Dagmar WöhrlCDU/CSU - Aktionsplan "Zivile Krisenprävention"
Frau Präsidentin! Herr Juratovic, herzlichen Dank für Ihre letzten Worte.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dass ein Aktionsplan, der 2004 beschlossen worden ist, jetzt auch für die vierte Koalitionsregierung gilt, zeugt von der Weitsicht dieses Plans, zeigt aber auch seine Notwendigkeit. Es ist schon damals in diesem Plan richtig erkannt worden, dass es wichtig ist, die Krisenprävention als politische Querschnittsaufgabe zu sehen.
Inzwischen hat sich das Konfliktgeschehen vollständig gewandelt. Die Anforderungen an das internationale Krisenmanagement verändern sich fast jährlich, man kann sogar sagen: fast täglich. Es gibt immer mehr bewaffnete Konflikte. Man spricht von über 40 Krisen und Kriegen in der Welt. Dabei werden die Konflikte immer komplexer und die Kriege immer asymmetrischer.
Wir haben weltweit Gewaltausbrüche. Es gibt Menschenrechtsverletzungen in vielen Staaten, egal ob in Syrien, in der Ukraine, in Nigeria, in der Zentralafrikanischen Republik oder im Irak, um nur einige zu nennen. Wir sehen Bilder von Gräueltaten, die uns schockieren und von denen wir uns nicht vorstellen können, dass sie so auf der Welt überhaupt passieren. Damit ist im Laufe der letzten Jahre der Stellenwert, den wir einer zivilen Krisenprävention zumessen, gestiegen. Wir müssen überlegen: Wie bauen wir Strukturen auf, um zu verhindern, dass in fragilen Staaten bewaffnete Konflikte entstehen? Wie können wir zielgerichteter vorgehen? Wie können wir in diesem Bereich lösungsorientierter handeln?
Das Entwicklungsministerium hat die Zukunftscharta „EINEWELT – Unsere Verantwortung“ auf den Weg gebracht. Darin wird richtig gesagt, dass die Ursachen von Gewalt, Fragilität und Unsicherheit nicht allein innerstaatlicher Natur sind, sondern dass viele andere Dinge von außen hineinwirken, dass der „Do No Harm“-Ansatz über die Grenzen der Entwicklungszusammenarbeit hinaus angewendet werden muss. Dafür brauchen wir permanent eine umfassende Akteursanalyse. Wir brauchen immer eine umfassende Konfliktanalyse für jedes Land und jede Region. Wir müssen uns auch mit anderen Themen beschäftigen, egal ob das in diesem Zusammenhang die Handelspolitik, die Agrarpolitik oder die Rohstoffpolitik ist.
(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Ich glaube, wir haben mit unseren Institutionen – das ist angesprochen worden – gute Vorarbeit geleistet: Ziviler Friedensdienst, Zentrum für Internationale Friedenseinsätze, Deutsche Stiftung Friedensforschung, der Beirat für Zivile Krisenprävention, der Ressortkreis Zivile Friedensprävention. Aber hier ist es, wie auch in anderen Bereichen, wichtig, eine bessere Koordinierung der Akteure zu erreichen. Manchmal hat man das Gefühl, jeder arbeitet ein bisschen für sich. Wir müssen die Zusammenarbeit stärker vernetzen. Wir müssen schauen, dass mehr gemeinsam in eine Richtung gearbeitet wird.
Wir machen sehr viel. Die Frage ist, ob es immer genug ist. Genug kann es nie sein. Das Entwicklungsministerium gibt jedes Jahr 500 Millionen Euro aus, um Konflikte, Fragilität und Gewalt zu verhindern. Wir sind auch froh, dass die entsprechenden Titel immer wieder eine Erhöhung erfahren. Aber wir müssen trotzdem schauen – das ist von Ihnen angesprochen worden –: Wie schaffen wir es, zu einem friedenspolitischen Leitbild zu kommen? Ich bin froh, dass das alle Kollegen des Hauses angesprochen haben. Wir müssen uns aber auch fragen: Wie schaffen wir es, zu einem besseren Krisenmanagement und zu einem Frühwarnsystem, das wir mit aufbauen müssen, zu kommen? Das erinnert mich immer an Mali. Da hat man die Warnzeichen zwar erkannt, aber nicht rechtzeitig. Als dann 2012 die Tuareg zu den Waffen gegriffen haben, war es zu spät.
