06.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 86 / Tagesordnungspunkt 16 + ZP 4

Franz Josef JungCDU/CSU - Aktionsplan "Zivile Krisenprävention"

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Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn der Debatte möchte ich unserer Bundesregierung herzlich für den Beitrag danken, den sie zur zivilen Krisenprävention, zur Konfliktlösung und zur Friedenskonsolidierung leistet. Frau Vogler, wenn Sie das als Symbolpolitik bezeichnen, dann kann man das nur mit Nachdruck zurückweisen. Das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

In diesem Bericht wird, denke ich, sehr klar zum Ausdruck gebracht, welchen Beitrag wir zur nachhaltigen Friedensförderung in Europa und in dieser Welt leisten; der Außenminister hat auf sehr konkrete Maßnahmen hingewiesen. Gerade auch in Ansehung der heute beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz – der Kollege Ischinger hat verdeutlicht, dass die Frage des fortlaufenden Krisenmanagements

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Mit Waffenlieferungen!)

mit an zentraler Position der Diskussion stehen wird –, wird deutlich, dass man sich hier sehr konkret der Frage nach den Ursachen und der konkreten Frage der Prävention zuwenden muss.

Zunächst muss man natürlich feststellen, dass sich die Konfliktsituationen in der Welt verändert haben. Wir haben eine Situation des globalen Terrors; ich erwähne nur ISIS, Boko Haram und natürlich auch al-Qaida. Es gibt eine Zunahme an radikalen und islamistischen Extremisten. Wir haben – darauf hat der Bundesaußenminister zu Recht hingewiesen – die sogenannten Failing States, die fragilen Staaten. Wir haben transnationale organisierte Kriminalität und das Problem der Ressourcenkonflikte. Ich denke, darauf müssen wir zunächst eine Antwort im Rahmen ziviler Krisenprävention zu finden versuchen; denn das sind die Instrumente, die im Vorfeld unabdingbar sind, um letztlich eine friedliche Entwicklung in unserer Welt zu befördern. Deshalb ist genau dieser Akzent, den die Bundesregierung hier setzt, richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir sind mit diesen Maßnahmen auch führend in Europa.

Ich finde aber, es gehört auch dazu, dass wir über das reden, was wir damals im Weißbuch 2006 als vernetzte Sicherheit bezeichnet haben. Es geht darum, dass wir außen- und entwicklungspolitische, zivile, polizeiliche Instrumente einsetzen, dass wir aber auch nicht ausschließen, als Ultima Ratio militärische Fähigkeiten einzusetzen nach dem Grundsatz: Ohne Sicherheit keine Entwicklung, aber ohne Entwicklung auch keine Sicherheit. – Dies ist zu einem Kennzeichen deutscher Außen- und Sicherheitspolitik geworden und hat mit einen Beitrag dazu geleistet, dass wir in einigen Regionen unserer Welt zu einer friedlichen Entwicklung gekommen sind.

(Beifall des Abg. Dr. Johann Wadephul [CDU/ CSU])

Da dies immer wieder bestritten wird, will ich nur in Erinnerung rufen: Was wäre denn gewesen, als es die Massenhinrichtungen – Stichwort „Srbrenica“ –, die Massenvergewaltigungen, das menschenverachtende Vorgehen in den ehemaligen Balkanstaaten gegeben hat? Ohne dass die NATO dort eingegriffen hätte, wäre es nicht zu einer stabilen und friedlichen Entwicklung gekommen. Auch das gehört dazu, wenn wir über Krisenbewältigung und Friedenssicherung in unserer Welt sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, leider müssen wir feststellen, dass es letztlich oft des letzten Mittels bedarf – ich nehme jetzt zu dem aktuellen Thema der Bekämpfung des ISIS-Terrors Stellung –, nämlich des Einsatzes militärischer Fähigkeiten. Wenn man sieht, in welcher brutalen Art und Weise ISIS vorgeht – ich erinnere an den Piloten und ich erinnere an im Grunde genommen Kinder, die hingerichtet werden; Menschen werden abgeschlachtet –, dann erkennt man: Dort ist leider Gottes alleinige zivile Krisenprävention nicht die Maßnahme, die zu einer friedlichen Entwicklung führt. Dort ist es richtig, beispielsweise die Peschmerga mit Waffen zu unterstützen und eine Ausbildungsleistung im Irak zu erbringen, um dazu beizutragen, dass derartiges menschenverachtendes Vorgehen einer Terrororganisation zurückgedrängt wird und dass es in dieser Region wieder zu einer friedlichen Entwicklung kommt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Saudi-Arabien!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist es richtig, dass die zivile Krisenprävention weltweit an Bedeutung gewonnen hat. Dadurch wird vorsorgend in Frieden und Stabilität investiert: durch Förderung von Rechtsstaatlichkeit, durch die Unterstützung guter Regierungsführung, durch Ausbildung von Polizei- und Sicherheitskräften, durch die Stärkung der Zivilgesellschaften, durch die Förderung von Bildungs- und Gesundheitssystemen, aber auch durch die Gewährleistung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung.

