Sibylle PfeifferCDU/CSU - Aktionsplan "Zivile Krisenprävention"
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ungemein schwierig, Konflikte zu lösen, wenn sie ausgebrochen sind. Deshalb lohnt sich in jedem Fall der Ansatz, die Konflikte gar nicht erst stattfinden zu lassen. Es ist darum wichtig, dass wir diese Debatte heute führen. Ich glaube, es war vor allen Dingen in den letzten Jahren auch Sache der Großen Koalition, über Konfliktprävention zu reden. Das scheint – wenn wir uns einmal umschauen und sehen, wie die Welt aus den Fugen gerät – aktueller denn je. Auf diesem Feld müssen wir arbeiten, um das ein wenig in den Griff zu bekommen.
Ich möchte anhand von drei Beispielen – nachdem wir darüber jetzt schon relativ lange diskutieren – auf Einzelheiten eingehen. Zum Beispiel nenne ich das Thema „Integration von Minderheiten als Krisenprävention“. In diesem Zusammenhang führe ich die Ukraine an. Man kann natürlich trefflich darüber streiten, wer wann welche Schuld auf sich geladen und welchen Fehler gemacht hat. Der große Teil dieses Hauses ist sich aber doch einig, dass der Konflikt maßgeblich von Russland befeuert und in die Region hineingetragen wurde. Das geschah mithilfe von russischen Minderheiten, die den bewaffneten Kampf gegen Kiew – mit direkter, aber auch indirekter Unterstützung des Militärs aus Moskau – suchten.
Was können wir daraus für die Zukunft lernen? Wir können daraus lernen, dass es sehr gut funktionieren würde, wenn es uns gelänge, durch gute Arbeit – auch durch gute Entwicklungszusammenarbeit – Minderheiten zu integrieren. Wir haben gelernt, dass verschiedene Ethnien, Religionsgruppen oder Stämme Quelle für Konflikte sein können, aber nicht müssen. Wenn wir in den Irak schauen und uns den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten ansehen, stellen wir fest, dass wir dort genau dasselbe Problem haben.
Ein wichtiger Punkt für mich in diesem Zusammenhang: Gut integrierte Minderheiten sind weniger empfänglich für Avancen von Akteuren, die Konflikte befeuern. Das ist ein wichtiges Thema unserer Arbeit. Es hat eine politische, eine kulturelle und auch eine religiöse Dimension, und es ist zielführend, das in die Konfliktbearbeitung einzubeziehen.
Zweiter Punkt. Welche Möglichkeiten haben wir als externe Akteure eigentlich, in Konflikten oder in der Krisenprävention tätig zu sein? Mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin, zitiere ich gerne einmal Rainer Nolte. Er ist Referatsleiter im Ministerium für Integration des Landes Baden-Württemberg und hat 2010 gesagt:
Was heißt das für uns? Das heißt, dass wir nie zu einer echten Konfliktpartei werden dürfen. Wenn wir ehrliche und neutrale Makler sein wollen, dann dürfen wir nur die Konflikte begleiten und versuchen, sie zu lösen. Wir dürfen sie aber nie zu unserem eigenen Konflikt machen, weil wir aus diesem Spannungsfeld dann nicht mehr herauskommen würden.
Es ist nicht immer einfach, das durchzuhalten. Das gilt vor allen Dingen für die Neutralität, weil wir natürlich für Werte wie Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Ähnliches stehen. Wenn die Konfliktseiten einseitig ihre Rechte geltend machen, ohne auf diese Werte zu achten, dann ist es manchmal extrem schwer, auch Neutralität zu wahren. Aber genau das ist unsere Aufgabe. Das sage ich vor allen Dingen in dem Wissen, dass die Konflikte nicht von uns gelöst werden können, und ich wiederhole mich: Immer nur die Parteien selber haben die Konflikte zu lösen. Wir können nur unterstützen.
Das bringt mich zum dritten Punkt, den ich ansprechen möchte, nämlich zur zivilen Konfliktlösung. Wir haben es oft erlebt, dass uns die Öffentlichkeit gerade in aufkeimenden oder aktuellen Konflikten unglaublich unter Druck setzt. Sowohl die Bundesregierung als auch wir Bundestagsabgeordnete werden zum umgehenden, aber auch zielführenden Handeln aufgefordert. Es ist manchmal nicht leicht, das zu erfüllen, da die zivile Krisenprävention und die Konfliktlösung eher nachhaltige, langfristige Akte sind, die in der Regel nicht von heute auf morgen möglich sind.
Um den Konflikt in eine bestimmte Richtung zu leiten, muss man dann unter Umständen auch einmal militärische Unterstützung anfordern, und mit sanftem Druck, wie im Falle Russlands, muss man den Willen auch einmal durch Sanktionen – auch Wirtschaftssanktionen – deutlich machen. Im Prinzip brauchen wir aber Zeit, um Konfliktlinien aufbrechen, Diskussionen in Gang setzen und unterstützend und nachhaltig tätig sein zu können.
Ich bin sehr froh, lieber Franz Josef Jung, dass schon 2006 in das Weißbuch des Verteidigungsministeriums aufgenommen wurde – ich zitiere noch einmal mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin –:
Liebe Freunde, das heißt für mich und auch für die Politik, dass zuallererst die zivilen Instrumente eingesetzt werden müssen, bis sie greifen; denn nur sie sind nachhaltig und langfristig, nur sie greifen die gesellschaftlichen, ökonomischen, ökologischen und kulturellen Bedingungen der einzelnen Ethnien in den Ländern auf und wirken in der schnelllebigen Zeit langfristig. Obwohl wir den Konflikten schnell entgegenwirken müssen, müssen wir an Nachhaltigkeit und Langfristigkeit arbeiten. Das ist präventive Arbeit.
Präventive Arbeit können wir als Entwicklungspolitiker sehr leicht betreiben; denn wir versuchen schon im Ansatz, die Ursachen zu bekämpfen. Die Ursachen sind beispielsweise Armut, fehlende Gesundheitsversorgung und mangelnde Bildung. All das betrifft das, was wir in der Entwicklungspolitik als Grundlage unserer Basisarbeit ansehen. Als Entwicklungspolitiker betreiben wir im Rahmen der Entwicklungspolitik per se – egal in welchem Bereich wir tätig sind – aktiv und grundsätzlich zivile Krisenprävention. Das dokumentiert sich zum Beispiel in unserem Haushaltsansatz zur Stabilisierung der Entwicklung Nordafrikas. Wir kennen aber auch die Transformationspartnerschaften. All das ist Entwicklungspolitik auf höchstem Niveau, aber gleichzeitig auch nachhaltige und langfristige zivile Krisenprävention auf allen Gebieten. Es gibt beste Beispiele, die belegen, dass das wirkt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dr. Egon Jüttner, CDU/CSU- Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4554446 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 86 |
Tagesordnungspunkt | Aktionsplan "Zivile Krisenprävention" |