Klaus-Peter WillschCDU/CSU - Konversion der Rüstungsindustrie in zivile Wirtschaft
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Frau Kunert, um es gleich vorweg zu sagen: Wir wollen das nicht. Wir wollen, dass wir eine starke Bundeswehr haben. Ich bin stolz auf unsere Bundeswehr und die Leistungen, die sie vollbringt.
(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Und auf die Rüstungsindustrie sind Sie auch stolz!)
Wir wollen, dass unsere Bundeswehr auch mit den technologischen Fähigkeiten, die in Deutschland entwickelt und weiterentwickelt werden, kämpfen kann, wenn es notwendig ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der LINKEN: Ohne Sinn und Verstand!)
Uns liegt – in neuem Gewand – ein Antrag vor, der sich eigentlich um den Export von Rüstungsgütern dreht. Einmal mehr versuchen Sie hier, ein Bild zu zeichnen, als würden wir leichtfertig in der ganzen Welt Waffen und technologische Fähigkeiten verbreiten.
(Zuruf der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])
Sie wissen ganz genau, dass das Gegenteil der Fall ist.
(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Ja, ja!)
Wenn Sie im westlichen Bündnis bündnisfähig bleiben wollen – das ist notwendig für Deutschland, weil wir die Sicherheit alleine nicht gewährleisten können –, dann müssen Sie natürlich auch technologisch etwas zu bieten haben, gerade als Hochtechnologiestandort, der Deutschland ist.
(Katrin Kunert [DIE LINKE]: A400M! Jäger 90! Wie die hochtechnologisch ausgestattet sind!)
Es ist abenteuerlich, hier eine Deindustrialisierung zu fordern, zu fordern, dass man in irgendeinen Kuschelzustand kommt.
Wenn wir technologisch spitze sind und im Bereich der Sicherheits- und Wehrindustrie über Können verfügen, dann müssen wir das fördern. Wir müssen der Industrie auch gelegentlich beim Export helfen, weil die Abnahme im eigenen Land nicht hinreichend ist, um Kernfähigkeiten zu erhalten.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage ist nur: Wohin? – Katrin Kunert [DIE LINKE]: A400M ist ein Exportschlager?)
Sie wissen genau, dass alle Entscheidungen über den Export von Rüstungsgütern Einzelfallentscheidungen sind, dass sie in einem dichten Netz rechtlicher Regulierungen gefällt werden und dass wir weder in Gebiete liefern, in denen ein Angriffskrieg droht, noch in Länder, bei denen ein hinreichender Verdacht besteht, dass die Güter zum Zwecke der Repression oder für sonstige Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Saudi-Arabien!)
– Wenn Sie ein bisschen Dinge zur Kenntnis nehmen und aufpassen würden, könnten Sie klüger reden. Sie wissen, dass wir in Saudi-Arabien mit den Rüstungsgütern im Wesentlichen dafür Sorge tragen, dass die Grenzen gesichert werden können, was ein selbstverständliches Recht eines jeden Staates ist. Das hat eine ausgesprochen friedensstiftende Wirkung. Viele der Konflikte, die wir gegenwärtig in Afrika erleben, hängen damit zusammen, dass Grenzen nicht kontrolliert werden können und nicht geachtet werden, dass Grenzen dort willkürliche Linien sind, die nicht vernünftig kontrolliert werden können.
Wenn Sie weiter aufgepasst hätten, wüssten Sie auch, dass wir mit der Verstärkung des Schiffseinsatzes im Bereich der Küstenwacht einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die internationalen Handelswege, der internationale Seeverkehr, vor Bedrohungen durch Piraten, Salafisten und allen möglichen anderen Hasardeure und Verbrecher, die dort unterwegs sind, geschützt sind. Das ist für Deutschland natürlich ein ganz wesentlicher Punkt. Als eine führende Welthandelsnation sind wir auf freie Handelswege angewiesen. Dazu müssen wir einen Beitrag leisten. Wenn das mit deutscher Technologie geschehen kann – deutsche Technologie wird nachgefragt; wir drängen sie niemandem auf –, dann bin ich als deutscher Abgeordneter stolz darauf. Genauso wie wir in anderen Hochtechnologiebereichen weltweit führend sind und deshalb die Produkte, ob Autos oder Werkzeugmaschinen, einen reißenden Absatz finden, sind wir auch in dem Bereich gut. Dass wir in der Handelsstatistik nur Dritte sind, zeigt, dass wir sehr zurückhaltend damit umgehen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uns kommen die Tränen!)
Sonst würden wir den Kampf um Platz eins und zwei mit den USA und der Sowjetunion sicher leicht aufnehmen können.
(Katrin Kunert [DIE LINKE]: Russland! Russland! Das ist Russland!)
Die politischen Grundsätze, nach denen wir das alles handhaben, sind übrigens in rot-grüner Regierungszeit aufgestellt worden. Diese gelten nach wie vor. Sie wissen, dass es in diesem Bereich wie auch generell in der Außenpolitik bei uns eine bemerkenswerte Kontinuität gibt.
(Zuruf von der LINKEN)
Es geht um Ihr grundsätzliches Nein zum Militär, zumindest für Deutschland. Ob Sie das in anderen Teilen der Welt genauso sehen, weiß ich nicht.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Unverschämtheit!)
Ich erinnere mich noch an viele Äußerungen von Ihren Vorgängerorganisationen – die man ohne Probleme als fünfte Kolonne der Sowjetunion hier im Land bezeichnen konnte –, die alles Mögliche, was an Interventionen, an Menschenrechtsunterdrückung seitens der Sowjetunion in der Welt stattfand, fröhlich bejubelt haben und ansonsten hier das Geschäft im ideologischen Kampf für die falsche Seite besorgt haben.
