Ingbert LiebingCDU/CSU - Konversion der Rüstungsindustrie in zivile Wirtschaft
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Fraktion Die Linke ausgesprochen dankbar für diesen Antrag;
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Gern geschehen!)
denn er dokumentiert eindrucksvoll, wie weit entfernt von der Wirklichkeit Sie Ihre Politik in diesem Land und in der Welt gestalten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dieser Antrag dokumentiert, dass Sie alles andere als regierungsfähig sind.
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Sie haben nur Angst! Das ist alles!)
Dies sollte für die Sozialdemokraten und die Grünen Anlass sein, alle Gedankenspiele über eine gemeinsame Politik mit Ihnen zu beenden. Die Vorschläge in Ihrem Antrag stellen unsere nationalen Sicherheitsinteressen infrage und sind damit verantwortungslos. Dass Sie diesen Antrag stellen, verwundert nicht, da Sie schon lange die Auflösung der NATO in Ihrem Programm haben.
(Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Man mag ja von einer Welt ohne Krieg träumen, aber die Wirklichkeit sieht nun einmal anders aus. Wir wissen: Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit. Im Moment erleben wir das Gegenteil. Gerade die jüngste Vergangenheit zeigt doch, dass wir in verschiedenen Regionen der Welt eine zunehmende Radikalisierung mit kriegerischen Auseinandersetzungen erleben müssen: Der Irak, Syrien und viele Regionen Afrikas sind dafür traurige Beispiele.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was waren denn die Ursachen? – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Und deutsche Waffen sind überall dabei!)
Aber nicht die Waffen sind dafür die Ursache, sondern die Tatsache, dass Menschen glauben, anderen Menschen und anderen Völkern ihre Ideologie oder ihre Religion aufzwingen zu können. Das ist die Ursache, die wir angehen müssen, um ein friedliches Miteinander, Toleranz, die Achtung weltweiter Menschenrechte, Religionsfreiheit und den Schutz von Minderheiten durchzusetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Katja Keul [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aha!)
Darüber haben wir ja auch heute Morgen hier im Plenum diskutiert.
Die Bundesregierung und wir als Unionsfraktion stellen uns dieser Aufgabe. Dabei brauchen wir keine Nachhilfe von den Linken.
(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Jawohl! – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Oh doch!)
Aber solange es diese Auseinandersetzungen in vielen Regionen dieser Welt gibt, muss das oberste Gebot sein, die Sicherheit und das Leben der Menschen zu schützen, die bedroht sind. Dazu bedarf es auch der eigenen Wehrhaftigkeit.
Dafür haben wir hier in Deutschland die Bundeswehr mit ihren Fähigkeiten. Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir weltweit Krisen eindämmen und für Sicherheit sorgen. Die Initiative der Linken zur Abschaffung der wehrtechnischen Industrie in Deutschland gefährdet genau diese nationalen Interessen.
Es liegt in unserem nationalen Interesse, dass wir entscheiden, welche Ausrüstungsgegenstände die Bundeswehr braucht. Wir können es nicht allein einem Markt überlassen, auf dem wir die Ausrüstungsgegenstände der Bundeswehr beschaffen. Dies würde uns von anderen abhängig machen. Sicherheitstechnische Ausrüstung lässt sich nun einmal nicht von der Stange kaufen oder im Onlineshop erwerben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nein, wir selbst müssen im eigenen Land in der Lage sein, die Ausrüstungsgegenstände und Technologien zu beschaffen, die unsere Armee braucht. Dabei ist es sinnvoll, dies in guter Kooperation gemeinsam mit unseren Partnern in der EU und in der NATO zu tun, aber eben nicht in Abhängigkeit von anderen.
Die Beschränkung der wehrtechnischen Industrie allein auf die Ausrüstung der Bundeswehr greift dabei aber zu kurz. Allein von Aufträgen der Bundeswehr kann kein wehrtechnisches Unternehmen leben. So ist die deutsche wehrtechnische Industrie bereits heute zu circa 50 bis 70 Prozent vom Export abhängig.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)
Dabei unterliegt der Export von Rüstungsgütern sehr hohen Hürden. Die Richtlinien, die schon angesprochen worden sind, stammen aus dem Jahr 2000. Sie gelten nach wie vor. Sie wurden von einer rot-grünen Regierung beschlossen.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja, leider!)
Auf dieser Basis erfolgen heutige Entscheidungen über Rüstungsexporte. Ich denke, dass diese Richtlinien, von Rot-Grün eingeführt, nicht unter dem Verdacht stehen, nur einseitig wirtschaftliche Interessen zu bedienen. Das Gegenteil ist der Fall.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die wehrtechnische Industrie stellt sicherlich einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor dar. Die Arbeitsplätze in den Unternehmen sind wichtig und zum Beispiel gerade in den Küstenländern mit den Werften nicht zu verachten. Der Marineschiffbau ist für viele Werften eine wichtige wirtschaftliche Grundlage. Aber die Sicherung der Arbeitsplätze ist eben nicht das entscheidende Argument für die wehrtechnische Industrie.
Entscheidend dafür, nationale wehrtechnische Schlüsseltechnologien und erforderliche industrielle Kapazitäten zu erhalten, sind sicherheitspolitische Ziele. Sie ergeben sich aus einer Reihe von Gründen. Deutschland braucht die Möglichkeit, die Ausstattung der Streitkräfte im eigenen Land und im Bündnis gemeinsam mit den strategischen Partnern selbst sicherzustellen.
