06.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 86 / Tagesordnungspunkt 17

- 13. Sportbericht der Bundesregierung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den Rängen! Ich freue mich ausdrücklich und außerordentlich, dass wir heute in der Kernzeitdebatte 96 Minuten über den Sport diskutieren, die schönste Nebensache der Welt und, wie ich finde, auch eine der wichtigsten Nebensachen der Welt.

Im 13. Sportbericht werden auf über 140 Seiten alle Facetten des Sports beleuchtet. Es gibt viele Anregungen. Ich habe mir einmal drei Punkte herausgesucht, die ich Ihnen gerne heute hier vortragen möchte. Ich fange einmal mit der Rolle der Frau im Sport an; das wird Sie jetzt vielleicht überraschen. Ich komme aber auch noch zu Olympia und zum Anti-Doping-Gesetz.

Lassen Sie mich mit einem Blick auf das Thema „Frauen im Sport“ beginnen. Ich möchte hier den geringen Anteil von Frauen auf der Führungsebene des organisierten Sports ansprechen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Leider muss man über den viel zu geringen Anteil von Frauen in den Spitzenverbänden reden, weil nur etwas mehr als 10 Prozent aller Führungskräfte im deutschen Sport weiblich sind. Als Vizepräsidentin des Deutschen Judo-Bundes, einer männlich dominierten Sportart, weiß ich, wovon ich rede. Obwohl man sich im Sport dieses Problems durchaus bewusst ist, fruchtet die viel beschworene Selbstverpflichtung für das Werben um mehr Frauen in besonderen Positionen nicht. Ich denke, wir müssen da neue Wege gehen, Barrieren in den Köpfen überwinden und möglicherweise, ohne dass Sie jetzt einen Schrecken kriegen, einmal über eine Quote nachdenken.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Ulli Nissen [SPD]: Genau! Super!)

So würde es Frauen ermöglicht, zu beweisen, dass sie diese Funktionen ebenso gut erfüllen, ohne dafür kämpfen zu müssen, besser zu sein als Männer oder nur mindestens genauso gut wie ihre männlichen Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich verweise auf aktuelle Forschungsergebnisse aus der Psychologie: Frauen erhöhen die kollektive Intelligenz einer Gruppe.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur im Sport!)

Insofern können sich die männlichen Kollegen glücklich schätzen, Frauen im Team zu haben. Aber zur Ehrenrettung, meine Herren, es gibt da eine wesentliche Einschränkung: Reine Frauengruppen weisen auch keine höhere Schwarmintelligenz auf, das heißt, gemischte Gruppen sind am stärksten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Was will ich damit zum Ausdruck bringen? Ich mache dem organisierten Sport ausdrücklich keinen Vorwurf. Ich sehe die Bemühungen im organisierten Sport für Frauen und unterstelle niemandem eine Absicht. Aber wenn im Sport der Anteil der Frauen in der Gesellschaft nicht repräsentiert ist, dann, finde ich, stimmt da etwas nicht. Da geben Sie mir doch sicherlich recht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielleicht sind es aber immer noch verkrustete Strukturen, die es nicht erlauben, dass Frauen in diese Führungspositionen aufrücken können. Ich weiß es nicht, aber wir müssen wirklich dranbleiben. Darum bitte ich auch meine Kolleginnen in den Führungsgremien des DOSB und in den Spitzenverbänden: Wir müssen wirklich mehr dafür arbeiten. Es läuft gut im deutschen Sport, keine Frage. Aber mit mehr Frauen in Führungspositionen liefe es vielleicht noch etwas besser.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Ich bin dafür!)

– Das dachte ich mir.

Kommen wir zum zweiten Punkt: zur Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Spiele in unserem Land. Wir haben für die Spiele 2024 oder möglicherweise 2028 mit Hamburg und Berlin bzw. Berlin oder Hamburg zwei richtig gute deutsche Bewerberstädte. Ungeachtet der noch ausstehenden Entscheidung des deutschen Sports, der sich in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung des DOSB am 21. März in der Paulskirche in Frankfurt für eine der beiden Städte aussprechen wird, steht bereits jetzt fest, dass wir die deutsche Bewerbung Berlins oder Hamburgs bzw. Hamburgs oder Berlins unterstützen wollen.

Ich möchte zwei Vorteile der deutschen Bewerberstädte bzw. zwei Vorzüge, die unser Land für die Bewerbung um die Olympischen Spiele und Paralympischen Spiele aufzuweisen hat, besonders hervorheben. Da wäre einmal – das haben wir heute schon mehrfach gehört – „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“. Das sind mit fast 800 000 Schülern nicht nur die größten Schulsportwettbewerbe weltweit, sondern auch mögliche Talentschmieden für Olympia und Paralympics. Die Finalwettkämpfe der Schulen bieten gute Chancen, junge Talente zu entdecken, und stellen eindeutig einen Pluspunkt der deutschen Bewerbung dar.

Als dritter Punkt ist hier natürlich unser Anti-Doping- Gesetzentwurf zu nennen, den die Koalition auf den Weg gebracht hat. Der von Thomas de Maizière und Heiko Maas vorgelegte Entwurf, für den übrigens – das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden – die SPD-Bundestagsfraktion schon seit Jahren gestritten hat,

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir auch!)

bietet die gesetzliche Grundlage im Kampf gegen Doping für einen fairen Sport.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem Gesetz unterstützen wir die vielen Athletinnen und Athleten, die einen ehrlichen Wettkampf führen. Damit schützen wir die Integrität des sportlichen Wettbewerbs und kämpfen für einen fairen und sauberen Sport sowie gegen Doping und gegen Manipulation. Ein nationales Anti-Doping-Gesetz ist ein weiterer Vorteil und ein Alleinstellungsmerkmal der deutschen Bewerbung für die Olympischen Spiele. Unsere Initiative für ein Anti-Doping-Gesetz zeigt, wie wichtig uns in Deutschland ein fairer und sauberer Sport ist und wie wichtig es ist, für faire und saubere Sportveranstaltungen und Sportwettbewerbe zu sorgen.

Ich möchte es nicht versäumen, an dieser Stelle die Ausrichtung von Olympischen und Paralympischen Spielen in Deutschland hervorzuheben. Aus Sicht der Athletinnen und Athleten ist es das Größte, das eigene Land bei der prominentesten Sportveranstaltung, den Olympischen Spielen, zu vertreten. Es ist oftmals die Erfüllung eines lebenslangen Traums, für den Schweiß und Tränen vergossen wurden.

Der bundesweite Nutzen von gelungenen Olympischen und Paralympischen Spielen besteht meiner Meinung nach in erster Linie in der positiven Außenwirkung. Wir erinnern uns alle an das Sommermärchen 2006. Die Deutschen waren kollektiv in Jubelstimmung. Wir hatten eine wunderbare Gemeinschaft; das war einfach großartig. Aber auch unser Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft im vergangenen Jahr und das überzeugende Fair Play haben das Bild der Deutschen in der Weltöffentlichkeit, wie ich denke, nachhaltig verändert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das war die Multikultimannschaft von Löw!)

Darüber hinaus erfahren Sportvereine gerade in den Austragungsländern regen Zulauf, und zwar in allen Altersklassen. Jeder in unserem Land hat etwas von Sportgroßveranstaltungen, sei es der besondere Spirit von Olympischen Spielen, die ansteckende Begeisterung der Menschen oder einfach nur die vermehrte Sanierung von Sportstätten. Das ist gut für dich, für mich, für uns alle und eben auch für unsere Vereine.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aus den genannten Gründen ist es nur konsequent, dass die Bundesregierung auch künftig deutsche Bewerbungen befürwortet. Das stärkt den Standort Deutschland als Sportnation und ein bisschen auch als Wirtschaftsnation.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wage ich zu bezweifeln!)

Zusammen mit dem organisierten Sport will sich die Bundesregierung für faire und nachhaltige Standards bei der Vergabe von internationalen Sportgroßveranstaltungen einsetzen.

Dazu will ich eine grundlegende Anmerkung machen, die trivial scheinen mag, aber zentral für das Verständnis ist. Das Problem der Vergabe von internationalen Sportgroßveranstaltungen, wie wir es mit Sotschi erlebt haben oder aktuell mit Katar erleben, wo man es mit den Menschenrechten, mit fairer Arbeit und mit Umweltschutz nicht so genau nimmt, ist ein internationales. Unsere politische Handlungskompetenz beschränkt sich logischerweise nur auf Deutschland; vereinfacht gesagt: internationale Problemlage und nationale Handlungsmacht.

Nun könnte man den Schluss ziehen, dass zum Beispiel eine internationale Initiative wie die aktuelle Re-formagenda 2020 des IOC das Problem bei der Vergabe internationaler Sportgroßveranstaltungen lösen könnte. Diese Reform ist sicherlich ein erster und wichtiger Schritt für die Glaubwürdigkeit des organisierten Sports. Ich glaube aber fest daran, dass auch eine nationale Strategie eine positive Wirkung entfalten kann.

Ein gutes Konzept für eine nachhaltige Veranstaltung kann ein Vorbild sein, dem andere Staaten folgen, genauso wie eine transparente und nachvollziehbare Bewerbung für eine Sportgroßveranstaltung. Die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur zum Beispiel bei unserer hoffentlich erfolgreichen deutschen Bewerbung – und ich bin fest davon überzeugt, dass sie erfolgreich sein wird – ist dafür ein gutes Mittel. Aber der mögliche Neubau von Sportstätten und Wohnquartieren ist mindestens genauso wichtig. Das alles muss aber in einem sozialen Kontext stehen und – unter der Prämisse sozialer Gerechtigkeit und der Förderung des Sports für alle Bevölkerungsgruppen – der Gemeinschaft zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der SPD)

Da meine Redezeit abgelaufen ist, komme ich zum Schluss. Ich finde es sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass es nur demokratischen Staaten möglich ist, Demokratie und Sport zusammenzubringen und Sportgroßveranstaltungen wirklich gut auszurichten.

Ich drücke beiden Städten die Daumen, wer auch immer sich am 21. März durchsetzt. Sie sind beide gute Bewerber.

Für uns alle gilt – das ist mein Schlusssatz –: Wir müssen auch im Sport ein bisschen mehr Demokratie wagen, und dann werden wir sehen, was dabei herauskommt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Monika Lazar, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4554625
Wahlperiode 18
Sitzung 86
Tagesordnungspunkt 13. Sportbericht der Bundesregierung
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