn wir nicht einmal in der Lage sind, bei solchen Straftaten und einer solchen Folter gegenüber deutschen Staatsangehörigen zu sagen: „So nicht“, dann frage ich: Wo denn dann?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Ich sage das auch für den Deutschen Khaled el-Masri, der von der CIA eben auch gefoltert wurde. In München war man mutig, und es gibt dort Haftbefehle. Aber wo funktioniert denn der deutsche Rechtsstaat, wenn diese Haftbefehle gegen CIA-Agenten von der Regierung nicht einmal an die USA weitergeleitet werden? Hier geht es doch auch um die eigene Würde und die Glaubwürdigkeit, dass wir wirklich einen Rechtsstaat vertreten. Denken Sie allein auch an die Entführten, die nach der Folter in ihren Zellen von Geheimdienstmitarbeitern vernommen wurden, wodurch diese quasi die Früchte des verbotenen Baumes geerntet haben.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns nicht an einem System Straflosigkeit beteiligen dürfen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Wie betreiben wir eigentlich – das sehen wir in diesen Tagen – Terrorismusbekämpfung? Wie können wir bei all der Strafverfolgung und all den Maßnahmen, die wir hier in dieser Zeit strittig diskutieren, jungen Männern und Frauen sagen: „Schließt euch nicht den Dschihadisten an, habt Respekt vor anderen Menschen, tötet nicht andere, geht nicht diesen Weg“, und wie können wir ihnen eigentlich in die Augen schauen? Sie sehen uns an und sagen: Gleiches Recht für alle!
Ich will diese Taten gar nicht voll gleichstellen, aber wenn etwas eine Straftat ist, dann ist etwas eine Straftat, und der deutsche Rechtsstaat und der Deutsche Bundestag sind nur glaubwürdig, wenn sie ohne Ansehen der Person und ohne Ansehen der Staaten sagen: Solche Straftaten werden von uns verfolgt. – Darum geht es.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Frau Kollegin Künast, ich darf Sie um Ihren letzten Satz bitten.
Ja, ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, wenn wir bei der Prävention und Bekämpfung von Folter erfolgreich sein wollen, dann muss der Deutsche Bundestag diesen Bericht – 6 000 Seiten, ungeschwärzt – fordern. Ich meine, wenn wir in unserem Rechtsstaat wirklich gegen Folter kämpfen wollen, dann müssen wir die Frage nach diesem Bericht immer wieder stellen. Wir werden nie aufhören, nach diesem Bericht zu fragen – bis wir ihn haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Frank Heinrich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 17. Dezember 2014 haben wir an dieser Stelle über die Foltermethoden der CIA debattiert und waren uns über die Parteigrenzen hinweg einig – das wurde von Frau Künast in ihrer Rede gerade auch ge-sagt –, diese grausamen Praktiken zu verurteilen. Ich selber habe zu Beginn meiner Rede damals gesagt: „Schämt euch, Freunde in den USA …!“
Wir haben von sogenannten erweiterten Verhörtechniken gehört. Das ist eine grobe Verharmlosung von Folter. Lassen Sie mich einige der gravierendsten Verstöße einfach einmal ins Gedächtnis rufen: Verhaftungen auf Verdacht ohne jede Anklage, Abschottung von der Außenwelt in Geheimgefängnissen, Drohungen gegen die Familie, zum Beispiel die Drohung, die Mutter zu vergewaltigen, Eintauchen in eine Tonne mit Eiswasser, Schlafentzug über drei Tage. Man könnte das noch weiter fortsetzen.
Der Bundesregierung lag bisher nur ein Teil des 6 000-seitigen Berichts vor, der von Frau Feinstein so toll und mit großer Ausdauer vorbereitet wurde, 500 Seiten, und diese sind an vielen Stellen geschwärzt. Man bekommt Angst, wenn man sich vorstellt, was auf den restlichen Seiten oder unter diesen geschwärzten Stellen des Berichts noch verborgen sein könnte.
Wir verlangen von den Freunden in den USA eine vollständige Aufklärung. Insofern stimme ich dem Anliegen des Antrags zu.
Am gleichen Tag, als die Debatte im Dezember stattfand, wurde der Rechtsausschuss durch Generalbundesanwalt Harald Range informiert. Er hat an die USA den Antrag gestellt, der Bundesregierung den kompletten und ungeschwärzten Bericht zu liefern. Der Antrag, über den wir heute debattieren, übrigens mit dem gleichen Datum wie damals versehen, erübrigt sich deswegen
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Der Bundestag muss zeigen, dass er das einfordert! Das ist eine Frage der Ehre! Wir müssen das fordern!)
und wirkt schon auf eine gewisse Weise wie ein Schaufensterantrag.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie ja auch zustimmen!)