(Katrin Kunert [DIE LINKE]: Reden Sie mal zum Antrag!)
Ich will Ihnen zeigen, wie weit wir mit unserer Zurückhaltung gehen. Nehmen Sie als Beispiel die Republik China, Taiwan – ein freies Land, ein Leuchtturm der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Asien. Wir liefern nicht dorthin. Die USA tun es, und zwar – das will ich dazu sagen – glücklicherweise; denn sonst hätte Taiwan wahrscheinlich schon das gleiche traurige Schicksal wie Tibet ereilt.
Ich will Sie, wenn Sie hier im Bundestag immer wieder diese Platte auflegen, auch daran erinnern, was Ihre Kollegen vor Ort in Wolgast dazu gesagt hätten, wenn der Auftrag für die Grenzpatrouillenschiffe für Saudi- Arabien nicht gekommen wäre. Dann wären dort die Lichter ausgegangen, und die Werft wäre heute geschlossen.
(Karin Binder [DIE LINKE]: Darum geht es ja! Um Konversion! Damit die Lichter nicht ausgehen!)
– Natürlich geht es darum. – Sie müssen sich einfach daran gewöhnen, dass die Wirklichkeit – auch wenn Sie sie immer wieder abstreiten – mächtiger ist als Ihr Gerede. Sie müssen den alten Grundsatz beherzigen: Schauen Sie sich die Wirklichkeit an, dann sehen Sie, was nottut.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Ihre Wirklichkeit ist auch ein bisschen schief!)
Wir haben gegenwärtig eine Situation, in der wir uns über einen Mangel an außenpolitischen Brennpunkten nicht beklagen können.
(Katrin Kunert [DIE LINKE]: Wissen Sie eigentlich, was Sie da reden?)
Es gab einen Angriff auf die Ukraine mit der Annexion der Krim, und es gibt eine anhaltende Destabilisierung der Ostukraine. Dort kämpfen russische Kräfte. Dies wäre wahrscheinlich nicht passiert, wenn sich die Ukraine seinerzeit nicht darauf eingelassen hätte, gegen Garantie auf die eigenen Atomwaffen zu verzichten.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ach!)
Dann wäre solch ein Angriff nicht so leicht erfolgt.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Atomwaffen für alle, oder was ist das?)
Wir erleben, dass wir vor gewaltigen Herausforderungen in puncto Sicherheit und Verteidigung stehen. Wenn wir nach Afrika schauen, wenn wir in den Mittleren Osten schauen, sehen wir, mit welcher Brutalität und Rigorosität dort Kräfte wie IS, Boko Haram und andere vorgehen, die – wie hat es Cem Özdemir gesagt? – wahrscheinlich nicht in einem Stuhlkreis zu bewegen sind, sondern nur mit Waffengewalt. Sie können weiter Ihre Träume von Pflugscharen und Winzermessern träumen. Sie werden dort mit Pflugscharen und Winzermessern nichts erreichen. Sie werden das Schwert und das Feuer brauchen, um das zu beenden.
Ich will, um das Thema noch etwas auszuweiten, sagen, dass wir uns überlegen müssen, ob wir eigentlich für die Verteidigung genug tun. Ich bin den Kollegen von der CSU – leider ist in dieser Debatte kein CSU-Redner angemeldet – dankbar, dass sie auf ihrer Klausurtagung dieses Thema in den Mittelpunkt gerückt haben. Wir sind von unserer Verpflichtung, die wir in der NATO eingegangen sind, 2 Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben, weit entfernt. Wir erleben, dass Länder wie Schweden und Finnland, die immer der klassische Inbegriff von sogenannten Friedensländern waren, die wenig Wert auf militärische Stärke gelegt haben, darüber nachdenken und auch schon darangehen, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, weil die Bedrohung in der Welt größer geworden ist.
(Karin Binder [DIE LINKE]: Ja, die Russen kommen!)
In einer solchen Situation kommen Sie mit dem Vorschlag, dass wir unsere Rüstungsindustrie abschaffen sollen. Wir sind stolz und froh, dass wir sie haben. Wir versuchen, ihr zu helfen, wo wir können.
(Katrin Kunert [DIE LINKE]: Das kriegen wir mit im Ausschuss!)
Wir dürfen nicht zulassen, dass wir schutzlos werden und dass wir keine Bündnisfähigkeit mehr haben.
Letzter Gedanke. Wir alle miteinander haben im Januar des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz gedacht. Auch diese Befreiung ist nicht mit Pflugscharen oder was weiß ich was durchgeführt worden, sondern von einer kampfkräftigen Armee. Da schlägt es dem Fass den Boden aus, dass von Ihnen, wenn wir sehen, wie der französische Präsident Hollande und unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel momentan versuchen, eine Friedenslösung für die Ukraine hinzubekommen, der Vorschlag kommt, dass Putin zum 70. Jahrestag des Kriegsendes vor diesem Haus reden soll. Das schlägt dem Fass wirklich den Boden aus und zeigt, dass Sie nichts aus der Geschichte gelernt haben, sondern – im Gegenteil – so wie Ihre Vorgängerpartei nach wie vor als fünfte Kolonne Moskaus zu bezeichnen sind.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der LINKEN – Zurufe von der LINKEN: Oh, super! – Sehr originell! – Törö!)
Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Katharina Dröge, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4554797 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 86 |
Tagesordnungspunkt | Konversion der Rüstungsindustrie in zivile Wirtschaft |