05.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 4

Ole SchröderCDU/CSU - Modernes Einwanderungsrecht

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen wurde von verschiedenen Seiten die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz erhoben. Was die Zielrichtung eines solchen Gesetzes sein soll, blieb dabei weithin unklar. Wenn man sich anschaut, wer alles diese Forderung erhoben hat, wird eines ganz deutlich: Mit der Forderung nach einem Einwanderungsgesetz werden ganz unterschiedliche Ziele verbunden. Die einen verbinden mit einem solchen neuen Gesetz eher eine Beschränkung der jetzigen Zuwanderungsregelungen. Andere stellen sich dabei eher eine massive Ausweitung der Regelungen vor.

Die Frage, die es also zu beantworten gilt, lautet: Was brauchen wir, und was haben wir schon? In dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen heißt es hierzu:

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das haben wir schon!)

Ich denke, jeder hier im Saal wird dem zustimmen können. Wir brauchen eine nach den wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen gesteuerte Zuwanderung. Gleichzeitig ist es natürlich notwendig, die Aufnahme- und Integrationsbereitschaft des Landes zu berücksichtigen.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann sie auch gestalten! Das ist ja kein Schicksal!)

Mit Blick auf den demografischen Wandel bedeutet das, dass wir uns vor allem um Fachkräfte aus anderen Staaten außerhalb der EU bemühen müssen. Gleichzeitig muss Deutschland natürlich seiner humanitären Verantwortung gerecht werden. Wer nun einen Blick in § 1 Absatz 1 des geltenden Aufenthaltsgesetzes wirft, wird feststellen, dass genau das bereits Gegenstand des geltenden Aufenthaltsgesetzes ist. Deutschland hat bereits ein Gesetz, das genau regelt, wer unter welchen Voraussetzungen nach Deutschland kommen kann und einen Aufenthaltstitel erhält. Das schließt die Arbeitsmigration ebenso ein wie Ausbildung und Studium, den Familiennachzug sowie den Aufenthalt aus humanitären Gründen.

Mit unserer jetzigen Regelung ist es auch möglich, flexibel auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zu reagieren, aber auch die langfristigen Entwicklungen im Blick zu behalten. Wir haben erst vor kurzem die Blaue Karte EU für Hochqualifizierte eingeführt. Die Blaue Karte EU wird sehr schnell in einem unbürokratischen Verfahren vergeben. Das ist der Grund, weshalb sich diese Blaue Karte hier in Deutschland zu einem Erfolgsmodell entwickelt hat.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele waren es?)

Mit dem Visum zur Arbeitsplatzsuche ermöglichen wir Fachkräften, nach Deutschland zu kommen, um hier zum Beispiel Bewerbungsgespräche zu führen und in Kontakt mit ihren zukünftigen Arbeitgebern zu treten.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es waren nicht einmal 1 000!)

Nicht nur für Hochqualifizierte, sondern auch im Bereich der klassischen Ausbildungsberufe haben wir umfassende Neuregelungen getroffen. In sogenannten Mangelberufen kann eine Zuwanderung ebenso unbürokratisch erfolgen wie bei Hochqualifizierten. Die Berufe, in denen ein Mangel besteht, werden transparent in einer Positivliste veröffentlicht. Derzeit sind das 70 Berufe, insbesondere Gesundheits- und Pflegeberufe sowie Mechatroniker- und Elektroberufe. Diese Positivliste wird halbjährlich überprüft. Die Ergebnisse und die entsprechenden Anpassungen werden für jeden sichtbar im Internet veröffentlicht.

Der Zuwanderung von Fachkräften stehen daher in Deutschland keine aufenthaltsrechtlichen Hürden mehr entgegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das hat auch die OECD in ihrem jüngsten Bericht über die Steuerung der arbeitsmarktorientierten Zuwanderung in Deutschland bestätigt. Sie hat unser System sehr gelobt als eines der innovativsten Systeme, die die modernen Herausforderungen wirklich anpacken.

Wir haben uns aber ganz bewusst – darauf kommt es an – für ein nachfrageorientiertes System entschieden. Das heißt, Voraussetzung dafür, dass jemand nach Deutschland kommen kann, ist, dass ein konkreter Arbeitsplatz in einem Betrieb nachgewiesen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das alternative System der Arbeitsmigration, das derzeit in Deutschland diskutiert wird und das auch Sie in Ihrem Antrag fordern, ist das Punktesystem, das gerade keinen nachfrage-, sondern einen angebotsorientierten Ansatz verfolgt. Der Kerngedanke des Punktesystems ist es, Menschen mit bestimmten Merkmalen und Qualifikationen unabhängig von einem konkreten Arbeitsplatzangebot nach Deutschland zu holen. Dadurch entsteht ein großer Pool an Arbeitskräften, und aus diesem Pool kann sich die Wirtschaft dann bedienen. Für die Wirtschaft ist das natürlich höchst komfortabel.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Aber was passiert denn mit denjenigen, für die die Wirtschaft kein Jobangebot hat? Was passiert mit denjenigen, die keinen Job bekommen? Anders als in den klassischen Einwanderungsländern – darum geht es ja – überlassen wir mit unserem Sozialsystem diejenigen, die keinen Job bekommen und die arbeitslos sind, nicht sich selbst, sondern wir haben den Anspruch, dass wir uns auch um diese Menschen kümmern, damit auch sie ein würdevolles Leben führen können. Genau da liegt der Unterschied. Das gilt es zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie uns den Unterschied mal erläutern?)