Zudem müssen Sie doch wissen, dass nicht nur wir alleine, sondern auch die anderen Staaten der EU – das wird im nächsten Monat im Europäischen Parlament der Fall sein – darüber debattieren. Trotzdem gibt es – das habe ich im Eingang gesagt – Elemente in Ihrem Antrag, die wir als CDU vollständig mittragen.
Die erneute inhaltliche Debatte, auch angesichts der Geschehnisse seit Dezember, ist sinnvoll. Deshalb möchte ich den ersten Absatz Ihres Antrags vorlesen:
Danach werden mehrere Paragrafen dazu angeführt. Dieser Forderung können wir absolut, unmissverständlich und vollumfänglich zustimmen.
Gestern haben wir hier an der gleichen Stelle, wie Sie gerade gesagt haben, über den Blogger Raif Badawi aus Saudi-Arabien debattiert. Er wurde vor zwei Jahren wegen Beleidigung des Islams verhaftet, im November letzten Jahres zu zehn Jahren Haft, einer Geldstrafe und 1 000 Peitschenhieben verurteilt, was durch die Medien ging. Die ersten 50 Schläge sind ihm verabreicht worden oder wurden, wie man dort wahrscheinlich sagt, vollstreckt. Daraufhin hatte er so starke Verletzungen, dass ihm, auch aufgrund des politischen Drucks, bisher keine weiteren Schläge verabreicht wurden.
Saudi-Arabien hat das Attentat in Paris als „feigen Terrorakt“ verurteilt, „der gegen den wahren Islam verstößt“ – so viel zur einen Seite der öffentlichen Wahrnehmung. Nur zwei Tage später hat Saudi-Arabien den Blogger in Dschidda öffentlich auspeitschen lassen. Ich suche immer noch denjenigen, der das versteht.
Die Bundesrepublik und die gesamte westliche Welt haben gegen diese Form der Folter ihre Stimme erhoben – mit Erfolg. Eine weitere Bestrafung wurde – das habe ich eben gesagt – vorerst ausgesetzt. Damit wir aber unsere Stimme gegen jede Form von Menschenrechtsverletzung, gegen Einschränkungen von Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, gegen Diskriminierung von Minderheiten, gegen unfaire Gerichtsverfahren und gegen Folter glaubwürdig erheben können, müssen wir auch vor der eigenen Haustür kehren.
Die USA sind unsere Freunde. Diese Freundschaft darf nicht dazu führen, dass die Glaubwürdigkeit der Weltgemeinschaft beeinträchtigt und beschädigt wird. Dafür müssen die Daten vollständig und ungeschwärzt vorliegen. Der Generalbundesanwalt geht an dieser Stelle den richtigen Weg. Natürlich müssen wir zusichern, was unter Punkt IV in Ihrem Antrag steht:
Es ist das Wesen eines demokratischen Rechtsstaates, vollumfänglich aufzuklären und juristische Konsequenzen zu ziehen. Nur so gewinnt Politik an Glaubwürdigkeit, möglicherweise auch Glaubwürdigkeit bei den politikverdrossenen Bürgern zurück, die in unserem Land auf die Straße gehen.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Dem stimmen wir zu, ja!)
Das gilt auch nicht minder für die Glaubwürdigkeit bei Konflikten zwischen Staaten. So hat Deutschland unter anderem eine Vermittlerrolle zwischen den widerstreitenden Kräften in der Ukraine übernommen. Wir haben eine führende Rolle in der wirtschaftlichen und demokratischen Stabilisierung innerhalb der EU und vieler anderer Länder. Wir tun das in enger Verbundenheit mit den Partnern, auch mit den USA. Um dieser Glaubwürdigkeit willen brauchen wir einen Zugang zum vollständigen Bericht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andrej Hunko [DIE LINKE]: Also stimmen Sie zu!)
Wohin politische Geheimniskrämerei im Zeitalter von Wikileaks führen kann, hat uns der Fall Snowden ziemlich deutlich vor Augen geführt. In diesen Tagen wird immer wieder das christlich-jüdische Abendland und Menschenbild beschworen. Lassen Sie mich an dieser Stelle als Christ ein Stück aus der Bibel zitieren, in der genau davon die Rede ist, als Jesus sagt: „... die Wahrheit wird euch frei machen“. – Das galt damals, und das gilt heute, auch und gerade in einem Land und für ein Land, das die Freiheit für einen seiner größten Werte hält, die USA.