Ich glaube, eine richtig angewandte und nachhaltige Entwicklungspolitik ist auch für die Krisenprävention das Wichtigste. Wir müssen schauen, dass wir zu einer guten Regierungsführung kommen, die die politische Teilhabe aller ermöglicht und nicht nur das nackte Überleben sichert und dabei die Lebensgrundlagen nicht maßlos zerstört. Bildung, Ausbildung, Gesundheitsversorgung, Ressourcen- und Klimaschutz sowie der Aufbau funktionierender Strukturen sind dabei wichtige Aspekte.
Ebenfalls wichtig ist der Aufbau von Sicherheit. Sie ist genauso wichtig wie stabiles und rechtsstaatliches Verwaltungshandeln. Wir müssen effektive und demokratische Strukturen bei der Polizei und beim Militär, angefangen bei der Ausbildung, sicherstellen. Das darf man nicht ausblenden. Das ist alles eins. Diese Bereiche müssen ineinandergreifen.
Wichtig ist auch, Maßnahmen zur Achtung von Menschenrechten zu ergreifen. Die Zivilgesellschaft vor Ort muss stärker eingebunden und stärker als in der Vergangenheit gefördert werden.
Ich möchte noch Folgendes ansprechen: Das schwächste Glied in der Kette sind meist die Frauen und die Kinder. Sie sind von Konflikten am stärksten betroffen, sind aber die wichtigsten Wegbereiter von Frieden. Denken Sie an die erste Friedensnobelpreisträgerin Afrikas, Wangari Maathai, eine wunderbare Frau, die sich friedlich dafür eingesetzt hat, ihr Kenia nach vorne zu bringen. Sie hat mehr erreicht als irgendjemand sonst. Die Erziehung durch die Mütter legt den Grundstein für Frieden und Sicherheit. Deshalb muss dieses Thema in der Entwicklungszusammenarbeit und in der Krisenprävention stärker gewürdigt werden.
(Beifall des Abg. Josip Juratovic [SPD])
Erfolgreiche Gewaltverhütung ist hoch angesehen, aber meist unsichtbar und wenig öffentlichkeitswirksam. Viele Krisen werden im Hintergrund aus dem Weg geräumt, bevor sie für uns überhaupt sichtbar sind oder wir sie spüren. Wer ist denn überhaupt bereit, 1 Euro oder 1 Cent dafür auf den Tisch zu legen? Man spürt es nicht. Man merkt nicht, dass Krisen im Hintergrund beseitigt werden. Es muss erst wehtun. Man wird erst wach, wenn die Flüchtlinge bei uns vor der Tür stehen. Erst dann beginnen wir, über die Situation und deren Ursachen nachzudenken. Aber dann ist es für die Ursachenbekämpfung zu spät. Dann können wir nur noch die Symptome lindern.
Wir wissen, dass es kein Allheilmittel gibt. Deutschland kann die Aufgabe auch nicht allein bewältigen. Deswegen ist es wichtig, dass alle staatlichen, nichtstaatlichen, internationalen und nationalen Akteure ein bestmögliches Zusammenwirken erreichen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und als diese muss sie auch erkannt werden.
Es gilt, unsere Regionalorganisationen – die AU und die OSZE sind bereits angesprochen worden – in der Zukunft zu stärken. Wir haben die Chance dazu, wenn wir 2016 die OSZE-Präsidentschaft übernehmen. Es müssen dann teilweise Reformen durchgeführt werden; auch das muss man in diesem Zusammenhang sehen.
Wenn wir von Übernahme von Verantwortung Deutschlands und darüber, was wir alles wollen, sprechen, dann stellt sich die Frage: Kann man nicht noch mehr tun? Damit beziehe ich mich insbesondere auf die Tatsache, dass 70 Prozent des Personals in der Friedenssicherung aus Staaten Afrikas und Zentral- und Südasien kommen; Herr Frei hat das vorhin angesprochen. An dieser Stelle ist noch viel zu tun. Wir haben die Möglichkeit, uns in diesem Zusammenhang noch viel aktiver einzubringen.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Entwicklungszusammenarbeit und zivile Krisenprävention, ob auf europäischer, internationaler oder lokaler Ebene, sind Teamarbeit. Wir kennen die notwendigen Instrumente zur Sicherung von Frieden und Sicherheit. Es geht nun darum, sie effektiv einzusetzen. Es geht aber auch darum, dass wir sie weiterentwickeln, und zwar jedes Jahr, weil jedes Jahr neue Herausforderungen auf uns zukommen.
In diesem Sinne bedanke ich mich für das Zuhören. Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vielen Dank. – Bevor ich der Kollegin Pfeiffer das Wort gebe, erteile ich der Kollegin Marieluise Beck das Wort zu einer Kurzintervention zum Redebeitrag des Kollegen Juratovic.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4552510 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 86 |
Tagesordnungspunkt | Aktionsplan "Zivile Krisenprävention" |