Philipp MurmannCDU/CSU - VN-Resolution zur Staateninsolvenz
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Brauchen wir ein Staateninsolvenzverfahren? Spontan würde man vielleicht Ja sagen, aber bei genauerem Hinsehen, insbesondere nach dem, was wir gerade gehört haben, kommen doch wesentliche Zweifel und Fragen auf. Auf vier Fragestellungen möchte ich eingehen. Erstens: Ist der Begriff „Insolvenz“ überhaupt geeignet? Zweitens: Was soll das Ziel einer Staateninsolvenz sein?
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da lassen wir Sie mal raten! – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Neue Schulden zu machen!)
Drittens: Wie steht es um das Prinzip „Haftung und Verantwortung“? Viertens: Welche Instrumente haben wir denn heute, und wie kann man sie erfolgreich anwenden?
Ist der Begriff „Staateninsolvenz“ überhaupt geeignet? Sie haben das Beispiel eines Unternehmens gebracht. Wie funktioniert es da? Nach unserem Recht stellt ein Gericht bei der Insolvenzeröffnung einen Insolvenzverwalter. Er ist geschäftskundig, er ist unabhängig, und seine juristischen und wirtschaftlichen Fähigkeiten entsprechen seiner Aufgabe. Seine Aufgabe ist es, die Insolvenzmasse in Besitz zu nehmen, die Masse zu verwerten und den Erlös an die Gläubiger zu verteilen. Im Falle eines Staates – das schlagen Sie doch vor – würde ein solcher Insolvenzverwalter natürlich jegliche staatliche Souveränität der Organe aufheben müssen, weil er sonst gar nicht seiner Aufgabe nachkommen kann.
(Manfred Zöllmer [SPD]: Tja!)
Für mich ist an dieser Stelle schon klar, dass eine solche Lösung daher undenkbar ist. Sie widerspricht – ich denke, das geht den meisten von uns so – meinem demokratischen Verständnis von der Souveränität eines Staates vollständig.
Dann gibt es noch weitere Fragen: Was ist eigentlich mit der Insolvenzmasse? Ist das staatliche Vermögen komplett der Insolvenzmasse zuzurechnen? Wann tritt solch eine Insolvenz tatsächlich ein? Was ist die Rangfolge der Gläubiger? Es gibt noch viele weitere Fragen, die jedenfalls mich zu dem Schluss kommen lassen: Ein solches Verfahren ist nicht geeignet, und der Begriff „Staateninsolvenz“ schon gar nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Kollege Murmann, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Movassat?
Bitte schön. Er hatte zwar gerade schon die Gelegenheit, alles zu erklären, aber gut.
Herr Kollege Dr. Murmann, danke für die Zulassung der Frage. – Ja, ich hatte die Gelegenheit, meine Rede zu halten; aber ich war nicht darauf gefasst, dass Sie so derart an dem vorbeireden, was ich hier gesagt habe.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf von der CDU/CSU: Was?)
Das ist das Problem bei der Geschichte.
Erstens. Der Begriff des Staateninsolvenzverfahrens meint ja nicht, dass man eins zu eins das tut, was man bei Firmen tut; das ist doch klar. Deswegen wird das doch gerade bei der UN verhandelt.
(Zuruf des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])
Es geht bei unserem Antrag um die Frage, wie sich Deutschland in diesen Prozess und diese Verhandlungen einbringt.
Zweitens. Sie haben darauf verwiesen, dass ein solches Verfahren nicht im Interesse der Staaten sei. Die Staaten, die den Antrag bei der UN eingebracht haben, sind Länder, die von Überschuldung betroffen waren oder sind. Das heißt, es ist das Interesse genau dieser Staaten, dass es ein geregeltes Verfahren gibt, damit sie eben nicht der Willkür der Gläubiger ausgeliefert sind.
Darum geht es bei dieser Frage. Es wäre interessant, wenn Sie dazu etwas sagen würden.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich weiß nicht, inwieweit Sie diese UN-Resolution gelesen haben. Jedenfalls taucht das Wort „Insolvenz“ da nirgendwo auf. Es geht um „multilateral legal framework for sovereign debt restructuring processes“. Das ist etwas anderes als ein Insolvenzverfahren.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist die deutsche Übersetzung!)
Ich werde vielleicht gleich noch darauf eingehen. – Sie können sich ruhig wieder setzen. Ich versuche jetzt, das in 3 Minuten und 14 Sekunden abzuarbeiten, damit wir alle irgendwann nach Hause kommen.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können auch gleich gehen!)