Wir fordern Offenlegung. Gerechtigkeit beginnt mit dem Aufdecken der Wahrheit. Wenn es der Bericht nötig macht, unterstützen wir den Generalbundesanwalt darin, Ermittlungen aufzunehmen: zum Schutz der Menschenrechte.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])
Nächster Redner ist der Kollege Dr. André Hahn, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linke wird sich natürlich keinem Antrag entgegenstellen, dessen erster Satz lautet: „Der Deutsche Bundestag verurteilt Folter.“
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich sage ganz klar: Auch ein vermeintlich noch so guter Zweck heiligt nicht alle Mittel, auch nicht in den Vereinigten Staaten von Amerika.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Geheimgefängnisse in aller Welt, Guantánamo, wo Menschen zum Teil seit über einem Jahrzehnt ohne jedes Gerichtsverfahren inhaftiert sind, und dann auch noch die Anwendung schlimmster Foltermethoden bei Gefangenen: Das sind konkrete Beispiele, die von meinen Vorrednern schon genannt wurden. Für all das gibt es nicht die geringste Rechtfertigung.
Mein Kollege Stefan Liebich hat das in der Dezemberdebatte als Verbrechen im Staatsauftrag bezeichnet. Ich stimme ihm darin ausdrücklich zu und hätte mir eine solche klare Aussage im Übrigen auch im Antragstext von Bündnis 90/Die Grünen gewünscht.
Überhaupt ist der Antrag eher freundlich formuliert. Aber ob das ausreicht, die Koalition zur Zustimmung zu bewegen, vermag ich nach den Ausführungen von Herrn Heinrich nicht ganz nachzuvollziehen. Sie haben nicht gesagt, was Sie wollen. Sie haben das Anliegen unterstützt. Dann sagen Sie doch klipp und klar: Auch die Koalition wird zustimmen. – Das wäre eine klare Aussage. Diese habe ich von Ihnen leider nicht gehört.
(Beifall bei der LINKEN)
Dabei sollte doch das Grundanliegen des Antrags, nämlich die Aufforderung an die US-Behörden, den Bericht des US-Senats über das Inhaftierungs- und Verhörprogramm an den Bundestag zu übermitteln, eigentlich von allen Fraktionen dieses Hauses mitgetragen werden können.
Für meine Fraktion, die Linke, will ich noch einmal betonen, wie froh wir sind, dass es diesen Bericht überhaupt gibt und die stattgefundenen Misshandlungen dadurch bekannt geworden sind und dass er zumindest in Teilen veröffentlicht wurde und nicht komplett in der Versenkung verschwunden ist, wie es Teile der US-Regierung und nicht wenige Senatoren gern gesehen hätten.
Dass es dazu nicht gekommen ist, haben wir vor allem dem jahrelangen Engagement der Senatorin Dianne Feinstein zu verdanken, die kurz vor Ablauf ihrer Amtszeit als Vorsitzende des Geheimdienstausschusses die Veröffentlichung dieses Berichtes trotz erheblicher Widerstände durchsetzte. Das sollten wir auch in der heutigen Debatte noch einmal ausdrücklich würdigen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Punkt III des Antrags der Grünen beinhaltet das Ersuchen, dem Bundestag den Bericht vollständig und ungeschwärzt zu übermitteln. Auch diese Forderung findet unsere Zustimmung. Denn bislang sind – das ist gesagt worden – lediglich knapp 500 Seiten übermittelt worden und öffentlich zugänglich, während der offizielle Bericht mehr als 6 000 Seiten umfassen soll. Man braucht daher kein Prophet zu sein, um davon auszugehen, dass die schlimmsten Verbrechen bislang nicht einmal ansatzweise bekannt geworden sind. Auch um Unterstützungshandlungen und Straftaten, die von deutschem Boden ausgegangen sind, umfassend aufklären und strafrechtlich verfolgen zu können, brauchen wir die ungeschwärzte Fassung.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn ich an die umfänglichen Schwärzungen denke, dann habe ich gleich wieder die Akten aus dem NSA- Untersuchungsausschuss vor Augen, in dem auch sehr wichtige und für die Aufklärung zentrale Passagen unleserlich gemacht worden sind. Es scheint bei Regierungen offenkundig Methode zu sein, Dinge verheimlichen oder verbergen zu wollen, die Missstände, kompromittierende Sachverhalte, Rechtsverstöße oder gar Straftaten aufdecken könnten. Doch damit darf sich ein Parlament nicht abspeisen lassen, sondern es muss immer wieder seiner Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive umfassend nachkommen. Das gilt im Übrigen sowohl für die Koalitionsfraktionen wie für die Opposition, auch wenn das offenbar noch nicht alle Kollegen von Union und SPD verinnerlicht haben.
Doch zurück zum vorliegenden Antrag. In der Begründung wird unter anderem auf den Fall des deutschen Staatsbürgers el-Masri hingewiesen, der im Bundestag schon häufiger diskutiert wurde. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass es in dem Gesamtbericht noch weitere Bezüge zu Deutschland geben wird. Für mich als Abgeordneten aus Sachsen ist beispielsweise interessant, welche Rolle der Flughafen Leipzig/Halle beim Transport rechtswidrig festgenommener oder verschleppter Menschen in die USA gespielt hat und ob dies mit Einwilligung deutscher Behörden geschah.
