Florian HahnCDU/CSU - NATO-Eingreiftruppe
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen eben keine Eskalation – etwa durch die Aufkündigung der NATO-Russland-Akte –, sondern wir wollen eine schnelle Umsetzung der Maßnahmen, die im November in Wales zum Schutz unseres Bündnisses beschlossen worden sind. Wichtigstes Element – das steht heute im Fokus – ist die schnelle Eingreiftruppe. Das Konzept wird heute von den NATO-Verteidigungsministern beraten. Uns liegen heute zwei Anträge vor, die von den entsprechenden Fraktionen bereits vorgestellt wurden.
Ich kann nur sagen: Den Antrag der Linken finde ich völlig absurd und fernab jeglicher Realität.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wie immer!)
Sie setzen die Lage der großen Militärmacht Russland mit der Lage der kleinen baltischen Staaten gleich, die sich nicht selbst schützen können. Das Baltikum beschreiben Sie als Boden der ehemaligen Sowjetunion,
(Robert Hochbaum [CDU/CSU]: Kaum zu glauben!)
den deutsche Soldaten nicht betreten sollten. Was wollen Sie damit eigentlich zum Ausdruck bringen?
(Robert Hochbaum [CDU/CSU]: Ja!)
Dass der Kreml hier noch irgendwelche Gebietsansprüche hat? Oder sind wir uns zumindest an dieser Stelle einig, dass Litauen, Lettland und Estland drei souveräne und selbstbestimmte Demokratien sind?
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
In Ihrer Beschreibung der Situation in der Ostukraine gibt es nur die Hardliner in Kiew, Donezk und Luhansk, die eine militärische Lösung anstreben und eskalierend wirken.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Was ist denn Jazenjuk anderes?)
Über die zweifelhafte – das zumindest könnte man sagen – Rolle der Politik Putins und des Kremls verlieren Sie kein Wort. Sie wollen oder können offensichtlich nicht differenzieren.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ja, ja!)
Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Überdenken Sie Ihre Rolle als Sprachrohr für Putins rückwärtsgewandtes Großmachtstreben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Quatsch hier! Das ist doch lächerlich!)
Wir wissen doch alle, dass die massive Offensive der Separatisten in der Ukraine nur mithilfe Moskaus überhaupt möglich ist. Das führt zu einer Eskalation, und nicht die Ertüchtigung einer zahlenmäßig kleinen Eingreiftruppe der NATO.
Der Antrag der Grünen bietet immerhin eine sachliche Lagebeschreibung. Ich finde es positiv, dass Sie das Konzept an sich offenbar nicht infrage stellen und über Bündnistreue sprechen. Negativ finde ich die Forderung, keine abschließende Entscheidung zu treffen. Das verzögert unnötig. Ihr Argument, dass wir Gefahr laufen, die Parlamentsrechte zu umgehen, kann ich nicht nachvollziehen; dabei würden wir als CDU/CSU-Fraktion im Übrigen auch nicht mitmachen. Wir können doch nicht die Manövertätigkeit der NATO von 28 Parlamenten beraten und entscheiden lassen. Das würde uns doch völlig unglaubwürdig machen.
Diese Debatte über die Aufstellung einer schnellen Speerspitze, bei der wir eine führende Rolle übernehmen sollen, zeigt: Das, was auf der Sicherheitskonferenz 2014 in der Theorie vorgedacht wurde, wird jetzt Realität.
(Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])
Schneller als gedacht muss Deutschland mehr Verantwortung übernehmen, mehr Engagement zeigen, nicht nur bei den Auslandseinsätzen, sondern auch bei der Bündnisverteidigung. Die Teilnahme an der Speerspitze bedeutet mehr Übungen, erhöhte Alarmbereitschaft und Durchhaltefähigkeit. Mehr Übungen verbrauchen mehr Material. Alles kostet mehr Geld. Die Praxis zeigt: Es fehlt oft an den notwendigen Mitteln für solche Manöver.
Der NATO-Generalsekretär Stoltenberg hat bei der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth Anfang dieses Jahres gesagt: Mehr Führung bedeutet auch mehr Führung im Bereich Haushalt. Mehr Aufgaben können nicht mit weniger Mitteln und weniger Geld geleistet werden. Es sind mehr Investitionen in die äußere Sicherheit nötig. – Ich bin da ganz seiner Meinung. Deutschland muss sich der Realität stellen. Nach zahlreichen Minderausgaben in den letzten Jahren braucht die Bundeswehr mehr Mittel für gestiegene Anforderungen.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Investitionen in die Zukunft!)
Ich fordere eine Investitionswende.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Toll!)
Um unsere Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit zu sichern, brauchen wir dringend zusätzliche Mittel von rund 10 Milliarden Euro bis zum Jahr 2021.
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Wo sollen die denn herkommen bei Ihrer schwarzen Null?)
Die für die nächsten Jahre bereits vorgesehenen minimalen Haushaltssteigerungen reichen nicht aus. Die vorhersehbaren Entwicklungen bei den Kosten für Sold, Mieten, Pensionen etc. fressen den minimalen Aufwuchs bereits auf. Wir brauchen aber einen realen Aufwuchs, wir brauchen tatsächlich mehr Geld im System. Eine gute Versorgung der Pensionäre ist ein Gebot der Gerechtigkeit. Eine angemessene Vergütung der Aktiven, ordentliche Kasernen und geregelte Arbeitszeiten im Grundbetrieb sind richtig und wichtig.
Herr Kollege Hahn, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Neu?
Er kann danach gerne intervenieren. Ich werde meine Rede jetzt hier zu Ende bringen.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Diese Mittel stellen wir auch bereit. Das hilft uns aber nicht direkt bei der Verteidigung unseres Landes und unserer Partner. Wir dürfen nicht riskieren, dass das militärische Kerngeschäft weiter leidet. Es muss genug Geld für Investitionen in die Infrastruktur, für Ausbildung, für Materialerhalt und für Ausrüstung vorhanden sein. Nötig ist zusätzliches Geld, das den Wehretat real erhöht, damit unser Beitrag, zum Beispiel bei der neuen schnellen NATO-Eingreiftruppe, auch wirklich geleistet werden kann.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Eine super Speerspitze!)
Herr Kollege Neu, jetzt haben Sie nochmals die Möglichkeit zu einer Kurzintervention. Ich erteile Ihnen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4549659 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 85 |
Tagesordnungspunkt | NATO-Eingreiftruppe |