05.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 4

Helmut BrandtCDU/CSU - Modernes Einwanderungsrecht

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Herr Beck, ich gebe ungern Ratschläge, aber ich muss Ihnen einmal sagen: Man könnte Ihnen zumindest angenehmer zuhören, wenn Sie nicht so laut schreien würden. – Zu Beginn meiner Rede –

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe laut geredet!)

Sie schreien ja schon wieder, Herr Beck – möchte ich mich aber an Ihre Kollegin, Frau Göring-Eckardt, wenden. Wir können und sollten über dieses wichtige Thema der Einwanderung sachlich und ruhig debattieren. Das war auch überwiegend der Fall. Aber wenn Sie sagen: „Deutschland ist ein Einwanderungsland ohne Wenn und Aber“, dann ist das eine gefährliche Aussage, die möglicherweise Wasser auf die Mühlen derer ist, die wir gerade in Zeiten von Pegida nicht bedienen wollen.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerade nicht! Ehrlich machen!)

Wir haben im Grunde genommen ein modernes Einwanderungsrecht. Wir haben allerdings zugegebenermaßen ein kompliziertes Rechtssystem, das für Unkundige oft nur schwer durchschaubar ist. Aber wir haben in den letzten Jahren immer wieder auf veränderte Bedürfnisse – diese sind ja hier vielfach angesprochen worden – und auch auf EU-rechtliche Vorgaben reagiert. Es liegt an der Komplexität unseres Systems, dass zwischen der Zuwanderung aus Ländern der Europäischen Union, der Einwanderung aus Drittstaaten, dem Familiennachzug und dem Asylrecht unterschieden werden muss. Jede dieser Zuwanderungsarten ist nach unserer Gesetzessystematik eigenständig zu betrachten. Das ist im Grunde genommen auch gut so.

Für die Zuwanderung aus den Ländern der Europäischen Union gilt das Freizügigkeitsgesetz. Hier haben wir allenfalls das Problem der sogenannten Armutsmigration, das wir schon vor Monaten diskutiert haben. Inzwischen hat der Europäische Gerichtshof Ende 2014 ja entschieden, dass dies kein Grund ist, ein Land aufzusuchen und dort sesshaft werden zu wollen. Vielmehr kann ein Land von der Möglichkeit Gebrauch machen, jemanden, der ohne Arbeit ist und der nur in das Sozialsystem einwandert, des Landes zu verweisen. Freizügigkeit innerhalb der EU bedeutet eben nicht, dass man sich das Sozialsystem aussuchen kann, das einem lieb ist.

Wir haben, was die Bedingungen für die Zuwanderer aus Drittstaaten angeht, in den letzten Jahren sehr viele Maßnahmen auf den Weg gebracht. Ich möchte sie – auch zur Versachlichung der Debatte – hier einmal aufzeigen:

Die Einführung der Bluecard – dabei geht es um die Zuwanderung Hochqualifizierter aus Drittstaaten in die EU – ist eine solche Maßnahme. Es ist eben schon gesagt worden: 90 Prozent aller Bewilligungen betreffen Menschen, die aus den 27 Staaten der EU nach Deutschland gekommen sind. Das zeigt doch, wie attraktiv unser Standort ist. Es zeigt aber auch, dass diese Regelung den modernen Anforderungen genügt.

Die Forderung – sie wird hier innerhalb der Parteien, also auch in der SPD, immer wieder unterschwellig und durchaus kontrovers diskutiert –, die Einkommensschraube nach unten zu drehen, ist nach meiner Auffassung völlig falsch. Das würde – auch dies ist hier schon kritisiert worden – zu Dumpinglöhnen und damit Zuwanderung führen, unter der der deutsche Arbeitsmarkt leiden würde. Das kann nicht in unserem Sinne sein.

Wir haben die Möglichkeit geschaffen, zum Zwecke der Ausbildung nach Deutschland zu kommen. Dies gilt für 70 Ausbildungsberufe. Zudem haben wir die Regelung eingeführt, nach der man ein Visum beantragen kann, um hier einen Arbeitsplatz zu suchen. Schließlich haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass ausländische Studierende nach Abschluss ihres Examens 18 Monate – das sind immerhin eineinhalb Jahre – in Deutschland bleiben dürfen, um sich einen Arbeitsplatz zu suchen. Ich meine, das ist eine hinreichend lange Zeitspanne.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden – auch ich möchte es noch einmal tun –, dass Deutschland bei der OECD-Studie sehr positiv abgeschnitten hat. Wir sind das Land, das am meisten für die Freizügigkeit gelobt wird. Insofern haben wir, glaube ich, keinen akuten Nachholbedarf.

Ich will hier aber auch auf das Recht auf Asyl eingehen; denn das kommt vielleicht etwas zu kurz, und es wird oft mit anderem vermengt. Nach unserem Grundgesetz gibt es – das ist auch unser Selbstverständnis – für jeden, der politisch verfolgt wird, einen Anspruch darauf, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen und auch hierbleiben zu können. Das soll und darf man nicht mit der übrigen Zuwanderung vermengen.

(Petra Pau [DIE LINKE]: Stimmt!)

Gut war es insoweit – weil auch Missbrauch mit dem Asylrecht getrieben wird –, dass wir gemeinsam mit der SPD und der Mehrheit des Bundesrates Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Drittstaaten eingestuft haben, sodass Menschen, die aus nicht asylrelevanten Gründen aus diesen Staaten kommen, schneller wieder nach Hause zurückgeschickt werden können. Sie können hier keine Anerkennung finden. Wir wollen denen Schutz bieten, die diesen Schutz auch tatsächlich benötigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es fehlt nach meiner Auffassung nicht an den rechtlichen Grundlagen, sondern oft an der mangelnden Umsetzung der bestehenden Regelungen. Das gilt insbesondere in Bezug auf die Frage der Rückführung von nicht anerkannten Asylbewerbern. Die Nichtrückführung dieser Menschen wird von der Bevölkerung oft nicht mehr akzeptiert.

Unser Aufenthaltsrecht regelt seit 2005 mit diversen Vorschriften im Detail, unter welchen Voraussetzungen jemand legal nach Deutschland kommen und hier bleiben kann. Ich gebe den Kritikern recht – das ist eben auch bei Stephan Mayer angeklungen –, dass wir, was die eine oder andere Formulierung angeht, sicherlich noch etwas optimieren oder vielleicht auch konzentrieren können.

Ich habe aber folgende Befürchtung: Wenn es heißt, dass wir ein modernes Gesetz schaffen müssen, kommt am Ende meist eine Vorschrift heraus, die noch schwerer als das zu verstehen ist, was man bisher hatte. Das sollten wir auf jeden Fall vermeiden.

Nun komme ich zu Kanada und dem dortigen Punktesystem. Auch das ist hier schon gesagt worden: Kanada hat mit dem früheren Punktesystem eine Fehlentwicklung auf dem Arbeitsmarkt produziert, die weder im Sinne Kanadas noch eines anderen Landes sein kann. Wer sich die heutigen kanadischen Regelungen anschaut, wird feststellen, dass es – dies muss man den Linken auch einmal ganz klar sagen – natürlich auch darauf ankommt, Zuwanderung arbeitsmarktspezifisch zu steuern. Es kann doch nicht richtig sein, dass man, nur weil man die Voraussetzungen des Punktesystems erfüllt, als Arzt nach Kanada oder auch nach Deutschland kommt und keine Anstellung findet, sondern als Taxifahrer endet.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Also wollen Sie Planwirtschaft?)

Das war aber die Situation in Kanada bei dem Punktesystem, und das kann weder uns noch den Zuwanderern zugemutet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es wurde zu Recht die Tatsache erwähnt, dass wir in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung Bevölkerung verlieren. Immer weniger Menschen werden in Deutschland leben. Wenn wir nicht genügend Arbeitskräfte haben, dann werden darunter auch unsere Sozialsysteme leiden; das ist gar keine Frage. Insofern brauchen wir Zuwanderung.

In den letzten Jahren hatten wir gute Zuwanderungszahlen. Allein in 2013 – die Zahlen liegen Ihnen allen vor – hatten wir über 1 Million Zuwanderer. Natürlich gab es auch einige Auswanderer, aber es sind immerhin fast 500 000 Menschen mehr in Deutschland geblieben, als abgewandert sind.

(Rüdiger Veit [SPD]: 430 000!)

500 000: Das ist eine beachtliche Zahl, und das sind Menschen, die nicht mit den darüber hinaus noch aufgenommenen 200 000 Asylbewerbern zu verwechseln sind.

(Rüdiger Veit [SPD]: Die sind da mit drin!)

Deshalb muss ich darauf hinweisen: Wenn wir unser wohlausgewogenes und anspruchsvolles System aufrechterhalten wollen, dann müssen wir das immer wieder beachten.

Ich sehe, die Präsidentin zeigt mir an, dass ich zum Ende kommen muss.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich sehne das Signal herbei, lieber Kollege!)

Das wäre sehr nett.

Ich will es deshalb etwas abkürzen: Unsere Zuwanderungspolitik, unser Ausländerrecht, ist kein weißes Blatt Papier mehr. Wir haben in den letzten Jahren schon an sehr vielen Stellschrauben gedreht, und wir werden dies auch in den nächsten Jahren tun müssen – aber mit Bedacht und mit Vorsicht und nicht mit bloßen Parolen, die modern klingen, am Ende aber nichts nutzen.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brandt. – Nächster Redner in der Debatte ist Josip Juratovic für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4547997
Wahlperiode 18
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt Modernes Einwanderungsrecht
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta