05.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 9

Heribert HirteCDU/CSU - VN-Resolution zur Staateninsolvenz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Abend! Ich war erst einmal baff, als ich den Antrag gelesen habe. Insolvenzen sind purer Kapitalismus, und Staatsinsolvenzen zu regeln und abzuwickeln, ist sozusagen Kapitalismus im Quadrat. Da dachte ich: Jetzt werden die Linken eine marktwirtschaftliche Partei. Das kann doch eigentlich nicht sein.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das war der Brüller!)

Dann fängt man an, ein bisschen genauer nachzudenken, und stellt fest – –

(Zuruf von der LINKEN)

– Sie können sich gleich auch noch mit hundert Zwischenfragen melden, dann sind wir morgen früh noch dabei;

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Können wir gern machen! Damit habe ich kein Problem!)

Sie haben ja schon genug geredet. – Dann schaut man es sich genauer an und fragt sich, worum es eigentlich geht. Bei Staatsinsolvenzen, die es natürlich gibt, geht es – das wurde schon völlig zu Recht gesagt – vor allen Dingen um die Frage, wie wir sie regeln und welche Anpassungen wir da vornehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Niema Movassat [DIE LINKE]: Genau!)

– Ja, genau, Herr Kollege. Und da sagen Sie mir, wir sollen zu den Vereinten Nationen gehen. „ Nein!“, sage ich, „dahin wollen wir nicht gehen.“

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber da ist es schon!)

Wir wollen deshalb nicht dahin gehen, weil die Vereinten Nationen ausschließlich politische Überlegungen anstellen, wenn es um Entscheidungen über Staatsinsolvenzen geht

(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht! Woher wissen Sie das denn?)

Das ist so ähnlich, als würden wir die Kompetenzen in Sachen Geldpolitik statt auf die Europäische Zentralbank gleich auf die Europäische Kommission übertragen. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der LINKEN)

Deshalb ist es richtig, wenn wir die Zuständigkeit für diese Fragen bei IWF, Weltbank und Pariser Club belassen.

(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Denn entgegen dem, was Sie gesagt haben, geht es bei Insolvenzverfahren nicht – Sie haben „ausschließlich“ gesagt – um den Schutz von insolventen Staaten vor Schuldnern. Nein, es geht um die Durchsetzung von Forderungen gegen diese Staaten. Das ist das, was wir sicherstellen wollen, und daran halten wir auch nachdrücklich fest.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Lobbyist!)

Jetzt, liebe Kollegen, eine Zwischenbemerkung: Sie haben dann gesagt, dass diese Verfahren in die Hände von Schiedsgerichten gelegt werden sollen und dort die Zahlungsunfähigkeit geprüft werden soll. Da war ich doch etwas überrascht

(Widerspruch des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– das steht in einem der Anträge drin –; denn wir haben vor kaum mehr als zwei Wochen hier darüber gesprochen, dass solche supranationalen Schiedsgerichte abgeschafft werden sollen. Hier steht das Gegenteil drin.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das zeigt nur: Das eine oder das andere ist nicht in Ordnung.

(Zuruf von der LINKEN: Oh Mann!)

Aber lassen Sie uns zur Sache zurückkommen: Bei einem Insolvenzverfahren über Staaten geht es natürlich nicht darum, dass ein Insolvenzverwalter irgendwie die Akropolis verwertet und dann anschließend irgendwohin verlagert. Darum geht es nicht. Deshalb ist schon die Begriffsbildung falsch. Ein Kollege, Christoph Paulus, hat es einmal sehr schön gesagt: Es geht um „Resolvenzverfahren“, darum, dass Staaten wieder Schuldentragfähigkeit entwickeln können, sollen und müssen. Das ist ein durchaus richtiger Ansatz.

Aber was ist der entscheidende Punkt bei diesem Verfahren? Es geht darum, zu sehen, dass die Gläubiger in einer solchen Situation gleichbehandelt werden. Und dafür – der Kollege Zöllmer hat es schon gesagt – haben wir Instrumente, nämlich die sogenannten Collective Action Clauses. Diese Collective Action Clauses haben wir gerade auf europäischer Ebene auf der Grundlage des ESM-Vertrages in der letzten Legislaturperiode auch bei uns in Deutschland mittelbar eingeführt und umgesetzt. Da muss man nur die Frage stellen – diese Frage ist in der Tat legitim –, ob von diesen Klauseln, von diesen Bestimmungen auch alle Gläubiger erfasst sind. Wenn es da Löcher gibt, muss darüber – –

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wie lange es dauert, bis das eingeführt ist!)

– Das ist eines der Probleme, in der Tat: Altschulden sind nicht erfasst. Das andere Problem, was es geben kann, ist, dass möglicherweise Rechtswahlklauseln – das haben Sie genannt – nicht betroffen sind. Darüber kann man nachdenken, und darüber muss man nachdenken. Aber das sind Sachfragen, die wir zu diskutieren haben. Diese haben allerdings mit der Frage der Verortung bei den Vereinten Nationen – das ist ja das, was Sie in erster Linie wollen; deshalb werden wir Ihren Antrag auch ablehnen – nichts zu tun.

Dann kommt noch etwas: Sie suggerieren so ein bisschen, mit einer Insolvenz seien die Schulden weg; sie würden sich sozusagen in Luft auflösen. Nein! Die Gläubiger haben die entsprechenden Verluste zu tragen. Die Gläubiger hier in Deutschland müssen die Forderungen abschreiben, auch der Staat muss sie abschreiben. Das bedeutet, der deutsche Steuerzahler trägt das, und wir im Deutschen Bundestag müssen entsprechend daran mitwirken. Das sagen Sie nicht. Das gehört aber dazu.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich komme zum letzten Punkt: Griechenland – es wurde ja schon oft erwähnt – ist letztlich pleite. Es ist vornehm damit ausgedrückt worden, dass es umgeschuldet worden ist. Aber eines ist klar: Es werden im Augenblick kaum Schulden zurückgezahlt, es werden nicht einmal Zinsen gezahlt. Wenn Sie jetzt in diesem Zusammenhang gegenüber Ihren Parteifreunden von Umschuldung und Insolvenzverfahren reden, geht es doch nur darum, zu ermöglichen, dass neue Schulden gemacht werden. Dazu sage ich: Das lehnen wir ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4550366
Wahlperiode 18
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt VN-Resolution zur Staateninsolvenz
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