06.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 86 / Tagesordnungspunkt 16 + ZP 4

Thorsten FreiCDU/CSU - Aktionsplan "Zivile Krisenprävention"

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute den aktuellen Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplans „Zivile Krisenprävention“ diskutieren und beraten, dann ist das, glaube ich, in der Tat eine starke und überzeugende Antwort auf die Debatten, die wir in den vergangenen zwölf Monaten rund um die Frage, welche Rolle Deutschland in der internationalen Politik spielen kann, soll und muss, geführt haben.

Ich glaube, es ist richtig, dass wir dabei auf eine umfassende Verantwortung Deutschlands in der Welt setzen. Es kommt eben auf alle Komponenten an; das ist in dieser Debatte deutlich geworden. Es kommt auf Diplomatie und Verhandlungen an – so wie es die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister seit Monaten mit hoher Energie in der Ukraine und im Russland-Konflikt tun. Es kommt auf Entwicklungszusammenarbeit und wirtschaftliche Aufbauarbeit an. Immer wieder wird man in Situationen kommen, in denen man im Sinne des vernetzten Ansatzes auch militärische Mittel und Möglichkeiten einsetzen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber klar ist, dass die zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Das kommt nicht von ungefähr. Das hat mit der Veränderung der Konfliktszenarien, mit denen wir konfrontiert sind, zu tun. Während früher vorwiegend starke, souveräne, funktionierende Staaten gegeneinander Krieg geführt haben, etwa um Land, Rohstoffe oder politische Einflusssphären, sind die Konfliktschemata, mit denen wir derzeit konfrontiert sind, völlig andere. Zu finden sind sie in der Regel in fragilen, gescheiterten Staaten ohne staatlichen Ordnungsrahmen. Deshalb, glaube ich, müssen wir an exakt diesem Punkt ansetzen. Das war in Afghanistan so, und es ist beispielsweise im Krisenbogen rund um Europa der Fall, angefangen bei Mali über Darfur, den Südsudan, Somalia, Syrien bis hin zum Irak.

Ich glaube, vor diesem Hintergrund war es im Jahr 2004 eine wegweisende Entscheidung der Bundesregierung, den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“ auf den Weg zu bringen. Zum einen hat er die Erfahrungen der Zeit und die Rahmenbedingungen sortiert und eingeordnet, zum anderen hat er die wesentlichen Marksteine für die Politik der Zukunft formuliert, nämlich erstens den Vorrang des Zivilen vor dem Militärischen, zweitens die Einbindung Deutschlands in eine multilaterale Dimension und drittens die Hilfe zur Selbsthilfe. Es geht nicht darum, anderen Staaten etwas zu oktroyieren, sondern es geht darum, die lokalen und regionalen Akteure zu befähigen, die Herausforderungen selbst zu bewältigen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wenn wir die Erfolge der letzten zehn Jahre Revue passieren lassen, stellen wir fest: Sie sind ganz maßgeblich darauf zurückzuführen, dass es gelungen ist, die Institutionen – die staatlichen wie die zivilen – zu stärken und weiterzuentwickeln. Ich denke dabei zum Beispiel an das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze, aber auch an die Bundesakademie für Sicherheitspolitik, an den Beirat für Zivile Krisenprävention beim Auswärtigen Amt und an den Unterausschuss hier in unserem Hause. Das sind die Institutionen, mit denen wir erfolgreich arbeiten konnten und mit denen darüber hinaus auch eine Vernetzung der unterschiedlichen staatlichen und nichtstaatlichen Akteure möglich war.

Auch in puncto Geld ist viel passiert – der Außenminister ist darauf eingegangen –: Heute stehen zehnmal mehr Mittel für die zivile Krisenprävention zur Verfügung als im Jahr 2004. Dahinein fällt auch, was wir im Rahmen von internationalen Organisationen leisten, dahinein fällt auch, was wir im Bereich des Klimaschutzes machen; denn wir sind der Meinung, dass zivile Krisenprävention letztlich ein umfassendes Thema ist, das man nicht in einzelne Ressorts filetieren kann, sondern das man in der Gesamtheit betrachten muss. Wenn man den Summenstrich zieht, können wir, so glaube ich, sagen: Es ist viel passiert. Da waren wir sehr erfolgreich.