Das und vieles andere bedarf einer Klärung. Der Antrag kann dazu einen Beitrag leisten. Deshalb werden wir ihm zustimmen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Angelika Glöckner für die SPD.
(Beifall bei der SPD)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns vor wenigen Wochen hier im Deutschen Bundestag mit dem gleichen Thema befasst, mit dem Bericht des US-Senats zu den Folterpraktiken des amerikanischen Geheimdienstes CIA.
„Folter“ ist in der Tat – da gebe ich allen Vorrednern recht – der treffende Begriff; denn um nichts anderes handelt es sich hier bei den von der CIA als verschärfte Verhörmethoden bezeichneten Praktiken. Ich betone ebenfalls noch einmal: Diese Folterpraxis der CIA ist grauenhaft und vollkommen inakzeptabel. Dass es Folter gab, wissen wir seit der Veröffentlichung der Kurzfassung des Berichts des US-Senats im Dezember 2014. Der vollständige Bericht umfasst – das wurde bereits mehrfach gesagt – 6 000 Seiten. Der veröffentlichte Bericht umfasst rund 500 Seiten, die teilweise geschwärzt sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bereits die Lektüre der Kurzfassung versetzt mich in tiefe Bestürzung aufgrund der Deutlichkeit und des Ausmaßes der Menschenrechtsverstöße, aber vor allem wegen des berechnenden Vorgehens der amerikanischen Sicherheitsbehörden, indem sie versuchten, ihre Verbrechen zu rechtfertigen, ja sogar mit geltendem Recht in Einklang zu bringen. Besonders deutlich wurde dies beim sogenannten Waterboarding – es wurde bereits angesprochen –, einer Foltermethode, bei der ein Tuch über Mund und Nase gelegt wird und das Opfer durch ständige Wasserzufuhr an den Rand des Ertrinkens gebracht wird, einer Foltermethode, die in aller Regel keine körperlichen, aber unsagbare psychische Schäden verursacht.
Im Juli 2002 wurde diese Foltermethode durch den obersten Rechtsberater der US-Regierung zunächst als zulässige Foltermethode vermieden, aber nur wenige Tage später durch Vorspiegelung falscher Tatsachen durch die CIA letztendlich doch zugelassen. Allein schon dieses Beispiel dokumentiert, wie sehr sich der Sicherheitsapparat der USA nach dem Anschlag auf das World Trade Center im Jahr 2001 im Kampf gegen den Terrorismus sozusagen verselbstständigt hat. Bisher hatte ich dies in Demokratien und erst recht in den USA für unmöglich gehalten.
Die Täter, die in das Folterprogramm des amerikanischen Geheimdienstes eingebunden waren, müssen juristisch verfolgt werden. Das gilt natürlich auch für jene, die die politische Verantwortung für dieses Folterprogramm tragen. Die USA haben sowohl den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte als auch die UN-Antifolterkonvention unterzeichnet und ratifiziert und 1994 in nationales Recht umgesetzt. Damit ist der rechtliche Rahmen geschaffen für strafrechtliche Verfolgung von Folter in den USA. Eine Verfolgung der Straftaten ist sogar zwingend geboten.
Frau Kollegin Glöckner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele?
Bitte schön.
Bitte sehr.
Danke, Frau Kollegin, dass Sie die Frage zulassen. – Vielleicht zunächst eine kleine Korrektur. Wir wissen nicht erst seit dem Folterbericht von dieser Folter, sondern spätestens seit sich ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages in den Jahren nach 2004 intensiv mit den Foltermethoden und auch mit dem Fall el-Masri und dem Fall Kurnaz beschäftigt hat. Wir haben also schon genügend Zeit gehabt. Aber das ist nicht meine Frage.
Sie fordern völlig zu Recht, dass das juristische Konsequenzen haben muss, dass nur, wenn dies tatsächlich juristisch geahndet wird, wir Hoffnung haben können, dass das so schnell nicht wieder passiert. Der Bundesjustizminister hat das ja auch schon gefordert. Leider ist er heute nicht hier.
Ich frage Sie und frage den Bundesjustizminister: Was tun Sie dafür, dass, wenn die USA in den USA das nicht verfolgen, dann deutsche Behörden, insbesondere der Generalbundesanwalt, tätig werden, um diese Strafverfolgung einzuleiten? Da die USA inzwischen Straffreiheit beschlossen haben – Herr Obama hat Straffreiheit für seinen Vorgänger und alle, die damit zu tun hatten, erklärt –, bleibt nichts anderes übrig, als dass diese Taten außerhalb der USA vor Gericht gebracht werden. Der Generalbundesanwalt hat – so die Auskunft auf eine Frage von mir vom 23. Dezember, also kurz vor Weihnachten – geantwortet, er prüfe noch.
Ich frage Sie: Warum erteilt der Bundesjustizminister dem Generalbundesanwalt nicht die Anweisung, endlich Ermittlungen insbesondere gegen die von der US-Presse so genannte Folterlady bzw. Folterkönigin der USA einzuleiten, die im Bericht erwähnt wird und die beispielsweise im Fall el-Masri Verschleppung und Folter ausdrücklich angeordnet haben soll? Das ist mir ein großes Rätsel. Alle Reden, in denen gesagt wird, dass hier eine Strafverfolgung stattfinden muss und dass das nicht straffrei bleiben darf, sind wohlfeil, solange man selbst nicht alles tut, um die Strafverfolgung sicherzustellen. Meine Frage an Sie lautet: Was tun Sie, was tut Ihr Justizminister dafür, dass endlich die Strafverfolgung beginnt?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Da muss man den Justizminister fragen!)
Danke, Herr Ströbele. – Ich vertrete die Auffassung – das entspricht vielleicht nicht ganz Ihrer Auffassung –, dass es Sache des Generalbundesanwaltes ist, hier tätig zu werden. Ich gebe Ihnen insoweit recht, als dass dieses Parlament bestimmte Aufgaben hat – wenn Sie gestatten, werde ich in meinen weiteren Ausführungen darauf noch zu sprechen kommen –, die aber nicht so aussehen, wie Sie sich das vorstellen. Wir können nicht von hier aus ermitteln. Das ist Sache der Jurisdiktion und nicht Sache des Parlaments. Ich vertrete hier eine andere Auffassung als Sie.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie unserem Antrag zustimmen, damit der GBA weiß, was wir wollen! Das ist doch klar! – Uli Grötsch [SPD]: Das entscheiden wir auch selbst!)
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Präsident Obama hat auf einer Pressekonferenz im Juni 2014 die durch den Senatsbericht aufgedeckten Folterungen bestätigt. Dieser Bestätigung muss eine juristische Aufarbeitung folgen. Ich halte das deshalb für so wichtig, weil hiervon die Glaubwürdigkeit der USA, aber auch der gesamten Weltgemeinschaft abhängt. Wir wollen uns auch künftig international glaubhaft für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen. Deshalb dürfen erst recht Menschenrechtsverletzungen innerhalb unserer eigenen Wertegemeinschaft nicht ungestraft bleiben. Gerade wenn es um so elementare Menschenrechte wie Menschenwürde, Leben, körperliche Unversehrtheit geht, dürfen wir nicht mit zweierlei Maß messen.
Wir als Parlamentarier wie auch die Bundesregierung müssen den USA deutlich machen, dass wir Menschenrechtsverletzungen in keinem Fall hinnehmen. Sehr geehrte Frau Künast, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist unsere Aufgabe. Darauf müssen wir hier hinwirken. Insofern bin ich für den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ganz dankbar.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])
Er gibt uns Gelegenheit, dies heute noch einmal klar zum Ausdruck zu bringen.
(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Und zuzustimmen!)
Doch auch hierbei gilt es, Maß zu halten.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was heißt das denn? – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie kann man bei Folter Maß halten?)
Es hilft meiner Meinung nach in der Sache nicht weiter, wenn wir Forderungen aufstellen, die den Aufklärungsprozess insgesamt gesehen nicht unterstützen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Aufklärungsbericht des US-Senats hat in der amerikanischen Öffentlichkeit eine große Debatte ausgelöst. Nicht nur bei uns, sondern auch in ganz Amerika wurde der Ruf nach einer Strafverfolgung laut. Ramstein, der größte amerikanische Luftwaffenstützpunkt außerhalb der USA, liegt zufällig in meinem Wahlkreis, und ich kenne viele Menschen, die dort arbeiten und mir berichtet haben, wie betroffen die ganze Affäre die Amerikaner selbst macht. Als ich in der letzten Woche auf der Air Base beim Neujahrsempfang zu Besuch war, habe ich nichts anderes gehört.
Amerika ist ein Land, das über alle erforderlichen Instrumentarien und Institutionen verfügt,
(Zurufe des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
die sicherstellen, dass die berechtigten Rufe der Amerikaner nach Aufklärung realisiert werden können. Dieses Anliegen gilt es zu unterstützen, meine Damen und Herren.
(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Peinliche Rede!)
Inwiefern eine Überweisung des ungekürzten Berichts des US-Senats an den Deutschen Bundestag, wie es im Antrag gefordert wird, bei diesem Anliegen helfen soll, erschließt sich mir nicht.
Wir alle wollen die Aufklärung der Foltervorwürfe; das steht außer Frage.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Dann stimmen Sie doch zu!)