Ich habe zu oft – beispielsweise in Afghanistan, um ein konkretes Beispiel zu nennen – erlebt, dass Menschen, die überhaupt keine Perspektive hatten, dass ihre Familien überleben, die in Not und Elend lebten, viel empfänglicher für radikale Werbeaktionen – beispielsweise der Taliban – waren als diejenigen, deren Grundbedürfnisse gesichert waren. Deshalb gehört auch die Förderung der Grundbedürfnisse der Menschen in diesen Regionen dazu, um zur Stabilität und zur friedlichen Entwicklung beizutragen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein solcher vorsorgender und ressortübergreifender Ansatz ist das Markenzeichen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Damit übernehmen wir – das zeigen die Unterstützungsmaßnahmen, die auch in diesem Jahr vorgenommen werden – mehr Verantwortung in der Welt, wie es sowohl der Bundespräsident als auch der Außenminister und die Verteidigungsministerin auf der letzten Sicherheitskonferenz in München deutlich gemacht haben. Aber es gilt auch, die Instrumente der Krisenprävention fortzuentwickeln. Dazu gehört der Review-Prozess im Auswärtigen Amt, wo unter Einbeziehung von Fachleuten, von Bürgerinnen und Bürgern ein gesellschaftlicher Diskurs in dieser Richtung vorangetrieben wird. Dazu gehört das Eintreten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit für eine passgenaue Krisenprävention und zivile Konfliktberatung. Dazu gehört in der Perspektive auch der vernetzte Ansatz, dass beispielsweise Ausbildungsunterstützung und Unterstützung bei Polizeimaßnahmen geleistet werden und auch durch die Teilnahme an UN-Missionen zur Friedenssicherung beigetragen wird. Wenn Sie sich die UN-Missionen sowohl im Libanon als auch in Mali, im Sudan, in Darfur, in Afghanistan und im Kosovo anschauen, dann sehen Sie: All dies sind Beiträge, mit denen Deutschland, wie ich finde, einen wichtigen Beitrag zur Krisenprävention, zur Krisenbewältigung und damit zur Friedenssicherung in unserer Welt leistet.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, wir haben eine Verantwortung, wenn es darum geht, Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern bzw. zu bekämpfen. Dies hat der Bundespräsident vor ein paar Tagen von diesem Pult aus – wie ich finde, zu Recht – noch einmal deutlich gemacht. Wir wollen mit diesen Maßnahmen unseren Beitrag für eine friedliche Entwicklung in Europa und darüber hinaus leisten. Es ist es auch wichtig, dass unsere Bundeskanzlerin gemeinsam mit Staatspräsident Hollande sowohl in Kiew als auch – heute – in Moskau ist, um dazu beizutragen, dass wir endlich zu dem kommen, was einst vereinbart worden ist, nämlich dass die Waffen in der Ukraine schweigen und es dort wieder zu einer friedlichen Entwicklung kommt. Auch dies ist ein Beitrag zur Friedenssicherung, der von unserer Bundesregierung geleistet wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich füge hinzu: Es war erst am 21. Januar, als unter Verantwortung unseres Bundesaußenministers sowohl der Außenminister der Ukraine als auch der Außenminister Moskaus – der Außenminister Frankreichs war ebenfalls dabei – vereinbarten: Die Demarkationslinie wird anerkannt. Die schweren Waffen werden abgezogen. – Und was ist passiert? Das Gegenteil! Es wurde eine Großoffensive mit all den bekannten Geschehnissen gestartet, beispielsweise der Rakete, die dort zu 30 Toten und zur weiteren Verschärfung der Situation geführt hat.

Deshalb müssen wir alles tun, unseren Einfluss geltend zu machen, um hier zu einer friedlichen Entwicklung beizutragen, um dazu beizutragen, dass das, was einmal als Grundlage in Minsk vereinbart worden ist – und zwar von der Ukraine und Russland unter Beteiligung der OSZE –, umgesetzt wird: dass nicht nur die Waffen schweigen, sondern auch eine humanitäre, eine wirtschaftliche Entwicklung erfolgt, dass die lokale Selbstverwaltung eingerichtet und auch in dieser Region mehr Autonomie gewährleistet wird, um letztlich dazu beizutragen, dass diese kriegerischen Auseinandersetzungen mitten in Europa endlich beendet werden und wir wieder zu einem Zusammenleben in friedlicher Koexistenz in Europa kommen. Das ist eine Grundvoraussetzung für Frieden. Deshalb ist es so wichtig, dass unsere Bundeskanzlerin und der Staatspräsident Frankreichs heute hoffentlich einen Erfolg in Moskau erzielen können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, ich will noch eines hinzufügen, weil dies aus meiner Sicht in der Öffentlichkeit immer sehr einseitig dargestellt wird: Gerade fand die NATO-Verteidigungsministerkonferenz statt. Der NATO- Generalsekretär hat noch einmal unterstrichen, dass wir eine Zusammenarbeit mit Russland wollen, dass die NATO-Russland-Grundakte gilt, die von Moskau allerdings verletzt wurde, weil sie die territoriale Integrität der Ukraine nicht akzeptiert hat. Aus meiner Sicht gehört dies aber elementar zur friedlichen Koexistenz und zum friedlichen Zusammenleben. Seit dem Zweiten Weltkrieg war es die gemeinsame Grundlage der Staaten in Europa, dass die Integrität der Grenzen der Staaten anerkannt und nicht infrage gestellt wird. Das muss in Zukunft wieder für alle Beteiligten gelten, damit Frieden und ein friedliches Zusammenleben in Europa und darüber hinaus möglich sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, ich sage zusammenfassend: Wir wollen unseren Beitrag zur zivilen Krisenprävention, zur Konfliktlösung und zur Friedenskonsolidierung leisten. Wir sind aber auch im äußersten Fall bereit, militärische Mittel einzusetzen,

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wenn das der äußerste Fall ist: Warum reden Sie dann nur über Militär?)

um Frieden zu sichern bzw. zu ermöglichen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zum Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Dr. Franziska Brantner, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4552420
Wahlperiode 18
Sitzung 86
Tagesordnungspunkt Aktionsplan "Zivile Krisenprävention"
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