05.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 7

Petra Pau - Weiterentwicklung der Gewerbesteuer

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Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Karawanskij, ich habe mich gerade erkundigt. Anscheinend haben Sie das Wohlwollen, das Ihnen gegenüber gezeigt wurde, mit dem vermeintlichen Wohlwollen Ihrem Antrag gegenüber verwechselt. Er wurde im Unterausschuss eindeutig abgelehnt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Mein Gott!)

Beziehen Sie es insofern nicht auf sich selber, dass der Antrag abgelehnt worden ist.

Es wundert mich, mit welcher Regelmäßigkeit von Ihnen immer wieder der gleiche Antrag gestellt wird.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Weil er notwendig ist!)

Man könnte sich als Redner das Ganze heute sehr leicht machen und einfach darauf verweisen, dass schon alles – nur noch nicht von uns heute hier – gesagt worden ist. Ich glaube aber, wir sollten uns doch noch einmal ernsthaft mit diesem Thema beschäftigen.

Ich möchte versuchen, Ihnen noch einmal die Argumente darzustellen, die gegen diese Steuer sprechen; denn letztlich hoffe ich, dass Sie nach dem alten Satz „Repetitio est mater studiorum“ ein bisschen lernfähig sind.

(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das haben wir beim Mindestlohn auch schon gehört!)

– Das hoffe ich. Sie haben es aber anscheinend nicht verinnerlicht.

Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass für die Kommunen zuallererst die Länder verantwortlich sind. Der Bund ist für die Kommunen nicht verantwortlich. Sie haben teilweise richtig dargestellt, dass den Kommunen durch entsprechende Gesetze Leistungen auferlegt wurden, die vom Bund nicht ausreichend bezahlt wurden. Dazu kann man heute sagen, dass diese Fehler der Vergangenheit behoben worden sind. Mit der Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben wir allein eine Entlastung von 4,5 Milliarden Euro im Jahr geschaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Im Zeitraum 2012 bis 2016 beläuft sich dabei die Entlastung der Kommunen auf über 20 Milliarden Euro. Im Jahr 2014 wurde die letzte Stufe der Anhebung der Bundesbeteiligung von 75 auf 100 Prozent durchgezogen. Das wiederum führt zu einer weiteren zusätzlichen Entlastung der Kommunen von 1,6 Milliarden Euro jährlich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Sie haben vielleicht auch noch vergessen, dass wir im letzten Jahr einige enorme zusätzliche Leistungen für die Kommunen beschlossen haben: 1 Milliarde Euro jährlich zur Unterstützung im Rahmen der Eingliederungshilfe, und zwar über die Übernahme der Kosten der Unterbringung bzw. über einen erhöhten Anteil an der Umsatzsteuer. In unserem Koalitionsvertrag steht, dass wir selbstverständlich bis zum Ende dieser Legislaturperiode die Kommunen noch einmal um weitere 5 Milliarden Euro entlasten werden. An diese Zusage halten wir uns; das werden wir durchführen. Die Kommunen wissen eben, dass sie mit uns einen verlässlichen Partner an ihrer Seite haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dass wir den Kommunen darüber hinaus mit den Investitionsprogrammen „Kinderbetreuungsfinanzierung“ enorme zusätzliche Entlastungen sozusagen geschenkt haben, brauche ich hier, glaube ich, nicht weiter zu erwähnen. In diesem Jahr – darauf sind Sie vorhin eingegangen – werden die Kommunen und Länder weiter entlastet, und zwar bei den Kosten für Asylbewerber. Der Bund wird sich im Jahr 2015 mit 500 Millionen Euro an diesen Kosten beteiligen und im kommenden Jahr, wenn weiterhin Bedarf besteht, mit weiteren 500 Millionen Euro. Den Kommunen sind in der letzten Zeit also enorme Mittel zugeflossen. Die Bundesregierung und das Parlament tun hier das Ihrige.

Woran liegt es denn, dass manche Kommunen tatsächlich eine so schlechte Finanzlage haben? Das liegt doch nicht daran, dass die Gewerbesteuer zu niedrig ist. Die Gewerbesteuer ist seit 2009 immer kontinuierlich angestiegen und hat im Jahr 2014 mit 33 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreicht.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wie ist das denn im Durchschnitt?)

Damit lag sie um fast 9 Milliarden Euro höher als im Jahr 2009 und doppelt so hoch wie im Jahr 2003. Seit 2012 weisen die Kommunen in Deutschland einen positiven Finanzierungssaldo von 1 Milliarde Euro und mehr aus.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Im Durchschnitt!)

– Das ist der Durchschnitt.

Es gibt sehr unterschiedliche Kommunen.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ja!)

Es gibt Kommunen, die gut regiert werden, und es gibt Kommunen, die schlecht regiert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)

Das wird an den unterschiedlichen Kassenkrediten sehr deutlich. Mich erstaunt es überhaupt nicht, dass sich die Hälfte aller Kommunen mit einer finanziellen Notlage in einem einzigen Bundesland befindet, nämlich in Nordrhein-Westfalen.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das ist ja das größte Bundesland!)

Anscheinend wirtschaften die Kommunen in diesem Land genauso schlecht wie die dortige Landesregierung, die nicht haushalten kann, sondern ständig neue Schulden aufhäuft.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das ist doch Unsinn!)

Diese Schuldenpolitik auf Landes- und kommunaler Ebene ist unverantwortlich – gerade gegenüber der nächsten Generation.

(Michael Roth, Staatsminister: Die meisten Verschuldeten sind in Hessen!)

Wenn ich beispielsweise lesen muss, dass sich das Land Nordrhein-Westfalen nur zu etwa 20 Prozent an den Kosten der Kommunen für Asylbewerber beteiligt, während Hessen bis zu 75 Prozent der Kosten erstattet, wird deutlich, woher die Schieflage kommt. Wenn Gelder, die der Bund für die Kommunen vorgesehen hat, zur Konsolidierung der Länderhaushalte verwendet werden oder manche Länder auf Kosten der Kommunen beim kommunalen Finanzausgleich sparen, ist die unterschiedliche Entwicklung der Kassenkredite kein Wunder. Nordrhein-Westfalen vernachlässigt seine Verantwortung für die eigenen Kommunen tatsächlich vollständig.

Ihrem Antrag, aus der Gewerbesteuer eine Gemeindewirtschaftsteuer zu machen, können wir natürlich nicht folgen. Das würde zu Steuererhöhungen und zu einem neuen Bürokratieaufwand für Freiberufler führen. Haben Sie sich außerdem einmal die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und auf die Landeshaushalte ausgerechnet? Es gibt Berechnungen, wonach genau die Sache, die Sie einführen wollen, zu einer Mindereinnahme von bis zu 5 Milliarden Euro beim Bund und bei den Ländern führen würde. Das wären 5 Milliarden Euro mehr bei den Kommunen, also genau der Betrag, den wir den Kommunen bis zum Ende der Legislaturperiode von unserer Seite aus sowieso erstatten werden. Sie wollen die Steuereinnahmen der Kommunen erhöhen und die Steuereinnahmen von Bund und Ländern reduzieren.

Letztlich stellt sich für mich auch die Frage, ob tatsächlich noch eine Gewerbesteuer in der jetzigen Form notwendig wäre, wenn es eine einheitliche Gemeindewirtschaftsteuer geben würde. Für mich stellt es sich damit so dar: Wenn alle einbezogen werden, können wir doch gleich einen Zuschlag zur Einkommensteuer oder zur Umsatzsteuer beschließen,

(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Alle wirtschaftlich Tätigen, nicht alle!)

was darauf hinausläuft, dass das Ganze genau so, wie Sie es wollen, funktioniert und die Gewerbesteuer damit abgeschafft wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Lesen Sie die Anträge eigentlich?)

Man muss sich natürlich auch darüber klar sein, dass die Infrastruktur von den Freiberuflern wirklich nicht so belastet wird, wie das bei großen gewerblichen Unternehmen der Fall ist. Mit den bei uns geltenden Freibeträgen sind die kleinen Gewerbetreibenden, die die Infrastruktur genauso wenig belasten, entsprechend entlastet worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihre Politik würde zu massiven Steuererhöhungen für einzelne Branchen und Unternehmen führen.

(Zuruf der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])

Darauf werden die nächsten Redner sicherlich noch näher eingehen. Wir jedenfalls werden Ihren Antrag ablehnen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Kollegin Britta Haßelmann hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4548496
Wahlperiode 18
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt Weiterentwicklung der Gewerbesteuer
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