25.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 87 / Zusatzpunkt 1

Hermann FärberCDU/CSU - Aktuelle Stunde zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Tribünen! Ich möchte zunächst einmal drei grundsätzliche Bemerkungen zur Gentechnik und zur tatsächlichen und rechtlichen Lage in Deutschland machen.

Erstens. Es gibt derzeit keine gentechnisch veränderten Nutzpflanzen, deren kommerzieller Anbau sich in Deutschland lohnt.

Zweitens. Die in Deutschland geltenden Haftungsregeln – das wurde ja schon mehrfach angesprochen – und auch die Abstandsregeln werden auch in Zukunft den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen wirtschaftlich extrem unattraktiv machen. Es lohnt sich für die Landwirte einfach nicht, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen, und deshalb werden sie das auch nicht tun.

Drittens. Ich bin sehr dafür, dass der Verbraucher bei der Entscheidung, was er konsumieren will, wirklich Wahlfreiheit hat. Dafür ist eine umfassende Prozesskennzeichnung notwendig. Das darf nicht nur die Grüne Gentechnik betreffen, und es darf hier auch nicht nur um Lebensmittel gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Alle Produkte, die in irgendeiner Form während des Herstellungsprozesses mit Gentechnik in Berührung gekommen sind, müssen gekennzeichnet werden. Erst dann – wirklich erst dann –, wenn alles gekennzeichnet ist, hat der Verbraucher echte Wahlfreiheit, und dafür setzen wir uns ein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin davon überzeugt: Hätten wir diese Kennzeichnungspflicht schon in den letzten Jahren gehabt, dann hätten sich viele Mythen über die Gentechnik gar nicht erst entwickelt; denn dann wüssten die Verbraucher bereits heute, wie oft sie mit gentechnisch veränderten Produkten in Kontakt kommen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht vom Acker!)

Wenn hier heute vom gentechnikfreien Teller, von Gentechnikbetrug und von der gentechnikfreien Lebensmittelproduktion gesprochen worden ist, so entspricht das einfach nicht der Realität.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, natürlich entspricht das der Realität!)

In zahlreichen Lebensmitteln sind heute genveränderte Organismen vorhanden – ganz unabhängig davon, ob sie von genveränderten Pflanzen stammen oder nicht.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Färber ist für Gentechnik! Das ist ja interessant! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gezielt Verwirrung stiften!)

Aber nun zum Opt-out-Verfahren: Dieses Verfahren ist ein typisch europäischer Kompromiss. Keiner ist damit zu 100 Prozent zufrieden, aber es ist eine Grundlage, mit der man arbeiten kann, und ich bin froh, dass man eine europaweite Lösung gefunden hat, die im Rahmen des Binnenmarktes bleibt. Ein alleiniges nationales Anbauverbot ohne europäische Rechtsgrundlage wäre im Übrigen eine Öffnung für Einschränkungen des Binnenmarktes gewesen, und von diesem Binnenmarkt profitieren gerade die Menschen in Deutschland ganz erheblich. Das wollen wir nicht gefährden, und deshalb begrüßen wir die jetzt gefundene Lösung.

Es ist richtig, dass die Opt-out-Regelung Einschränkungen enthält, die es nicht erlauben, ein Opt-out mit rein politischen Motiven zu begründen. Das liegt zum einen an grundlegenden Mechanismen des Binnenmarktes, den wir ja alle wollen, zum anderen aber an Verpflichtungen, die Deutschland und die EU international eingegangen sind. So müssen ausländische und inländische Produkte nach WTO-Regeln nämlich gleichbehandelt werden, wenn sie gleichartig sind. Hier stellt sich die Frage: Ist eine gentechnisch veränderte Pflanze gleichartig einer nicht gentechnisch veränderten Pflanze?

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Gentechnikindustrie sagt Ja!)

Ein vom BMEL in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten spricht hier von einer „erheblichen Rechtsunsicherheit“. Auch der Gesundheitsschutz kann nur sehr begrenzt ein Grund für Opt-out sein, da die Gesundheitsprüfung ja eigentlich schon bei der EU-weiten Zulassung vorgenommen wird.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das steht gar nicht drin!)

Hier können also höchstens noch regionale Besonderheiten angeführt werden. Dazu verlangt das SPS-Abkommen der WTO über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen aber eine wissenschaftliche Beweisführung. Wir alle wissen, dass es keinerlei geprüfte wissenschaftliche Beweise für Gesundheitsschäden durch gentechnisch veränderte Pflanzen gibt.

(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Aber wir wollen das nicht!)

Wegen dieser Schwierigkeiten ist es völlig richtig, dass die Entscheidung für Anbauverbote bei den Ländern liegt; denn die Gründe, die nach internationalen Verträgen ein Anbauverbot begründen, sind so spezifisch, dass sie eben nicht bundesweit gelten, sondern einen starken regionalen und lokalen Bezug haben müssen. Deshalb können diese Regelungen auch nur von den Ländern rechtssicher umgesetzt werden.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ich denke, wir fangen erst an, zu diskutieren!)

Ich weiß, Herr Minister Schmidt, dass sich die Bundesregierung dieser Probleme und Einschränkungen sehr bewusst ist. Deshalb begrüße ich es auch, dass sich die Bundesregierung mit Augenmaß und Fachkenntnis an die Umsetzung macht.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sind Sie denn schon festgelegt, oder diskutieren wir noch?)

Schnellschüsse helfen in diesem komplizierten Rechtsbereich niemandem. Ich bin froh, dass sich die Bundesregierung von der Aufregung nicht auf die Bäume jagen lässt. Schließlich muss sich nicht nur Griechenland an internationale Verträge und Abmachungen halten, für uns in Deutschland gilt das Gleiche.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4656330
Wahlperiode 18
Sitzung 87
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen
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