Zu berücksichtigen gilt natürlich auch, dass eine hohe Anzahl von Menschen ungesteuert über das Asylsystem zuwandert. 200 000 Menschen waren es im letzten Jahr. Hinzu kommt der Zufluss über den EU-Arbeitsmarkt, wo wir null Beschränkung haben, sodass jeder aus der EU nach Deutschland zur Arbeitsaufnahme kommen kann. Zu berücksichtigen ist natürlich auch unsere geografische Lage. Die USA haben zwei Grenzen, Kanada hat nur eine Grenze. Wir machen nicht mit, wenn es darum geht, möglichst viele billige Arbeitskräfte ins Land zu holen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Rüdiger Veit [SPD]: Das wollen wir auch nicht!)

Lohndumping ist die Konsequenz, wenn Arbeitskräfte ins Land geholt werden, ohne dass es einen konkreten Job für diese Arbeitskräfte gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In welcher Welt leben Sie?)

Zuwanderung auf Kosten unserer Sozialsysteme lehnen wir ab.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie mit dem Quatsch auf! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eine Rede aus dem letzten Jahrtausend!)

Zuwanderung muss – das ist wichtig – auch immer mit Integration einhergehen. Dabei spielt die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft eine Rolle, aber natürlich auch die Integrationsmöglichkeiten eines jeden Einzelnen. Integration findet eben am Arbeitsplatz statt, Integration findet nicht in der Arbeitslosigkeit statt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unbürokratischer ist ein Punktesystem gerade nicht. Das zeigen die Erfahrungen aus Kanada. Da dauert es Monate, zum Teil sogar Jahre, bis irgendwann jemand die Möglichkeit hat, ins Land zu kommen.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir machen es doch nicht wie in Kanada!)

Vor allen Dingen bringt ein Punktesystem Angebot und Nachfrage nicht zusammen. Es ist bürokratisch, es ist planwirtschaftlich und entspricht noch nicht einmal den Anforderungen der Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Ich halte daher ein solches Punktesystem nicht für den richtigen Weg.

Das bedeutet aber nicht – deshalb ist eine solche Debatte vielleicht auch ganz gut –, dass wir keinen Verbesserungsbedarf in Deutschland haben. Potenzial für Verbesserungen sehe ich beispielsweise bei der Kommunikation über bestehende Möglichkeiten. Das zeigt auch das Niveau, auf dem diese Debatte zum Teil geführt wird.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier sind aber keine neuen Gesetze gefordert, sondern hier sind wir alle gefordert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hier sind vor allen Dingen die Außenhandelskammern gefordert, und hier sind die Botschaften gefordert, um deutlich zu machen, welche Möglichkeiten es gibt. Wir müssen gerade die mittelständischen Unternehmen unterstützen, wenn es darum geht, Fachkräfte in Drittstaaten anzuwerben. Wir sollten daher gemeinsam mit der Wirtschaft über die Bereitstellung zum Beispiel einer IT-Plattform nachdenken, wo sich ausländische Bewerber für Jobs bewerben können. Auf diese Bewerbungen können dann beispielsweise Wirtschaftsunternehmen zugreifen. Da könnte Kanada in der Tat Vorbild sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse durch Nachqualifizierung in Deutschland sehe ich Verbesserungsbedarf. Dazu brauchen wir allerdings kein neues Einwanderungsgesetz. Im Gegenteil: Ein neues Einwanderungsgesetz mit einem überflüssigen Punktesystem und einem aufwendigen Gesetzgebungsverfahren wäre das absolute Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen, auch wenn viele hier immer gerne neue Gesetze machen. Insbesondere Juristen machen gerne neue Gesetze. Aber damit ändern wir nicht die Welt. Die Welt ändern und unser Land verbessern wir nur dann, wenn wir bestehende Gesetze implementieren und anwenden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Notwendig sind also gemeinsame Anstrengungen von Wirtschaft und Politik, um die bestehenden Möglichkeiten zu nutzen. Wir haben dabei keine Zeit zu verlieren; denn jeder erfolgreiche Zuwanderer, der sich hier in Deutschland erfolgreich integriert, ist am Ende nicht nur ein Gewinn für die Unternehmen, sondern auch für unser gesamtes Land.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Schröder würde ich nicht zuwandern lassen!)

Vielen Dank, Kollege Dr. Schröder. – Nächste Rednerin in der Debatte: Petra Pau für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4547840
Wahlperiode 18
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt Modernes Einwanderungsrecht
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