05.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 13

Birgit Malecha-NissenSPD - Maritime Ausbildung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Tagen habe ich die Geschichte eines Schiffsmechanikers gehört: 80 Bewerbungen und keine Aussicht auf Anstellung. Wohin mit seinen Fähigkeiten, seiner Erfahrung, seiner Energie, wenn es keinen adäquaten Arbeitsplatz gibt? Dieses Beispiel zeigt deutlich, in welchem Dilemma deutsche Seeleute angesichts ihrer Arbeitssituation stecken.

Es ist wichtig und richtig, auf die Probleme bei Ausbildung und Beschäftigung in der Seefahrt hinzuweisen. Ja, wir müssen dringend einem drohenden Verlust des maritimen Know-hows entgegenwirken. Schifffahrt und maritime Wirtschaft gehören zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen in unserem Land und haben Deutschlands führende Position im Exportbereich gestärkt. Damit liefern sie einen wichtigen Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung in unserem ganzen Land. Doch auch die maritime Wirtschaft, die zudem wie kaum ein anderer Sektor im globalen Wettbewerb steht, hat die Folgen der Finanzkrise zu spüren bekommen. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag klar formuliert: Wir werden die maritime Wirtschaft stärken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Arbeitssituation in der deutschen Seeschifffahrt ist in Seenot geraten. Gute Arbeit und gute Ausbildung gehören jedoch zusammen. Die maritime Ausbildung in Deutschland wurde in den letzten zwei Jahren neu strukturiert. Im September 2013 ist die Verordnung über die Berufsausbildung der Schiffsmechaniker in Kraft getreten. Gleichzeitig wurde auf der Kultusministerkonferenz der länderübergreifende Lehrplan der Küstenländer Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein für den Ausbildungsberuf Schiffsmechaniker verabschiedet. Ebenso wurde 2014 die neue Seeleute-Befähigungsverordnung erlassen. Auch dies geschah in enger Abstimmung mit den Küstenländern. Mit diesen neuen Verordnungen wurde die maritime Ausbildung an die international geltenden Vorschriften angepasst.

Kein Schiff kann den Nord-Ostsee-Kanal oder den Hamburger Hafen ohne Lotsen befahren. Vor dem Hintergrund der bestehenden Personalknappheit, besonders bei den Kanallotsen, wurde bereits 2008 ein verkürzter Zugangsweg zum Beruf entwickelt, und zwar in Zusammenarbeit mit der Bundeslotsenkammer und der Lotsenbrüderschaft des Nord-Ostsee-Kanals. Der neue Ausbildungsweg für die Kanallotsenanwärter reduziert die Seefahrtzeiten von 48 auf 24 Monate. Bisher sind circa 40 Anwärter diesen Ausbildungsweg mit großem Erfolg gegangen.

Deshalb ist die gemeinsame Arbeitsgruppe des Verkehrsministeriums und der Bundeslotsenkammer wichtig. Hier werden grundsätzlich die Zugangsvoraussetzungen für alle Seelotsen auf den Prüfstand gestellt. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass wir dazu auch das Engagement der Reeder brauchen.

Wir brauchen also keine neue Ausrichtung der maritimen Ausbildung. Wir bilden bereits hervorragende Fachkräfte aus. Das Potenzial ist da. Was wir brauchen, das sind Arbeitsplätze. Die Absolventen der Hochschulen müssen Anstellungsplätze finden, um die international vorgeschriebene Seefahrtzeit und somit auch ihre Ausbildung abzuschließen. Wir müssen dafür sorgen, dass die weitere Ausflaggung deutscher Schiffe verhindert wird, damit genügend Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Fuhren im Jahr 2000 noch rund 700 Schiffe unter deutscher Flagge, hat sich die Zahl heute halbiert. Dem steht insgesamt eine deutsche Handelsflotte mit rund 3 500 Schiffen gegenüber. Um den Schifffahrtsstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb zu stärken, hat der Bund in den vergangenen Jahren wichtige Weichen gestellt. Es wurden bereits die Tonnagesteuer, der Lohnsteuereinbehalt, die Fördermittel zur Senkung der Lohnnebenkosten, die Ausbildungsförderung und die Schiffsbesetzungsverordnung genannt. Leider konnten diese Maßnahmen den bisherigen Trend zu weiterer Ausflaggung nicht aufhalten. So werden wir in Zukunft genau prüfen müssen, wo wir verbessern und nachbessern müssen.

