05.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 4

Andrea LindholzCDU/CSU - Modernes Einwanderungsrecht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Forderung nach einem neuen Einwanderungsgesetz scheint gerade modern zu sein. Die aktuelle Debatte über ein neues Gesetz löst aber nicht die gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir im Bereich der Integration stehen und über die heute schon viel gesagt wurde. Die Forderung soll suggerieren, wir hätten kein funktionierendes Einwanderungsrecht im Sinne funktionierender gesetzlicher Regelungen. Deutschland hat aber ein funktionierendes Einwanderungsrecht. Das Statistische Bundesamt schätzt, dass die Bevölkerung im vierten Jahr in Folge gewachsen ist, trotz des hohen Geburtendefizits. Die Zuwanderung überkompensiert derzeit den demografischen Wandel.

(Rüdiger Veit [SPD]: Nein!)

Deutschland ist heute weltweit das beliebteste Zielland für Migranten nach den USA. Im vergangenen Jahr sind rund 470 000 Menschen mehr eingewandert als ausgewandert. Im letzten Dezember stellte die OECD fest, dass auch die dauerhafte Zuwanderung, also die Zuwanderung über mehr als ein Jahr, in keinem Land so stark zunahm wie in Deutschland. Ja, wir sind ein Einwanderungsland. Die hohe Zuwanderung stellt Deutschland auch vor einige Herausforderungen. Armutsmigration aus der EU, überfüllte Flüchtlingsheime und teilweise misslungene Integration sind nur einige Beispiele. Diese Herausforderungen müssen wir aber separat voneinander betrachten und auch lösen. Man darf nicht alle Formen der Migration in einen Gesetzestopf werfen und dann glauben, dass man damit Bürokratie beseitigt, wie es der Antrag beschreibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Rund 60 Prozent aller Migranten, die heute nach Deutschland kommen, sind EU-Bürger und genießen europaweite Freizügigkeit. Die im Antrag angedeutete Steuerung der Arbeitsmigration geht also an der großen Masse der Migranten hierzulande völlig vorbei. Das Europarecht ist im Übrigen die Hauptursache für die Komplexität unseres Ausländerrechts. Als EU-Mitglied muss Deutschland vorrangig europarechtliche Vorgaben umsetzen. Der Handlungsspielraum des Bundestages im Bereich der Migration wird dadurch stark begrenzt. Unser Ausländerrecht mag kompliziert sein. Das liegt aber vor allem daran, dass die Realität in der globalisierten Welt kompliziert ist. Die Unterscheidung zwischen Arbeitsmigration, Flüchtlingsschutz, Familienzusammenführung und Bildungszuwanderung hat gute Gründe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich muss der Flüchtlingsschutz einer anderen Logik folgen als die Arbeitsmigration. Soll etwa der Bildungsgrad darüber entscheiden, wer ein Recht auf Asyl hat und wer nicht? Natürlich müssen die Anwerbung von Fachkräften und die Ausweisung abgelehnter Asylbewerber rechtlich sauber getrennt und separat gelöst werden. Eine Studentin aus den USA muss doch einen anderen Aufenthaltsstatus haben als ein Asylbewerber, der seine Herkunft verschleiert. Dazu, diese unterschiedlichen Migrationskanäle in ein Gesetz zu packen, wie es der Antrag fordert, kann ich Ihnen als Juristin nur sagen, dass dabei nichts anders als ein bürokratisches Mammutwerk herauskommt, das noch unübersichtlicher ist und keinesfalls entbürokratisiert ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lieber Rüdiger Veit, ich gebe dir an einer Stelle recht: Ja, jedes Gesetz kann man verbessern. Es ist immer wichtig, besser zu werden. Aber als Jurist zu glauben, mit einem neuen Gesetz ein besseres Einwanderungsrecht zu schaffen bzw. für eine bessere Integration zu sorgen, ist eine komplette Illusion und eine Verkennung der tatsächlichen Lage. Vorhin wurde gefordert, die Bestimmungen des Einwanderungsrechts müssten auf ein DIN-A4-Blatt passen. Dies ist nichts anderes als die damalige Forderung, die Steuererklärung müsse auf einem Bierdeckel zu machen sein. Beides ist realitätsfern.

(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind realitätsfern!)

Der Antrag problematisiert auch teilweise Themen, die bereits geregelt sind.

(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– An Ihrem Protest merke ich schon, dass ich richtig liege. – Ausländische Studenten können nämlich schon heute nach dem Studienabschluss in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 18 Monate nach Arbeit suchen. Für alle anderen gilt eine Frist von 12 Monaten.

Auch für Flüchtlinge haben wir im letzten Jahr den Arbeitsmarktzugang verbessert. Integration findet auf dem Arbeitsmarkt statt und nicht auf dem Arbeitsamt. Natürlich ist es nicht schön, wenn in manchen Bereichen Ausländer bei der Arbeitssuche benachteiligt werden. Das darf nicht sein. Dafür gibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Wenn auch das nicht reichen sollte, ist hier Änderungsbedarf gegeben; aber deswegen brauchen wir doch kein neues Einwanderungsgesetz, um das es hier heute geht.

