05.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 5

Gabriele GronebergSPD - Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2015

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von dem durchaus spannenden Thema jetzt wieder zurück zum ambitionierten Arbeitsprogramm der EU-Kommission und damit zu zwei gleichfalls spannenden Themen, nämlich zur geplanten Energieunion und zur digitalen Gesellschaft. Uns Sozialdemokraten ist in der Tat klar: Auch da müssen die sozialen Komponenten besser beachtet werden. Das ist, ich sage einmal, verbesserungsbedürftig. Herr Dörflinger, Sie haben vollkommen recht: Das Programm läuft in diesem Jahr nicht unter dem Motto „Masse ist klasse“; man hat sich auf einige Punkte beschränkt. Dadurch gibt es aber, denke ich, mehr Stoßwirkung in die richtige Richtung.

Zur geplanten Energieunion. Für Leute, die sich noch nicht damit befasst haben: Es geht um die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes für Energieleistungen. Dazu ist einiges zu sagen. Grund für die Eile bei der Beratung ist der Konflikt im Osten der Europäischen Union. Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine ist nicht neu; den gab es schon vor einigen Jahren in extremer Form. Aber der seit Frühjahr letzten Jahres bestehende Konflikt zwischen den beiden Ländern ufert jetzt aus. Wir sollten uns also damit befassen, dass wir in Europa immer noch zu sehr von Erdöl- und Erdgaseinfuhren abhängig sind, und für die Zukunft eine Regelung finden, das in den Griff zu bekommen. Der Wunsch von Kommissionspräsident Juncker, unsere europäischen Ressourcen zu bündeln, unsere Infrastrukturen zu kombinieren und unsere Verhandlungsmacht gegenüber Drittländern zu stärken – das ist ganz wichtig –, geht auf den Vorschlag von Polens ehemaligem Ministerpräsidenten Tusk zurück, die Energieabhängigkeit abzubauen und gleichzeitig unseren Energiemarkt für Länder außerhalb der EU offenzuhalten.

Fest steht jedenfalls: Es kann jederzeit in der EU – und die ist sehr groß – zu einer Unterbrechung der Energieversorgung kommen. Darüber hinaus können sich mindestens 10 Prozent der Haushalte keine richtige Heizung leisten. Im Übrigen wird immer noch viel zu viel Energie verschwendet. Allein das zeigt die soziale Komponente einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik auf. Energie bzw. Strom für jeden zu einem erschwinglichen Preis an jeden Ort zu bringen, sollte unser Ziel sein. Das ist zugegebenermaßen ziemlich ambitioniert. Es wird schwierig sein, das zu erreichen. Die Energiepolitik ist immer auch mit einer funktionierenden Klimapolitik in Einklang zu bringen. Das ist die große Herausforderung. 28 voneinander getrennte Energiepolitiken der Länder müssen unter einen Hut gebracht werden. Das allein in Deutschland zu organisieren, ist schon schwierig. Ich verweise in dem Zusammenhang auf die Widerspenstigkeit des bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer

(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Hört! Hört!)

in Bezug auf den Bau der für den Energietransport in Deutschland notwendigen Stromleitungen. Das ist ein schlechtes Beispiel. Davon abgesehen ist die Vernetzung des europäischen Energiebinnenmarktes unbestritten ein hehres Ziel. Wir müssen immer die Tatsache im Hinterkopf haben, dass wir es noch nicht einmal geschafft haben, einen gut funktionierenden Emissionshandel zu organisieren.

Die Beratungen über eine europäische Energieunion nehmen nun Fahrt auf. Der gute Wille aller Beteiligten wird notwendig sein, um kritische Probleme, wie zum Beispiel die Wahl der Energiequellen der einzelnen Mitgliedstaaten, zu lösen. Wir sagen beispielsweise: Wir wollen aus der Atomkraft raus. – Andere bauen Atomkraft aus. Mit Blick auf die Klimakonferenz in Paris Ende 2015 hätten wir uns – das haben wir hier schon des Öfteren gesagt – aus deutscher Sicht durchaus ambitioniertere Ziele für Klimapolitik im Arbeitsprogramm gewünscht.

Ich komme zu einem anderen spannenden Thema, nämlich zum vernetzten digitalen Binnenmarkt. Die digitale Gesellschaft ist nicht nur ein Schlagwort. Sie bedeutet heutzutage Zugang zu sozialen Medien, zu Information und Bildung. Sicherlich bedeutet dies in Zukunft auch, dass zum Beispiel die altersgerechte Digitalisierung einer Wohnung einen längeren Verbleib in den eigenen vier Wänden sichern kann. Digitalisierung stellt für unsere Wirtschaft eine zwingend notwendige Grundlage für internationalen Wettbewerb dar. Digitale Infrastrukturen und Breitbandverbindungen müssen grenzüberschreitend verfügbar sein. Unsere Wirtschaft muss – das ist ganz klar – nicht für ein zweites Google bereitstehen. Das Know-how aber, Datensicherheit und Datensicherung zu entwickeln, kann durchaus zu einer exponierten Stellung im Weltmarkt führen. Das Paket für den digitalen Binnenmarkt ist daher eine sinnvolle Priorisierung im Arbeitsprogramm. Grenzüberschreitender Zugang zu digitalen Diensten und gleiche Ausgangsbedingungen für über 500 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher in der Europäischen Union, aber auch für unsere Wirtschaft bzw. unsere Unternehmen, sind in einem gemeinsamen Europa einfach unerlässlich. So weit, so gut.

Fest steht aber auch, dass die fortschreitende Digitalisierung untrennbar mit dem Schutz unserer Daten verbunden ist. Unser europäisches Datenschutzrecht von 1995 ist restlos überholt. Es befindet sich mindestens im digitalen Mittelalter. Daher brauchen wir dringend eine neue Datenschutzverordnung. Die Dominanz derjenigen Unternehmen, die unsere Daten benutzen und zum Teil vielleicht unrechtmäßig weitergeben, muss durch eine vernünftige Grundverordnung gebändigt werden. Gerade nach den Anschlägen in Paris und angesichts der aktuellen Entwicklung muss die EU auch Antworten auf die terroristischen Herausforderungen geben, die bestehende Datenschutzrichtlinie überarbeiten und Konsequenzen aus der NSA-Affäre ziehen. Um geistiges Eigentum und technische Patente zu schützen, wird eine Modernisierung des Urheberrechts ebenso unabdingbar sein.

Die Schaffung eines digitalen europäischen Binnenmarktes bietet soziale Chancen und auch Herausforderungen. Das Potenzial des europäischen Arbeitsmarktes und die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit können in diesem Zusammenhang nicht einfach außer Acht gelassen werden. Die Medienkompetenz in allen Altersgruppen und in allen sozialen Schichten zu fördern, heißt eben auch, die digitale Spaltung unserer Gesellschaft zu verhindern. In diesem Sinne ist das Arbeitsprogramm der Kommission sicherlich ein richtiger Schritt auf diesem Weg, und das 315-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm ist hier eine sehr gute Untermauerung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Annalena Baerbock, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4548233
Wahlperiode 18
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2015
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