Lassen Sie mich das an den Beispielen des Lohnsteuereinbehaltes und der Ausbildungsförderung näher ausführen. Die Einführung des Lohnsteuereinbehaltes von 40 Prozent führt bereits zu einer Reduzierung der Personalkosten. Das ist erst einmal gut. Hier muss jedoch weitergedacht werden, und das wird auch diskutiert. Ein möglicher Weg wäre, den Lohnsteuereinbehalt auf 100 Prozent zu erhöhen, wie das übrigens auch in anderen europäischen Ländern passiert. Dazu haben jedoch die Bundesländer ein Mitspracherecht. Aber um es ganz klar zu sagen: Unser Ziel ist, den Verlust von Arbeitsplätzen zu stoppen. Deshalb müsste eine Änderung mit einer klaren, verbindlichen Zusage, zum Beispiel für tarifliche Arbeitsverträge, gekoppelt werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Bei der Ausbildungsförderung zeigen auch die deutschen Reeder ihre Verantwortung für die maritime Ausbildung. Dazu wurde im Jahre 2012 die Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland gegründet. 2014 wurden über 20 Millionen Euro für die finanzielle Unterstützung der Berufsausbildung ausgezahlt.

Wie finanziert sich die Stiftung? Das Flaggenrechtsgesetz – ein schwieriges Wort; auch das Gesetz ist ziemlich umfangreich – verpflichtet die Schifffahrtsunternehmen bei geplanter Ausflaggung, entweder auf dem jeweiligen Schiff auszubilden oder alternativ die Ausbildungsverpflichtung finanziell zu kompensieren und dann in die Stiftung einzuzahlen. Die Höhe des Betrages richtet sich nach der Schiffsgröße und liegt zwischen 2 000 und 16 000 Euro – ein doch relativ kleiner Betrag, gemessen an dem, was ein Ausbildungsplatz kosten würde.

Die Bundesregierung wird dem Deutschen Bundestag über die Erfahrungen mit der Stiftung und den Ausflaggungsgenehmigungen bis Ende 2016 berichten. Ich persönlich wünsche mir den Bericht noch bis zur Nationalen Maritimen Konferenz im Herbst, um hier gegebenenfalls regulativ nachbessern zu können.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist viel für die maritime Ausbildung auf den Weg gebracht. Das Maritime Bündnis für Ausbildung und Beschäftigung zwischen Bundesregierung, Küstenländern, Reedern und Gewerkschaften leistet gute Arbeit. Allerdings zeigt die Arbeitssituation in dieser Branche: Ausruhen ist nicht. Wir brauchen dringend ein Umsteuern aus der Sackgasse. Der Verlust von Arbeitsplätzen muss gestoppt werden.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zeigt leider keine Problemlösung auf. Mit Praktika und einer Neuausrichtung der maritimen Ausbildung schaffen wir eben keine regulären Arbeitsplätze. Deshalb ist uns als SPD-Fraktion dieser Antrag zu kurz gegriffen. Was wir brauchen, sind die Sicherung der Arbeitsplätze und damit die Sicherung unseres maritimen Know-hows. Für uns gehören gute Ausbildung und gute Arbeit zusammen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Unsere jungen Frauen und Männer haben das Recht auf einen erfolgreichen Start ins Berufsleben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die Kollegin Dr. Valerie Wilms hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4550244
Wahlperiode 18
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt Maritime Ausbildung
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