Wir als SPD-Fraktion haben dies wiederholt betont und gefordert. Aber ich betone es noch einmal: Nur eine juristische Aufklärung führt zu diesem Ziel. Sie muss im Vordergrund stehen und nicht die politische Debatte; diese muss es zugegebenermaßen auch geben, aber mit Blick in die Zukunft. Dabei müssen wir uns die Frage stellen, wie so etwas künftig vermieden werden kann.
(Beifall des Abg. Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])
Die vollständige Berichtsveröffentlichung würde international eine mediale und politische Debatte auslösen. Dies gilt im besonderen Maße für alle Personennamen, die in unterschiedlichsten Zusammenhängen diskutiert und möglicherweise verurteilt würden.
(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind doch geständig!)
Nach meiner Auffassung käme das einer außergerichtlichen Vorverurteilung gleich,
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Oh! Was ist das denn? – Weitere Zurufe von der LINKEN)
die gerade wir in der westlichen Wertegemeinschaft nicht unterstützen können.
Zudem stellt sich die Frage, wie realistisch die Forderung nach einer vollständigen Veröffentlichung des Senatsberichts wirklich ist. Der Weg bis zur heutigen Aufklärung der Vorwürfe war sehr steinig. Das zeigt sich daran, dass zwischen dem ersten Vorlegen des Gesamtberichts und der ersten Veröffentlichung der Kurzfassung immerhin zwei Jahre harter innenpolitischer Auseinandersetzungen lagen. Am Ende fanden die Konfliktparteien in Amerika den Kompromiss, dass eine Zusammenfassung veröffentlicht werden sollte, bei der mit Blick auf die nationale Sicherheit jene Namen und Stellen geschwärzt wurden, die auf die Identität der Täter hinweisen könnten. Diese Verhandlungsergebnisse sollten wir nicht einfach ignorieren, meine Damen und Herren.
Die amerikanische Regierung hat bereits mehrfach klargestellt, dass sie aus Gründen der nationalen Sicherheit der Herausgabe des vollständigen Berichts eben nicht zustimmen wird. Vor diesem Hintergrund wäre im günstigsten Fall mit einer Übergabe unter Geheimhaltungspflicht zu rechnen.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Liebich?
Ja.
Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Frau Kollegin. – Das Bild, das Sie hier von den Vereinigten Staaten zeichnen, scheint mir doch etwas vereinfacht zu sein. Es ist nämlich nicht so, dass dort massenweise der Ruf nach Strafverfolgung erschallt, und es ist auch nicht so, dass es einen politischen Kompromiss gegeben hat. Vielmehr haben die Demokraten im Kongress gegen den massiven Widerstand der Republikaner durchgesetzt, dass es diesen Bericht überhaupt gibt. Bis auf wenige Ausnahmen kämpfen die Republikaner bis heute dagegen, dass er überhaupt veröffentlicht wird. Da reden wir überhaupt nicht von Strafverfolgung.
Nun gab es inzwischen Wahlen. Inzwischen sind diejenigen in der Mehrheit und in den entsprechenden Positionen, die gar nicht wollten, dass dieser Bericht veröffentlicht wird. Ist es deshalb nicht umso wichtiger, dass wir als deutsches Parlament ein Signal senden, dass wir mit diesem Weg nicht einverstanden sind?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sagte es ja, Herr Kollege: Ich glaube, das tun wir heute. Ich habe insofern auch den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßt.
(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Indem Sie ihn ablehnen!)
Ich lehne den Antrag vom Inhalt her nicht ab, nur den Weg, der mit diesem Antrag verfolgt wird, halte ich nicht für den richtigen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich komme zur Übergabe des Berichts unter Geheimhaltungspflicht zurück. Hier stellt sich doch die Frage, ob dies für eine weitere Fallaufklärung hilfreich wäre bzw. zur juristischen Aufarbeitung der Vorwürfe beitragen kann. Beides scheint mir eher nicht der Fall zu sein.
Abschließend möchte ich, wie auch Vorredner von mir, noch einmal auf den Fall Khaled el-Masri eingehen. Dieser Fall findet besondere Beachtung, weil hier womöglich Verhöre mit deutscher Unterstützung im Raum stehen. Auch hier gilt: Es bedarf einer strafrechtlichen Aufarbeitung. Nach meinen Informationen prüft derzeit der Generalbundesanwalt Range – das wurde auch gesagt – die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und möchte selbst den ungeschwärzten Komplettbericht anfordern.
Dieses Vorgehen im Rahmen eines juristischen Verfahrens erscheint mir als der deutlich bessere Weg und auch als der richtige Weg, die Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des CIA-Programms aufzuklären. Ich finde, gerade hier sollte dem verfassungsgemäßen Grundsatz der Gewaltenteilung besondere Beachtung zukommen. Denn eines sollte bei der Aufklärung und Verfolgung der Foltervorwürfe des US-Sicherheitsdienstes keinesfalls geschehen: eine Politisierung und Instrumentalisierung von Menschrechtsverletzungen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Alle von mir aufgeführten Gesichtspunkte berücksichtigt der Antrag nicht. Ich empfehle daher, den Antrag abzulehnen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Andrej Hunko [DIE LINKE]: Peinliche Rede! – Gegenruf des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Frechheit!)