Es ist auch klar, dass wir langfristig einen Fachkräftemangel haben werden. Aber wir haben auch jetzt schon grundsätzlich keinen flächendeckenden Mangel, sondern wir haben Engpässe in einzelnen Bereichen. Wir haben bereits eine Positivliste mit 70 Mangelberufen erstellt, um die Anwerbung von Fachkräften für bestimmte Branchen zu erleichtern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Oft, so wie auch heute, wird eben einmal so pauschal behauptet, unser Zuwanderungsrecht sei zu kompliziert und – jetzt kommt es – wir würden deshalb den globalen Wettbewerb um die besten Köpfe verlieren. Die OECD hat uns aber im Jahr 2013 bescheinigt, dass Deutschland zu den OECD-Ländern mit den geringsten Hürden für hochqualifizierte Zuwanderer gehört.

Dann höre ich heute wieder die Forderung nach dem Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Ich frage mich, ob man sich damit allen Ernstes auseinandergesetzt hat. Die Grünen sprechen in ihrem Antrag gar von einem „System der Kriterien-gesteuerten Arbeitsmigration“. Solche Wortkreationen tragen nicht dazu bei, dass unser Zuwanderungsrecht verständlicher, unbürokratischer oder, wie Sie es auch noch fordern, humaner wird. Auch das Punktesystem nach kanadischem Vorbild tut das nicht. Es ist bürokratisch und unflexibel, und nicht umsonst ist Kanada dabei, sein eigenes System zu reformieren. Daran wollen wir uns doch nicht allen Ernstes orientieren.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, aber davon lernen!)

Wer in Deutschland über Einwanderung redet, der kann die europäische Dimension nicht einfach ausblenden.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun wir auch nicht!)

Europa taucht weder in Ihrem Antrag auf noch in der Diskussion über das Einwanderungsrecht. Die deutsche Politik hat die Pflicht, Fachkräfte zuerst in Deutschland, dann in Europa und dann im Rest der Welt zu suchen.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen!)

Mit dieser Auffassung bin ich auch nicht alleine.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat im Handelsblatt am 24. Oktober 2010 Folgendes gefordert – ich zitiere –:

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieser Aussage stimme ich auch heute noch zu.

Trotz Rekordbeschäftigung haben wir 3 Millionen Arbeitslose, darunter viele gut ausgebildete Fachkräfte, die sich seit langem vergeblich bewerben. 2013 haben 46 000 Schüler ohne Schulabschluss die Schule verlassen. Im letzten November meldete der Deutsche Gewerkschaftsbund, dass 300 000 Jugendliche keinen dauerhaften Ausbildungsplatz haben. Die Bundesagentur für Arbeit spricht von über 20 000 Bewerbern ohne Ausbildungsplatz. Egal welche Statistik wir heranziehen: Deutschland hat definitiv zu viel ungenutztes Potenzial.

Europa setzt noch einmal eins drauf. Wenn wir uns die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien, Griechenland und Frankreich anschauen, dann wird doch klar: Wir müssen uns erst einmal in Europa umsehen. Eurozentrismus an dieser Stelle, nämlich bei der Suche nach Fachkräften, ist auch integrationspolitisch sinnvoll; denn ein Spanier bringt nun einmal mehr kulturelle Gemeinsamkeiten mit als beispielsweise ein Chinese.

Um Migration zu verbessern, braucht es also weder neue Gesetze noch alte Gesetze mit einem neuen Etikett, sondern wir müssen die geltenden Regelungen besser umsetzen und für Verbesserungen sorgen. Wie wir noch bessere Integration leisten, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Im Übrigen zeigt auch eine Analyse des Bundeswirtschaftsministeriums vom April 2014, dass das richtig ist. Unternehmen, Fachkräfte und Verwaltung sagen, dass der rechtliche Rahmen zur Anwerbung von Fachkräften positiv ist. Sie sehen Handlungsbedarf bei der Umsetzung, in der Praxis und bei der Anerkennung von beruflichen Qualifikationen und Bildungsabschlüssen. Hier müssen wir ansetzen, in der Praxis, und nicht wieder mit einem neuen Gesetz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Redezeit?

Aus meiner Sicht können wir den Antrag ablehnen, nicht aber die Debatte über eine gute Zuwanderung. An Sie, liebe Frau Göring-Eckardt, noch ein Schlusswort: Bayern braucht von Ihnen keine guten Ratschläge. Bayern, seine Menschen und seine Politik stehen für eine hervorragende Willkommenskultur.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Danke, Frau Kollegin Lindholz. – Letzte Rednerin in der Debatte: Nina Warken für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4548050
Wahlperiode 18
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt Modernes Einwanderungsrecht
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