Es geht auch darum, dass wir unsere eigene rüstungstechnische Reaktionsfähigkeit auf sicherheitspolitische Veränderungen erhalten. Nur mit einer eigenen nationalen Rüstungsindustrie können wir im Rahmen der europäischen und der transatlantischen Rüstungsbeziehungen eigene Interessen einbringen. Nur wer etwas einzubringen hat, der kann in Verhandlungen seine Position erfolgreich vertreten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ohne all diese Fähigkeiten würden wir in Abhängigkeiten geraten, die nicht in unserem nationalen Interesse liegen können.
Die Wehrtechnik in Deutschland ist leistungsfähig. Diese 200 Unternehmen stehen für hohe technologische und ökonomische Kompetenz. Die Zahl von 200 Unternehmen belegt auch die mittelständische Struktur der wehrtechnischen Industrie. Es gibt keineswegs eine Konzentration auf wenige Großkonzerne. Dies alles könnenund dürfen wir nicht aufs Spiel setzen und gefährden, wie es die Fraktion Die Linke in ihrem Antrag fordert.
Kollege Liebing, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Keul?
Ja, bitte.
Bei all dem Stolz, Herr Kollege, auf die Leistungen der deutschen Rüstungsindustrie frage ich mich: An was denken Sie da konkret? A400M oder NH90, Euro Hawk oder G36?
(Beifall bei der LINKEN)
Aber ich hatte mich gemeldet, weil Sie eben in der Frage der Entwicklung von Rüstungsgütern völlig zu Recht sicherheitspolitische Erwägungen vorrangig betont haben. Deswegen frage ich Sie, warum Sie dann dagegen sind, dass wir dieses Thema im Verteidigungsausschuss unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten debattieren, und auf Überweisung in den Wirtschaftsausschuss bestehen, obwohl wir doch sinnvollerweise sagen müssten: Im Verteidigungsausschuss ist dieses Thema richtig.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Es ist gar keine Frage, dass es hier zu Überschneidungen der verschiedenen Themenbereiche kommt. Aber der Antrag der Linken ist so formuliert, dass er auf ein wirtschaftliches Programm hinausläuft.
(Katrin Kunert [DIE LINKE]: Nein!)
Bei diesem Antrag zu Rüstungskonversion und Wirtschaftsprogrammen ist es logisch, ihn federführend in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Katrin Kunert [DIE LINKE]: Nein! Dann haben Sie ihn nicht gelesen!)
Der Antrag der Linken fordert auch ein Konversionsprogramm. Mit der Umstrukturierung der Bundeswehr werden zunehmend Liegenschaften frei. Es ist seit vielen Jahren ein gängiges Geschäft, für angemessene Nachfolgelösungen zu sorgen. Dabei geht es nicht nur um Geld. Schließlich gibt es einzelne ehemalige militärische Liegenschaften in attraktiven Innenstadtlagen, bei denen es überhaupt keine Probleme bei der Nachfolgenutzung gibt. Andererseits gibt es aber auch sogenannte Einödstandorte, bei denen die Verwertung schon schwieriger wird. Hier müssen alle Beteiligten zusammenwirken. Die Standortgemeinden brauchen Unterstützung. Wir leisten sie mit unserer Konversionspolitik.
Wie es aber nicht laufen sollte, erlebe ich an einem Beispiel in meinem eigenen Wahlkreis. In Leck hat die Bundeswehr einen Militärflugplatz aufgegeben. Die Gemeinde hat ein attraktives wirtschaftliches und gewerbliches Nachfolgenutzungskonzept entwickelt. Es gibt Interessenten, die sich dort ansiedeln wollen. Was aber macht die Landesregierung in Kiel? Der Umweltminister stellt diesen Flugplatz erst einmal vorläufig unter Naturschutz sicher. Das ist natürlich eine tolle Konversion hin zu ziviler Nachfolgenutzung und wirtschaftlicher Entwicklung. Die Leute dort sprechen von „Wolferwartungsland“, was dort geschaffen wird. Ich stelle mir Konversion anders vor.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Antrag der Linken ist kein ernsthafter Beitrag zur Lösung der Probleme unserer Zeit, weder sicherheitspolitisch noch wirtschaftspolitisch. Er dokumentiert, dass wir hier eben grundsätzlich unterschiedlicher Auffassung sind.
Es ist gut, dass die Koalition aus Union und SPD sich in ihrem Koalitionsvertrag zu einer innovativen leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie bekennt. Deswegen wollen wir ausgewählte Schlüsseltechnologien erhalten und industrielle Fähigkeiten in unserem Land in diesem Sektor bewahren. Dies alles wird jetzt regierungsintern ressortübergreifend in eine umfassende Strategie gegossen, mit der wir unserer Verantwortung in diesem sensiblen Bereich gerecht werden. Der Antrag der Linken ist dazu kein reeller Beitrag, und deswegen werden wir ihn auch ablehnen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort hat der Kollege Karl-Heinz Brunner für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4554867 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 86 |
Tagesordnungspunkt | Konversion der Rüstungsindustrie in zivile Wirtschaft |