Herbert BehrensDIE LINKE - Pkw-Maut
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, auch mit den tragenden Worten des Verkehrsministers lässt sich nicht überdecken, was uns hier am Ende vorliegt. Als der Referentenentwurf bekannt geworden ist, schrieben einige Blätter: Der Berg kreißte und gebar eine Maut. – Ich glaube, das ist eine sehr treffende Beschreibung dessen, was uns hier vorliegt, und es ist auch eine treffende Beschreibung für diesen quälend langen Prozess, den wir hinter uns haben, bei dem wir versucht haben, überhaupt zu erkennen: Was ist denn eigentlich das Prinzip hinter der Idee, die uns dort auf den Tisch gelegt worden ist, die erst als Maut und dann als Infrastrukturabgabe verkauft werden sollte?
Ich denke, das Ganze wird ein bisschen klarer, wenn wir uns die damalige Situation noch einmal vor Augen führen: Damals waren die Luftverhältnisse über dem CSU-Stammtisch noch relativ klar und eindeutig. Ich zitiere mal den damaligen CSU-Generalsekretär – er befand sich noch in der Metamorphose hin zum Verkehrsminister –, der in einer Pressemitteilung sagte:
– Das haben wir heute noch einmal gehört. –
Herr Dobrindt, eins hätte Ihnen inzwischen klar sein müssen: Mit diesem Wahlkampfgetöse können Sie keine Verkehrspolitik machen. Es hätte endlich einmal eine klare Ansage gemacht werden müssen, wie Sie sich Verkehrspolitik künftig vorstellen wollen.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt muss also diese Form der Pegida-Maut in eine verfassungsgemäße Form gebracht werden. Sie haben alles versucht, die Quadratur des Kreises herzustellen. Zigmal mussten Sie nachbessern, nachdem Ihnen sogar aus Ihrer eigenen Fraktion Gegenwind ins Gesicht geblasen hatte.
Erinnern wir uns: Zunächst sollten nur die Autobahnen bemautet werden, dann alle Straßen.
Jetzt zahlen Ausländer auf Autobahnen und Inländer auf Autobahnen und Bundesstraßen, und das nur, weil allen Inländern eine Jahreszwangsmaut abgeknöpft werden soll, ohne die die ganze Konstruktion in sich zusammenfallen würde.
Im grenznahen Bereich soll die Maut nicht erhoben werden, um den Tourismus und den kleinen Grenzverkehr nicht zu beeinträchtigen.
Und obendrein gibt es eine Reform des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, um die inländischen Kfz-Halter um den Betrag zu entlasten, den sie als Pkw-Maut bezahlen müssen. Nun ist es aber europäisches Recht, dass niemand aufgrund seiner Herkunft benachteiligt werden darf. Darum wurde die Pkw-Maut für Ausländer mit einem Mal zu einer Infrastrukturabgabe umetikettiert. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass Ihnen jemand abnimmt, dass die Infrastrukturabgabe nichts mit der Entlastung bei der Kfz-Steuer zu tun hat? So blind wird auch in Brüssel niemand sein.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht sogar im Gesetz!)
Herr Dobrindt, dieser Versuch ist danebengegangen. Nun versuchen Sie einen anderen Ausweg. In der Aktuellen Stunde – aber in ähnlicher Weise auch heute – sagten Sie, Herr Minister:
Herr Kollege Behrens, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Ja, ich lasse eine Zwischenfrage zu.
Herr Kollege Behrens, danke, dass Sie eine Zwischenfrage zulassen. – Sie haben in Ihren Ausführungen im Zusammenhang mit der Maut gerade von der „Pegida-Maut“ gesprochen. Mir persönlich hat sich der Zusammenhang jetzt nicht erschlossen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Zusammenhang erklären könnten.
(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steilvorlage! – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Lesen hilft, kann man da nur sagen!)
Das will ich tun. – In der Tat erleben wir bei den Demonstrationen der Pegida-Anhänger in der Argumentation einen starken rassistischen Unterton. Immer wieder wird klargemacht: Das Abendland muss gerettet werden, indem beispielsweise islamische Tendenzen zurückgedrängt werden. – Der Zusammenhang zwischen der Ausländermaut und einer Pegida-Maut besteht darin, dass auch von der CSU in Diskussionen immer darauf rekurriert wurde: Die Ausländer fahren auf unseren Autobahnen und fahren sie kaputt. Sie müssen auf jeden Fall zur Finanzierung herangezogen werden. – Das sagt die CSU, obwohl sie herangezogen werden, und zwar dadurch, dass sie tanken und in anderer Weise hier an der Finanzierung unserer Infrastruktur beteiligt sind. – Das ist der Grund. Es sind Ressentiments, die mitspielen, und das gehört sich nicht, schon gar nicht in der Verkehrspolitik.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: Herr Kollege Behrens, ich hätte noch eine Frage! – Gegenruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE]: Nein, kein Dialog!)
Nein, jetzt hat wiederum der Kollege Behrens das Wort. Bitte schön.
