Barbara LanzingerCDU/CSU - Kulturtourismus in den Regionen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher! Fast genau vor einem Jahr haben wir an dieser Stelle die erste tourismuspolitische Debatte geführt, und wir konnten schon damals feststellen: Der Tourismus boomt in Deutschland. Heute, ein Jahr später, sehen die Zahlen sogar noch besser aus. Sie, Kollegin Hiller-Ohm, haben es schon erwähnt. 2014 war das fünfte Rekordjahr in Folge für den Tourismus in Deutschland: 423 Millionen Übernachtungen in deutschen Beherbergungsbetrieben, ein Zuwachs um 11 Millionen oder 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist eine tolle Leistung auch der Betriebe, die dazu beigetragen haben. Das heißt, der Tourismus ist ein wirkliches Zugpferd für die Wirtschaft in Deutschland.
Wie ich bereits in meiner Rede vor einem Jahr festgestellt habe, brummt es vor allem in den Städten. Ich sage ganz bewusst: Es brummt in den großen Städten. Wir wissen aus vielen Aussagen, dass es manchen oftmals schon fast zu viel wird, dass die Städte klagen, dass sie zu viele Besucherinnen und Besucher haben und die Menschen die großen Städte regelrecht überrennen, wohingegen sich der ländliche Raum zwar sehr gut behauptet, aber es dennoch schwer hat, das Besucherpotenzial auszuschöpfen.
Eine Idee hatten wir damals schon angerissen. Wir haben sie im Laufe des Jahres weiterentwickelt. Es ist die Idee, wie wir den Ansatz, der im Koalitionsvertrag verankert ist, nämlich eine Initiative für den Kulturtourismus zu entwickeln, mit Leben erfüllen können. Es muss uns gelingen, die Unverwechselbarkeit, die Besonderheiten der ländlichen Räume – wir haben sie Regionen genannt, aber der ländliche Raum gehört dazu – zu stärken und den Begriff des klassischen Kulturtourismus zu erweitern.
Deshalb hat unser Antrag den Titel „Kulturtourismus in den Regionen – ich füge hinzu: in den ländlichen Regionen – weiterentwickeln“. Baugeschichtliches Erbe, kulturelle Veranstaltungen, Sehenswürdigkeiten, Kleinode sollen mit regionalen gastronomischen und handwerklichen Traditionen und den einzigartigen Landschaften eine Art Symbiose eingehen. Dieser Gedanke steht hinter unserem Antrag. Es geht also um, so haben wir es auch formuliert, Kulturgenuss „mit allen Sinnen“, mit den Augen, mit dem Gaumen, mit allem, was dazugehört.
Der französische Schriftsteller Marcel Proust sagte einmal:
Genau das wollen wir tun; das ist der Kern unseres Antrags: mit neuen Augen betrachten und schauen, dass wir Potenziale heben, die oft noch nicht ausgeschöpft sind. Insofern, liebe Frau Staatssekretärin Gleicke, freuen wir uns natürlich, dass Sie und Ihr Ministerium unsere Idee aufgegriffen haben. Ich darf hinzufügen: Nicht immer sind die Wege zwischen Ministerium und Parlament so kurz.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ihr Vorstoß ist jedoch nur ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wichtig ist jetzt, hier nicht stehen zu bleiben, sondern eine Breitenwirkung anzustoßen. Um eine echte Schubkraft für unsere so wertvollen ländlichen Räume zu entwickeln, brauchen wir nämlich mehr als bloß eine Bestandsaufnahme und Best-Practice-Beispiele.
Frau Kassner, unser Antrag enthält alle Gesichtspunkte, die Sie angerissen haben. Sie haben zum Beispiel die Kommunen angesprochen. Das, was die Koalition für die Kommunen in den letzten Monaten getan hat, ist schon enorm. Das sollten Sie auch so sehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Schauen wir einmal genau, was ankommt!)
– Es kommt immer darauf an, wie die Kommunen das umsetzen.
Wir fordern einen Bundeswettbewerb, in dem sich die Akteure vor Ort zusammenschließen und gemeinsam bewerben können. Denn schon aus den Vorarbeiten zu diesem Wettbewerb – Frau Staatssekretärin, ich würde das Ganze gern weiterentwickeln – können neue Ideen erwachsen, die den teilnehmenden Regionen neue Perspektiven eröffnen. Wenn man sich für diesen Wettbewerb bewirbt, können schon im Vorfeld über Landesgrenzen hinweg gemeinsam Vermarktungsideen entwickelt werden, um dann über noch festzulegende Zeiträume die Vermarktung aufzubauen und letztendlich auszuwerten. Das bietet die Chance, Alleinstellungsmerkmale herauszubilden und neue, vor allem auch grenzübergreifende Kulturregionen zu entwickeln.
