25.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 87 / Zusatzpunkt 1

Matthias MierschSPD - Aktuelle Stunde zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Schmidt, ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar, dass Sie hier noch einmal das Ziel bekräftigt haben, in der Tat alles zu versuchen, um die Vorbehalte der Bevölkerung anzuerkennen und angemessen zu reagieren. Ich bin Ihnen auch dankbar dafür, dass Sie gesagt haben, Sie seien für Argumente offen, das Ganze befinde sich noch in einem frühen Stadium. Ich gebe Ihnen auch recht – auch ich gehe fest davon aus –, dass alles, was wir hier oder auch auf europäischer Ebene gesetzgeberisch tun, beklagt werden wird; denn das, was wir hier vorhaben, nämlich eine Ausstiegsklausel, ist juristisches Neuland.

Ohne unsere Zunft zu schlecht zu machen – wir sind ja beide Juristen –, ist natürlich zu sagen: Absolute Rechtssicherheit ist nicht herzustellen. Sie werden in diesem Land, Sie werden in Europa, Sie werden weltweit immer jemanden finden, der für das eine oder für das andere ein Gutachten schreibt.

(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Kommt immer darauf an, wer es bezahlt hat!)

Spannend ist es manchmal, zu gucken, für wen die Gutachter vorher einmal tätig waren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass wir vielleicht in vielen Jahren einmal durch eine obergerichtliche Entscheidung absolute Rechtssicherheit bekommen; aber wir müssen nach meiner Auffassung politisch deutlich sagen, wohin wir wollen. Deshalb sage ich Ihnen: Wir müssen alles versuchen, damit es zu einer bundeseinheitlichen Opt-out-Regelung kommt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr schön! Das müsst ihr jetzt auch durchsetzen!)

– Das, lieber Harald Ebner, wollen wir gemeinsam in der Großen Koalition durchsetzen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben aber gerade etwas anderes gesagt!)

Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat sich schon ganz deutlich positioniert.

Ihnen, Herr Minister, will ich ein paar Argumente nennen, die wir in den nächsten Wochen miteinander diskutieren können, spätestens hier im Parlament.

Erstens. In der Richtlinie, um die es geht, wird davon gesprochen, dass Mitgliedstaaten von der Opt-out-Regelung für ihren gesamten Bereich oder für Teile Gebrauch machen können. Insofern ist der Wortlaut der Richtlinie nach meiner Auffassung völlig eindeutig.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Zweitens. Wir haben eine wegweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2010. In dieser Entscheidung hebt das Bundesverfassungsgericht ganz ausdrücklich hervor, dass die Kompetenz zur Gesetzgebung beim Bund liegt, weil man kein Interesse an einer Zersplitterung in diesem Bereich haben kann. Deswegen muss es aus meiner Sicht eine bundeseinheitliche Regelung geben.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Sie ist gestützt von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns in der Richtlinie die einzelnen Ausstiegsgründe ansehen, dann stellen wir fest, dass ein Opt-out-Grund einer bundespolitischen Entscheidung agrarpolitische Ziele sein können. Aus meiner Praxis als Anwalt kann ich Ihnen, Herr Schmidt, sagen: In den Fällen, in denen es in den letzten Jahren zu Verunreinigungen des Saatguts gekommen ist, betraf es nicht nur ein Bundesland, sondern zog es sich vom Norden bis zum Süden. Alle Landwirte waren betroffen. Gerade auch im Interesse der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland, im Interesse unserer agrarpolitischen Ziele brauchen wir eine einheitliche Regelung.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Grund, der in der Richtlinie genannt wird, sind die sozioökonomische Auswirkungen. Sozio- ökonomische Auswirkungen sind nur bundesweit zu betrachten; sie können wir nicht länderspezifisch betrachten. Insofern ist auch das ein klarer Hinweis darauf, dass der europäische Gesetzgeber eine bundeseinheitliche Regelung gemeint hat.

Das Dritte sind umweltpolitische Gründe. Hier will ich auf einen Aspekt eingehen, der immer hinten runterfällt. Bei dem Thema Gentechnik haben wir nach wie vor die Bienenproblematik. Sie macht an Ländergrenzen nicht halt.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nicht?)

Auch das ist ein Argument, dass wir eine bundespolitische Opt-out-Regelung brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist gut, dass Sie das jetzt mal Herrn Schmidt sagen!)

Das Vierte ist die öffentliche Ordnung. Auch das ist ein Grund, der dafür spricht, dass es zu einer bundeseinheitlichen Lösung kommt. Deswegen freue ich mich, dass die bayerische Ministerin heute an den Bundesratsbeschluss erinnert und für eine bundeseinheitliche Lösung geworben hat. Insofern haben wir einen großen Konsens. Wir können uns nähern. Das müssen wir jetzt diskutieren. Das schließt nicht aus – darauf weisen Sie auch hin –, dass es Kernkompetenzen der Länder gibt, beispielsweise im Bereich der Raumordnung. Wir werden überlegen müssen, wie wir das intelligent miteinander verknüpfen können. In diesem Sinne freue ich mich auf die Debatte.

Ich möchte aber noch eines sagen: Ich wünsche mir, dass wir eigentlich nicht zu einer Opt-out-Regelung kommen, sondern dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten immer, wenn es um eine Zulassung auf europäischer Ebene geht, erst einmal dagegen votiert. Ich freue mich auch über eine Bundesregierung mit einer in Zukunft hoffentlich ablehnenden Haltung in Brüssel.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Nicole Maisch das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4656182
Wahlperiode 18
Sitzung 87
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen
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