Ich habe mich eben darauf bezogen, dass Herr Dobrindt gesagt hat, dass ein echter Systemwechsel vollzogen werden soll. Er sprach von der Nutzerfinanzierung der Infrastruktur und davon, dass das Verursacherprinzip gestärkt werde. Dass es um einen Systemwechsel geht, stimmt in der Tat. Das zweite Argument ist allerdings völliger Humbug. Das Verursacherprinzip würde dann gestärkt werden, wenn wir wirklich Verursacher heranziehen würden. Wir haben auch in der Diskussion über die Lkw-Maut darüber gesprochen, dass wir gucken müssen: Wer verursacht die meisten Beschädigungen auf den Straßen? Wer ist dafür verantwortlich, dass so oft Reparaturen an Straßen und Brücken erforderlich sind?
Wenn wirklich das Verursacherprinzip das tragende Element sein soll, dann muss auf jeden Fall bei der Lkw-Maut angesetzt werden; denn die Pkw – das wissen wir – sind wesentlich weniger an der Abnutzung der Infrastruktur beteiligt. Das mit dem Verursacherprinzip ist reiner Etikettenschwindel. „ Nutzerprinzip“ oder „Wegelagerei“, das wäre treffender.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie behaupten – eben haben Sie das noch einmal gesagt –, in Europa sei es völlig selbstverständlich, dass eine Maut kassiert wird. Das ist falsch. Nirgends gibt es die Maut
(Michael Donth [CDU/CSU]: Doch!)
für Inländerinnen zurück; nirgends gibt es eine variable Preisgestaltung für die Jahresvignette; nirgends werden Inländer zum Kauf einer Jahresvignette gezwungen.
Eine andere Behauptung. Sie behaupten, 2 Milliarden Euro netto würden durch ausländische Fahrzeughalter in den Verkehrshaushalt strömen. Mal ganz am Rande: Bei den diversen Korrekturen am Referentenentwurf ist das Wort „zusätzlich“ inzwischen verloren gegangen. Aber zum Ertrag: Vor ein paar Tagen wollte der Minister endlich offenlegen, auf welche Berechnungen er sich denn nun bezieht. Heraus kamen ein Gefälligkeitsschreiben aus dem Ministerium und eine Überprüfung durch einen Angestellten eines Unternehmens, das selbst ins Mautgeschäft investiert hat. Das ist übrigens der gleiche Gutachter, der gegenüber der CSU schon mal 900 Milliarden Euro Bruttomauteinnahmen prognostiziert hatte.
(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Ostmark oder was? – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben Sie ja selber nicht!)
– 900 Millionen. – Diese dürftige Grundlage wurde von den Fachverbänden in der Luft zerrissen. ADAC, VCD und ACE haben Stellungnahmen abgegeben, die das ablehnen. Gestern Abend gab es dann noch ein Gutachten des Verkehrs- und Wirtschaftswissenschaftlers Eisenkopf. Sein Fazit – Zitat –:
Übersetzt heißt das: Das Ergebnis stand als Erstes fest, dann war der Gutachter gehalten, etwas dazu zu schreiben, damit die Summe am Ende auch passt.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: So ist es!)
Kurz und knapp ist dort beschrieben: 80 Prozent der Einnahmen, die Sie errechnet haben, sind nicht schlüssig belegt, und die Berechnungsgrundlage ist vollkommen unsolide. – Laut einem Gutachten von Ralf Ratzenberger – Sie kennen es; der ADAC hat es im vergangenen Jahr herausgebracht – kommen nicht 700 Millionen Euro Mautgebühren rein, sondern lediglich 262 Millionen Euro, und zwar brutto. Abzüglich der Systemkosten wird das zu einem Minusgeschäft.
Der Verkehrsminister bleibt aber wacker bei seinen 700 Millionen Euro brutto pro Jahr. Das trifft aber zumindest nicht für die ersten drei Jahre zu. Wir haben nachgefragt: 455,6 Millionen Euro sind in den ersten drei Jahren fällig, um dieses System überhaupt zu implementieren. Das heißt, in den ersten drei Jahren fällt die Bilanz sowieso anders aus als die positive Bilanz von 500 Millionen Euro netto, die uns jetzt vorgelegt wurde.
Die Linke bleibt bei ihrer Bewertung: Die Ausländermaut ist nicht nur verkehrspolitisch absurd, sondern sie ist inzwischen auch haushaltspolitisches Harakiri.
(Beifall bei der LINKEN)
Kolleginnen und Kollegen, zum Thema der Europakonformität wird sicherlich noch gesprochen werden. Das will ich hier nicht tun.
Ich komme zum Schluss. Die wahre Absicht wird erkennbarer. Es geht um die Nutzerfinanzierung, das heißt, der Autofahrer wird herangezogen. Das würde 3,7 Milliarden Euro in die Kasse bringen. Gleichzeitig tagt im Wirtschaftsministerium eine Expertenkommission, die die Privatisierung des Straßenverkehrssystems vorbereitet. Da wird es passend, und es wird erkennbar, was möglicherweise wirklich hinter dieser Infrastrukturabgabe steckt.
Ich bleibe dabei – die Linksfraktion sieht es ebenso –: Die Ausländermaut ist weder fair noch sinnvoll oder gerecht. Sie ist absurd, unvertretbar und unbeherrschbar. Maut und Minister gehören schnellstens aus dem Verkehr gezogen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Sören Bartol das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4658667 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Pkw-Maut |