Wichtig ist, dass wir genau dort ansetzen, wo eben noch keine gelungene Vernetzung und Vermarktung stattfinden. Ich denke da zum Beispiel an die Oberpfalz – wie fast jeder habe auch ich einen Werbeblock –, die ich besser kenne als viele andere Regionen. Die Oberpfalz grenzt an Franken mit seinen barocken Klöstern, mit seinen Bergfesten, mit Zoiglwirtschaften. Hinzu kommt die Nähe zu Tschechien mit den Kurbädern Karlsbad und Marienbad und auch zu größeren Städten. Die einzelnen Orte an sich sind wunderbar, funktionieren aber isoliert nicht unbedingt als Publikumsmagnet. Wenn es gelänge, dort eine bessere Vernetzung herzustellen, könnten wir ganze Gegenden besser erschließen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich möchte es aber nicht bei den Gegenden belassen, die ich gerade genannt habe. Beispiele für Gegenden, die wir stärken können, wenn wir Kirchturmdenken überwinden, lassen sich überall in Deutschland finden, zum Beispiel im südöstlichen Niedersachsen und im westlichen Sachsen-Anhalt oder am nördlichen Niederrhein, wo es zwar schon viel Gutes gibt, wo man aber noch viel Neues erschließen könnte.
Das alles hat auch viel mit dem Bild zu tun, das die Menschen von einer Gegend haben. Ich möchte, dass wir mit unserer Initiative dazu beitragen, Bilder entstehen zu lassen, die sich aus der Zusammenschau der verschiedenen kulturellen, gastronomischen und landschaftlichen Aspekte formen, gerade da, wo ein solcher Zusammenhang noch nicht gesehen wird oder noch nicht deutlich erkennbar ist.
Wir müssen noch viel tun – da gebe ich Ihnen recht –, gemeinsam mit den Ländern, in denen es schon viele gute Ansätze gibt. Ich verweise auf die Dachmarke Kulturland Brandenburg.
(Beifall des Abg. Stefan Zierke [SPD])
Hier müssen wir auch durch einen regelmäßigen Austausch für mehr Vernetzung sorgen. – Ich versuche halt einmal, alles ein bisschen einzubinden.
(Heiterkeit)
Was wir auf Bundesebene tun können, ist, Anreize für eine bessere Kooperation und Vernetzung auf lokaler und regionaler Ebene zu setzen, gerade auch bei den Förderstrukturen. Wir brauchen Modellregionen in jedem Bundesland, um auf unterschiedliche regionale Besonderheiten eingehen zu können. Darum bitte ich Sie, das mit zu berücksichtigen. Natürlich brauchen wir die Zusammenarbeit mit den Bundesländern, um mit ihnen zu prüfen, wie wir die Zusammenarbeit der Kultur- und Tourismusakteure vor Ort – da sind wir uns alle einig – und der Landesmarketingorganisationen stärken können. Das Ganze müssen wir zusätzlich mit der schon genannten Plattform flankieren.
Nur in diesem Zusammenspiel steigern wir die Attraktivität für den einheimischen ländlichen Tourismus, aber vor allem auch für den stetig wachsenden Zustrom aus dem Ausland. Tourismus ist eine Botschaft, eine Botschaft für den Reichtum unserer Kultur, unserer Kulturlandschaften und unserer Lebensart, eine Botschaft für unser Land und unsere Menschen.
Ich schließe wieder mit Marcel Proust – um auf ihn zurückzukommen –: Machen wir uns also gemeinsam auf eine Entdeckungsreise! Machen wir die Augen auf: Wo können wir Schätze in unseren ländlichen Regionen heben und neue Kulturregionen für den Tourismus erschließen und stärken, und zwar ohne Scheu davor, Modelle zu fördern, die grenzüberschreitend denken und handeln wollen? Nur so können wir das Potenzial, das unser Land und unsere Menschen zu bieten haben, umfassend und breitenwirksam erschließen.
Danke schön fürs Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Markus Tressel das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4555042 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 86 |
Tagesordnungspunkt | Kulturtourismus in den Regionen |