Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine erste Debatte im Bundestag über ein Einwanderungsgesetz liegt knapp 15 Jahre zurück. Damals regierte Rot-Grün. Uns lagen Empfehlungen der Süssmuth-Kommission vor, benannt nach der einstigen Präsidentin des Bundestages. Der zugrundeliegende Auftrag stammte vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily, SPD. Dieser Auftrag war sehr restriktiv gefasst. Gleichwohl mahnte die Kommission, Zu- und Einwanderung jeder Art sei nicht auf die Innenpolitik reduzierbar. Sie sei zudem Prinzipien wie der Menschenwürde, der Demokratie sowie Werten wie Gerechtigkeit und Solidarität verpflichtet.
(Beifall bei der LINKEN)
Außerdem gelte es, „für Toleranz, Akzeptanz und wechselseitigen Respekt“ innerhalb der Bevölkerung zu werben; so hieß es im Bericht der Kommission.
Die Widersprüche waren übersichtlich: Ich warb in der damaligen Debatte für eine Willkommenskultur, die Union für eine deutsche Leitkultur, was immer das auch sei. Wir wollten eine menschenrechtliche Einwanderung, andere dagegen eine profitable Zuwanderung, und das Ganze auf Zeit. Alle diese Konflikte sind nicht aus der Welt – nicht im geltenden Gesetz und nicht in der Praxis. Auch deshalb begrüßt die Linke eine neue Initiative.
Zum Rückblick gehört auch: Der Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen blieb damals hinter den Vorschlägen der Süssmuth-Kommission zurück. CDU und CSU sorgten für weitere Restriktionen. Initiativen und Verbände sprachen damals von einem Einwanderungsverhinderungsgesetz. Hinzu kam die „Wowereit- Panne“ im Bundesrat: Die Brandenburger SPD stimmte mit Ja, die Brandenburger CDU stimmte mit Nein. Bundesratspräsident Wowereit wertete das dennoch als Brandenburger Ja. Das und damit das ganze Gesetz wurden dann vor Gericht kassiert. Es kam zu erneuten Verhandlungen zwischen Bundestag und Bundesrat. Heraus kam 2004/2005 ein noch schlechterer Kompromiss. Seither sind zehn Jahre vergangen. Es wird also höchste Zeit für ein modernes Einwanderungsrecht mit einer guten Willkommenskultur.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bündnis 90/Die Grünen haben dafür einen Antrag vorgelegt. Etlichen Gedanken und Vorhaben kann die Linke folgen. Über Details und Differenzen wird in den Ausschüssen zu sprechen sein. Deshalb möchte ich heute hier etwas grundsätzlicher bleiben:
Erstens. Einwanderung ist derzeit auch ein gesellschaftliches Thema. Ich kann nur hoffen und appellieren: Möge niemand dieses Thema parteipolitisch missdeuten, um bei Pegida oder AfD-Wählern auf Stimmenfang zu gehen. Das käme uns alle ganz schlecht zu stehen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zweitens. Wir reden über Menschen mit Rechten und nicht über Roboter.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Menschen teilt man nicht in nützlich, unnütz oder gar schädlich ein.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wer das dennoch versucht, und sei es über Punktesysteme, entfernt sich gedanklich von Artikel 1 Grundgesetz.
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens. Bei alledem geht es auch immer um Integration. Die wiederum bleibt ein zweiseitiger Prozess. Sie fordert Einwandernde ebenso wie die aufnehmende Gesellschaft. Maßstab für dieses Miteinander ist das Grundgesetz und kein deutschnationaler Dünkel.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Viertens. Ein transparentes Einwanderungsrecht und ein humanes Asylrecht sind zweierlei. Sie dürfen weder verwechselt noch vermengt werden. Für die Linke heißt das auch: Ein neues Einwanderungsgesetz ersetzt keine bessere Flüchtlingspolitik. Diese bleibt überfällig.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Fünftens. Wenn wir über Einwanderung reden, dann reden wir nicht nur darüber, mit welchem Recht Menschen einwandern dürfen, sondern auch darüber, welches Recht Eingewanderten gebührt. Die Spanne dazu reicht vom Wahlrecht bis zur doppelten Staatsbürgerschaft.
Sechstens. Wir erleben derzeit, wie sich rassistisches Gedankengut enthemmt entlädt. Dem müssen wir gemeinsam wehren. Ob dies gelingt, hängt auch von unserer Debattenkultur zum Einwanderungsgesetz ab. Wir sollten die Gelegenheit ergreifen, Ressentiments abzubauen; und wir sollten sie auf gar keinen Fall bedienen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Petra Pau. – Nächster Redner in der Debatte: Rüdiger Veit für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4547850 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 85 |
Tagesordnungspunkt | Modernes Einwanderungsrecht |