Danke, Frau Kollegin. – Einen schönen guten Tag von mir für Sie und die Gäste auf der Tribüne.
Die nächste Rednerin in der Debatte ist Andrea Lindholz für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits am 17. Dezember letzten Jahres hat sich der Bundestag in diesem Haus differenziert zu den Berichten über Folter durch die CIA geäußert. Dieser Debatte lässt sich heute kaum noch etwas hinzufügen.
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Konsequenzen!)
Auch mich hat der Bericht schockiert, und man erschrickt angesichts der perversen Perfektionierung von Folter. Ausgerechnet in einer der ältesten Demokratien der Welt wurde versucht, brutale Folter mit rechtsstaatlichen Mitteln zu legitimieren. In einem Rechtsstaat des 21. Jahrhunderts darf Folter niemals legitimiert werden.
Es waren die Bürgerrechte, die Rechte des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, die dem amerikanischen Gesellschaftsmodell seine einzigartige Ausstrahlung verliehen haben. Nicht ohne Grund hat die Verfassung der USA, so wie sie 1787 in Philadelphia niedergeschrieben wurde, heute noch Bestand, und sie diente auch den Demokratien in Europa als Orientierung. Die grauenvollen Einzelheiten des Berichtes machen erneut deutlich, wie tief der 11. September 2001 die amerikanische Gesellschaft verstört hat. Als Demokrat möchte man den USA heute zurufen: Besinnt euch auf eure Wurzeln, und vergesst auch angesichts des Terrors nicht euer großes demokratisches Erbe.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Veröffentlichung des Berichtes zeigt aber auch, dass die rechtsstaatlichen Prinzipien in den USA funktionieren. Keine Diktatur, kein autoritäres Regime würde eine so schonungslose und öffentliche Aufklärung betreiben, wie es der US-Senat getan hat.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Aber ohne Strafverfolgung!)
Als Demokrat hat man die Pflicht, Folter kompromisslos zu verurteilen und Aufklärung zu fordern. Gerade wir als Deutsche sollten aber nicht in eine moralische Überheblichkeit verfallen. Allein das Gedenken in dieser Woche hier im Bundestag an die Befreiung von Auschwitz vor 70 Jahren verbietet das.
Auch das moderne Deutschland ist nicht über jeden Zweifel erhaben.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das stimmt!)
Seit 1989 befragt zum Beispiel der Strafrechtsprofessor Streng seine Erst- und Zweitsemester in Erlangen und in Konstanz zu ihren rechtsstaatlichen Überzeugungen. Im Oktober letzten Jahres ergab die Befragung, dass jeder zweite seiner Jurastudenten Folter und jeder dritte die Todesstrafe in Deutschland befürwortet.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Schlimm!)
– Ja, das ist schlimm. – Die Stichprobe ist zwar nicht repräsentativ, aber sie ist ein deutliches Warnsignal. Auch in Deutschland müssen wir das absolute Folterverbot konsequent verteidigen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Auch ich möchte heute an die Diskussion um den Mörder des kleinen Jakob von Metzler erinnern. Natürlich ist es kaum zu ertragen, dass ein verurteilter Kindsmörder für die Androhung von Folter entschädigt und ein Polizist, der ein Kind retten will, bestraft wird. Trotzdem ist es für einen Rechtsstaat unerlässlich, dass bestimmte Werte absolute Geltung besitzen. Zu diesen Werten mit absoluter Geltung muss das Folterverbot gehören. Denn die Würde des Menschen darf niemals relativiert werden; sie ist unantastbar.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es reicht auch nicht aus, Folter nur zu verurteilen. Ein Rechtsstaat muss Verbrechen aufklären, und er muss auch die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Insofern ist das Grundanliegen des Antrages richtig. In der Vergangenheit wurde in Deutschland und in Europa bereits an der Aufklärung gearbeitet. Der Fall el-Masri und der Fall Kurnaz wurden im sogenannten BND-Untersuchungsausschuss behandelt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits in einigen Fällen Schadensersatzansprüche durchgesetzt. Angesichts des nun vorliegenden Berichtes vom 9. Dezember 2014 zu den Verhör- und Foltermethoden aus den Jahren 2001 bis 2009 durch die CIA müssen auch wir uns fragen: Wie können wir zur weiteren Aufklärung beitragen?
Einen nationalen Alleingang – ich komme zur Begründung der Ablehnung des Antrages – halte ich für aussichtslos. Anstatt Schaufensteranträge zu stellen, brauchen wir eine europäische Initiative.
(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Dann machen Sie mal!)