Immer wieder wird in der öffentlichen Debatte darüber diskutiert, dass wir mehr Aufmerksamkeit für die Arbeit im Bereich der zivilen Krisenprävention brauchen. Das ist richtig; davon bin ich überzeugt. Wer hat denn schon auf dem Schirm, dass durch diese Arbeit beispielsweise im Jahr 2001 in Mazedonien ein Bürgerkrieg zwischen zwei Ethnien verhindert werden konnte? Wer hat denn beispielsweise die Alphabetisierungsoffensive in Afghanistan auf dem Schirm oder die Ausbildung der Sicherheitskräfte dort, wodurch es möglich wird, dass sie selbst ihren Ordnungsrahmen definieren und ausfüllen können? Wer hat das alles im Bewusstsein?

Deshalb wäre es richtig und gut, wenn wir es schaffen würden, einmal im Jahr eine außenpolitische Generaldebatte hier im Bundestag zu führen, um jenseits von konkreten Einsatzmandaten den Blick für die Herausforderungen zu schärfen, mit denen wir konfrontiert sind, und um die Aufmerksamkeit der Menschen auf das zu lenken, was wir hier tun.

Es ist im Übrigen ja nicht so, dass wir altruistisch unterwegs wären, dass das alles ein Selbstzweck wäre, um den es hier geht, sondern wir verfolgen unsere Interessen. Das gilt zum einen auf der negativen Seite: Wir sind konfrontiert mit internationalem Terrorismus; wir sind konfrontiert mit organisierter transnationaler Kriminalität; wir sind konfrontiert mit Flüchtlings- und Migrationsströmen nach Europa und Deutschland. Im Positiven sind wir aber auch die Volkswirtschaft, die mehr als alle anderen internationalisiert und globalisiert ist. Niemand außer uns hat ein so großes Interesse an einer freien, offenen und weitestgehend sicheren Welt. Deshalb geht es um unsere eigenen Interessen. Wir müssen deutlich machen, dass wir deutsche und europäische Interessen in der Welt vertreten und dass es uns darum geht, einen guten Ordnungsrahmen nicht nur in unserem Land, sondern auch darüber hinaus zu schaffen. Darum geht es, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich glaube darüber hinaus, dass wir uns auch im Bereich der zivilen Krisenprävention ähnlich wie beim Einsatz der militärischen Fähigkeiten auf bestimmte Weltregionen konzentrieren müssen. Wir müssen unsere Interessen definieren und unsere Möglichkeiten danach ausrichten. Deshalb ist es, glaube ich, auch richtig, nicht als eine Art Weltpolizei oder als eine Art Weltentwicklungswerk unterwegs zu sein, sondern klare Schwerpunkte in der östlichen und südlichen Nachbarschaft Europas zu setzen. Es geht darum, lokale und regionale Akteure zu stärken, etwa die Afrikanische Union. Das können wir in vielfältiger Art und Weise tun. Es geht, glaube ich, auch darum, dass wir es schaffen, eine noch stärkere Integration der europäischen Staaten in diesem Bereich zu erreichen. Damit sind die Frage der Wirksamkeit und auch die Frage der Glaubwürdigkeit verbunden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden uns in diesen Wochen ganz intensiv damit auseinandersetzen, wie wir es schaffen können, ein Missverhältnis umzukehren. Deutschland tut viel; wir sind der drittgrößte Geber der UN. Gemeinsam mit den anderen EU-Staaten, den USA und Japan finanzieren wir etwa 80 Prozent des Peacekeeping-Budgets der Vereinten Nationen. Umgekehrt haben wir im Moment beim Personal die Situation, dass 70 Prozent der Einsatzkräfte, egal in welchem Bereich, aus Staaten Afrikas, Zentral- und Südasiens kommen. Uns geht es darum, Personal und personelle Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, dass wir unsere Kompetenzen insbesondere im Bereich der zivilen Experten und der Polizeikräfte noch stärker und besser einsetzen können und müssen. Dafür wollen wir in den nächsten Wochen die Voraussetzungen schaffen. Dann sind wir, glaube ich, in der Tat auf einem guten Weg.

Herzlichen Dank, auch für Ihr Verständnis, Frau Präsidentin.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Josip Juratovic, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4552499
Wahlperiode 18
Sitzung 86
Tagesordnungspunkt Aktionsplan "Zivile Krisenprävention"
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta