05.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 5

Annalena BaerbockDIE GRÜNEN - Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2015

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dieser kleine Schlagabtausch hier hat sehr deutlich gemacht, was Europa eben auch auszeichnet, nämlich, dass ein einfaches Bashing nicht simpel ist, weil das Mehrebenensystem verschiedene Verantwortungsträger hat. Hier macht nicht nur die böse EU oder das böse Land Fehler, sondern das ist immer ein Zusammenwirken. Mich irritiert deshalb sehr, dass Sie von der CDU/CSU hier noch einmal deutlich gemacht haben: Die letzte Kommission hat die ganzen Projekte nicht hinbekommen. Jetzt soll sie mehr liefern. – Die Kommission formuliert nur Arbeitsaufträge, auch in diesem Programm. Umgesetzt wird das dann von dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten. Das heißt, alle Arbeitsaufträge, die in diesem Arbeitsprogramm stehen, richten sich vor allen Dingen an Sie als Koalitionsfraktionen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Herr Juncker mit dem Investitionsprogramm endlich ein großes Projekt in Europa angeht, kann man hier nicht schwarz-weiß sagen: „Alles scheiße, wir wollen das nicht so haben“, sondern muss konstruktiv daran arbeiten und sagen, wie man das eigentlich umsetzen will. Hier stehen Sie in der Verantwortung.

(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Man kann auch einmal die Wortwahl hier im Deutschen Bundestag überprüfen!)

– Ja, das kann man.

(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Das sollten Sie!)

– Ich rede gerade; Sie können nachher gerne noch etwas sagen.

(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Die Gepflogenheiten waren bei den Grünen noch nie hoch im Kurs!)

Sie können dann auch nicht einfach sagen: Wir müssen mal gucken, was wir damit machen.

Sie haben versucht, Herrn Juncker gleich bei seinem ersten großen Projekt ein Bein zu stellen. Als Erstes haben Sie eine Ramschliste nach Europa geschickt, um dieses große Projekt anzugehen. Mittlerweile haben wir Sie zum Glück überzeugt, dass das nicht sehr sinnvoll war, und im Ausschuss wurde mehrfach betont – die Liste ist jetzt vom Tisch –, dass das nur eine Idee war. Ihre nächste Nebelkerze war – Herr Seif, Sie haben offensichtlich nicht verstanden, was das für eine Nebelkerze ist –, dass Sie verkündet haben, jetzt 8 Milliarden Euro in dieses Investitionsprogramm zu stecken. Leider stecken Sie dieses Geld aber nicht dort hinein, wo investiert werden müsste, nämlich in öffentliche große Projekte, sondern Sie entziehen Herrn Juncker einfach seine Arbeitsgrundlage und sagen: Wir investieren nur in der zweiten Stufe, um mit der KfW selber Rendite machen zu können. Die Investitionen, die in anderen Ländern gebraucht werden, sind uns herzlich egal. – So funktioniert das aber eben nicht. Wenn man fordert, dass Europa Großes leistet, kann es nicht sein, dass die Großen keinen Beitrag dazu leisten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt, bei dem Sie ganz stark in der Verantwortung stehen, sind die – Herr Dörflinger und Herr Seif haben das hier sehr gelobt – REFIT-Vorschläge im Arbeitsprogramm. Man will jetzt einzelne Projekte einfach vom Tisch nehmen. Was wird vom Tisch genommen? Eine der größten Errungenschaften Europas, nämlich das europäische Umweltschutzprogramm. Die Kommission hat vorgeschlagen, dass das Maßnahmenpaket für saubere Luft in Europa und das Paket zur Kreislaufwirtschaft eingestellt werden sollen. Das ist nicht nur eine kleine Aktion, sondern ein Angriff auf die Ziele der Europäischen Union, die gemäß Artikel 3 des Vertrages über die Europäische Union für den Schutz der sauberen Umwelt in Europa zu sorgen hat. Hier müssen Sie als Bundesregierung sagen: So geht das nicht!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Andrej Hunko [DIE LINKE])

Die Streichung dieser Punkte steht auch im Widerspruch zu dem von Ihnen vor zwei Jahren mit beschlossenen Umweltaktionsprogramm. Dieses Programm haben Sie nicht nur aus nachhaltigen Gründen mit beschlossen, sondern auch, um Investitionen in Europa anzuregen. Diese beiden Pakete hätten zusammen 180 000 neue Jobs in Europa gebracht, und es könnten 40 Milliarden Euro gespart werden und in nachhaltige Projekte investiert werden. Das soll jetzt gekillt werden. Dafür kann der Deutsche Bundestag doch nicht seine Zustimmung geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der dritte Punkt, bei dem die Bundesregierung aktiv werden muss – Frau Groneberg hat es angesprochen; aber es ist nicht allein Aufgabe der Europäischen Kommission, sondern der Rat spielt dabei eine entscheidende Rolle –, betrifft den Emissionshandel, der ein entscheidendes Element Ihrer Klimaschutzmaßnahmen ist, und die Energieunion. Bisher stehen Sie leider an der Außenlinie und warten ab, was in Europa so passieren soll. So geht es nicht. Wenn wir nicht weiter auf Importe fossiler Energien setzen wollen – die Importe fossiler Energien nach Europa werden mit 400 Milliarden Euro jährlich finanziert –, dann müssen wir als Deutscher Bundestag mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz klarmachen: „Diese Energieunion kann es nur geben, wenn sie zu einer Klimaunion wird“, wie es einer der großen alten Kommissare der Kommission ins Stammbuch geschrieben hat. Er hat zur Energieunion gesagt – ich zitiere –:

In diesem Sinne: Denken Sie groß, und denken Sie die Energieunion als Klimaunion!

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Baerbock. Es wäre schön, wenn wir in Zukunft auch in sprachlicher Hinsicht bei den parlamentarischen Gepflogenheiten bleiben würden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Dr. Christoph Bergner, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4548242
Wahlperiode 18
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2015
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