Europa sollte gemeinsam auf die Freigabe des vollständigen Berichtes drängen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie doch machen! Das schließt sich doch nicht aus! Wenn Sie zustimmen, verschicken wir es gleich europaweit!)
Das Europaparlament wird voraussichtlich im Februar genau zu dieser Frage eine Entscheidung treffen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diese Entscheidung sollten wir zunächst abwarten.
(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihren Antrag im Europaparlament möchte ich mal sehen!)
Ebenfalls sollte sich der Rat der EU-Außenminister damit befassen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können wir nächste Woche einen neuen Antrag stellen, dass die Bundesregierung eine EU-Initiative macht! Dann können Sie ja zustimmen!)
In Ihrem Antrag fehlt jeder Hinweis auf die Europäische Union; denn nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa muss aufklären, ob und inwiefern Mitgliedstaaten beteiligt waren. Wir sollten daher unseren Einfluss in Europa geltend machen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Uli Grötsch [SPD] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können wir doch nach Grundgesetz hier beauftragen!)
Die Strafverfolgung in den USA obliegt zunächst der amerikanischen Justiz.
(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die machen das nicht!)
In Deutschland hat der Generalbundesanwalt bereits angekündigt, dass er versuchen wird, über die diplomatischen Kanäle Einblick in den vollständigen Bericht zu erhalten. Wir sollten ihm und unserer Judikative daher nicht mit einem vorschnellen Antrag vorgreifen.
(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn daran vorschnell?)
Ich bin mir auch sicher, dass die Bundesregierung auf diplomatischem Weg alles versuchen wird, damit der vollständige Bericht in ganz Europa und nicht nur in Deutschland vorgelegt wird. Daher lehnen wir einen deutschen Alleingang ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ja jetzt feige! – Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Alles nur peinlich!)
Vielen Dank, Frau Kollegin Lindholz. – Nächster und letzter Redner in dieser Debatte: Dr. Egon Jüttner für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Dezember liegt der Untersuchungsbericht des Geheimdienstausschusses des Senats der Vereinigten Staaten von Amerika über die Behandlung von Terrorverdächtigen vor. Es bedarf dringend einer Aufarbeitung dieses Skandals.
(Beifall des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Schuldigen müssen strafrechtlich verfolgt und vor Gericht gestellt werden,
(Beifall des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
nicht nur die kleinen Handlanger, auch die Verantwortlichen in höchsten politischen Positionen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die sind geständig!)
Liest man den öffentlich zugänglichen Teil des Berichts, dann sollte man nicht meinen, dass es sich dabei um den Geheimdienst der Vereinigten Staaten handelt. Man mag es kaum glauben, dass solche Exzesse des Geheimdienstes von einem Land angewandt wurden, das auf eine lange demokratische Tradition zurückblicken kann und das den entscheidenden Beitrag geleistet hat, Europa von Tyrannei mit all ihren unmenschlichen Auswüchsen im 20. Jahrhundert zu befreien.
Als demokratisches Land, dem die Einhaltung der universellen Menschenrechte wichtig ist, und als Verbündeter der USA muss Deutschland betroffen und schockiert sein über die Verhörmethoden des amerikanischen Geheimdienstes. Diese sind einer freien Gesellschaft und eines Landes, das die Werte der Freiheit proklamiert, unwürdig. Sie stellen den Anspruch der USA, Vorbild und moralische Instanz zu sein, infrage.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Waterboarding, Kälteschocks, Morddrohungen und Scheinexekutionen, um nur einige der brutalen Foltermethoden zu nennen, sind Maßnahmen, die wir eigentlich nur aus Diktaturen kennen und die wir dort zu Recht anprangern. Sie als „erweiterte Verhörmethoden“ zu bezeichnen, wie es der amerikanische Geheimdienst tut, ist mehr als zynisch. Sie sind keine Mittel, deren sich eine der ältesten Demokratien der Welt bedienen sollte, um von Verdächtigen Geständnisse zu erpressen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Rechtsstaatlichkeit ist immanent, dass auch denjenigen mit rechtsstaatlichen Mitteln begegnet wird, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Rechtsstaat zu bekämpfen.
Als CDU/CSU-Fraktion begrüßen wir es, dass die in dem Bericht bekannt gewordenen Methoden inzwischen nicht mehr angewandt werden. Wir begrüßen ebenfalls die Erstellung des Berichts, zeigt dies doch, dass das altbewährte System von „checks and balances“, also der gegenseitigen Kontrolle von Verfassungsorganen, in den Vereinigten Staaten weiterhin funktioniert. Hier wird ein fundamentaler Unterschied zu Staaten wie etwa Russland, China oder dem Iran deutlich.
(Zuruf des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4516429 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 83 |
Tagesordnungspunkt | Aufklärung der Foltervorwürfe gegen die CIA |