Das, was Sie meinen, ist kein Staateninsolvenzverfahren, sondern ein Schuldenschnitt; das möchten Sie. Sie treibt die Frage um: Wie kann sich ein Staat möglichst leicht seiner Schulden entledigen,
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Um neue Schulden zu machen!)
um dann möglichst so weiterzumachen wie bisher? Das wäre natürlich schön. Dann könnte man sich als Regierungschef einfach unbegrenzt verschulden, Wohltaten an das Volk verteilen,
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist wirklich Stammtischniveau, Entschuldigung! – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Syriza lässt grüßen!)
und wenn es nicht mehr weitergeht, dann haften die anderen.
In Ihrem Antrag kommt sogar der Begriff der „illegitimen“ Schulden vor, nach dem Motto: Die Geldgeber haben ja sowieso schon gewusst, dass die Rechnung nicht aufgeht,
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Was sagen Sie denn zu Norwegen? Norwegen hat die illegitimen Schulden nämlich erlassen!)
und deshalb sind die Schulden sowieso illegitim. Ich finde, ein solches Ansinnen, ehrlich gesagt, unanständig und unehrenhaft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Kollege Murmann, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Kekeritz?
Er hat gleich die Möglichkeit, seine Rede zu halten. Insofern würde ich sagen: Wir fahren jetzt fort. Notfalls können Sie noch einmal dazwischengehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es mag Zufall sein, dass Sie diesen Punkt just in einer Woche auf die Agenda gesetzt haben, in der eine linksrevolutionäre Regierung durch Europa reist und uns allen weismachen will, dass ein Schuldenschnitt die Lösung sei.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: In dieser Woche finden die Verhandlungen bei der UN statt! Das ist der Grund!)
– Sie hatten doch schon die Möglichkeit, zu reden. Jetzt seien Sie doch einmal still und lassen es über sich ergehen, so wie wir alle Ihre Rede über uns ergehen lassen mussten.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie unterstellen die ganze Zeit! Das sind nur Unterstellungen!)
Ich kann Ihnen sagen: Ein solcher Schuldenschnitt ist nicht die Lösung für die griechischen Probleme. Sie wissen genauso gut wie wir: Wir haben die Tilgung auf nach 2020 verschoben. Insofern wird ein Schuldenschnitt das Problem nicht lösen. Einen Schuldenschnitt wird es mit uns nicht geben;
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Manfred Zöllmer [SPD])
denn Vereinbarungen sind einzuhalten. Europa basiert auf Recht und Gesetz und auch auf Verlässlichkeit. Darum muss es gehen.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Dass jeder seine Schulden zahlt!)
Ich stehe hier als Unternehmer.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, Sie sind Politiker, Abgeordneter! – Zuruf des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE])
– Ja, ich bin Unternehmer in der Politik. – Mein Leitgedanke ist: Investitionen zahlen sich dadurch aus, dass sie einen Ertrag bringen; alles andere sind Ausgaben und eben keine Investitionen. Grundsätzlich gilt für Unternehmer das Prinzip von Haftung und Verantwortung. Ich als Unternehmer hafte für meine Entscheidungen und für meine Investitionen. Das muss natürlich auch für Staaten gelten. Das Prinzip von Haftung und Verantwortung muss durch Recht und Gesetz geschützt werden.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ja, eben!)
So ähnlich wird auch die Diskussion bei der UN gewesen sein. Deswegen haben sich 41 Länder enthalten. 11 Länder haben dagegen gestimmt – gucken Sie sich einmal an, wer das war –: zum Beispiel Amerika, Großbritannien und Deutschland, aber auch Italien, und die werden sich das gut überlegt haben.
Das bringt mich zur letzten Frage: Welche Instrumente haben wir heute? Wir haben den IWF und die Weltbank, die gute Verfahren entwickelt haben, um Lösungen zu erarbeiten. Sie werden mir sicher zustimmen, dass solche Verfahren auch nachhaltig sein müssen. Und was heißt nachhaltig? Die Verwaltung und die Struktur insgesamt müssen verbessert werden, und die Ausgaben und Einnahmen müssen sich decken; sonst wird eine Restrukturierung auch nicht nachhaltig sein.
Sie haben Argentinien angesprochen. Argentinien hat sich dem Verfahren entzogen und steht nun wieder vor einer Pleite. Andere Länder wie Irland, Spanien und Portugal, die diesen Weg beschritten haben, sind durchaus erfolgreich.
Griechenland muss nun seinen Weg selbst wählen. Wir werden uns gerne die Vorschläge anhören. Aber am Ende sind wir dem Wähler in Deutschland verpflichtet, der jeden Monat pünktlich seine Steuern zahlt.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nicht alle! – Gegenruf von der CDU/CSU: Immer noch mehr als in Griechenland!)
Daran werden wir uns orientieren,
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und schon deswegen müssen wir Ihren Antrag ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Manfred Zöllmer [SPD])
Das Wort hat der Kollege Uwe Kekeritz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: So, Uwe, jetzt hau mal rein!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4550276 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 85 |
Tagesordnungspunkt | VN-Resolution zur Staateninsolvenz |