Sören BartolSPD - Pkw-Maut
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele politische Beobachter glauben, dass wir heute das wichtigste Vorhaben der Verkehrspolitik dieser Koalition diskutieren. Das mag jeder für sich selbst beurteilen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja sonst keines!)
Ich denke, man würde dieser Koalition unrecht tun, wenn man unsere Verkehrspolitik nur auf die Pkw-Maut reduzieren würde.
(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum klatscht da keiner bei der CDU/CSU?)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer eine Koalition eingeht, muss Kompromisse schließen. Für die SPD gehört die Pkw-Maut dazu. Jeder in diesem Hause weiß, dass es das zentrale Vorhaben der CSU ist. Wir haben sie jetzt im Koalitionsvertrag mit der CDU und der CSU vereinbart. Damit wird sie kommen. Die Frage ist nur: Wie?
Heute beginnen die parlamentarischen Beratungen im Deutschen Bundestag. Angesichts der jahrzehntelangen Diskussion über eine Pkw-Maut sollten wir uns dafür ausreichend Zeit nehmen. Es ist der Deutsche Bundestag, der darüber entscheidet, wie die Pkw-Maut aussehen wird – niemand anders.
(Beifall bei der SPD)
Aus Respekt vor der parlamentarischen Arbeit dieses Hauses sollten wir uns alle gemeinsam dabei von niemandem treiben lassen.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Genau! Drei Jahre lang!)
Das Interesse in der Bevölkerung an den beiden vorliegenden Gesetzentwürfen kommt nicht von ungefähr. Die Autofahrerinnen und Autofahrer befürchten, dass neue finanzielle Belastungen auf sie zukommen. Sie haben Zweifel, ob das von Bundesverkehrsminister Dobrindt vorgeschlagene Konzept einer Pkw-Maut funktionieren kann. Wir Sozialdemokraten nehmen diese Befürchtungen sehr ernst.
(Beifall bei der SPD)
Wir werden im Deutschen Bundestag keiner Pkw-Maut zustimmen, die die deutschen Autofahrerinnen und Autofahrer zusätzlich belastet. Das haben wir so versprochen. Das haben wir im Koalitionsvertrag so vereinbart, und das werden wir hier im Deutschen Bundestag auch genau so beschließen.
(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Kabinett habt ihr schon zugestimmt!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns in der Koalition einig, dass wir mehr in unsere Straßen, Schienen- und Wasserwege investieren wollen. Dafür werden wir zusätzliche Steuermittel mobilisieren und die Nutzerfinanzierung ausweiten. Die Einführung der Pkw-Maut darf kein Selbstzweck sein. Sie muss zusätzliche Einnahmen bringen, die nicht umgehend wieder durch Bürokratie aufgefressen werden. Wir werden mit den Einnahmen aus der Pkw-Maut nicht die Probleme bei den Verkehrsinvestitionen lösen. Daher setzen wir auch auf die Ausdehnung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen. Das bringt neue Einnahmen in Höhe von bis zu 2 Milliarden Euro pro Jahr.
(Beifall bei der SPD)
Bundesminister Dobrindt geht davon aus, dass mit der Pkw-Maut 500 Millionen Euro zusätzlich eingenommen werden können. Ich bin froh, dass man unserer Forderung nach mehr Transparenz gefolgt ist; die Berechnungen liegen nun endlich offen auf dem Tisch. Wir sollten die kommenden Wochen dafür nutzen, sie auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer zusätzliche Einnahmen von den Nutzern der Straßen will, muss aber auch klar sagen, wo er denn das Geld investieren will. Die Akzeptanz der Pkw-Maut wird auch davon abhängen, ob die Einnahmen dort investiert werden, wo alle im Stau stehen. Eine klare Priorisierung bei den Bundesverkehrswegen ist deshalb notwendig.
(Beifall bei der SPD)
Bundesminister Dobrindt hat im Frühjahr 2014 eine Grundkonzeption für den neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 vorgelegt; sie bedeutet einen Paradigmenwechsel. Er wird von der breiten Öffentlichkeit unterstützt. Die Länder wollen die Umsetzung. Die Wirtschaft will die Umsetzung. Und auch die Umweltverbände wollen die Umsetzung. Wer sich einer neuen Bundesverkehrswegeplanung verweigert, stellt sich am Ende gegen die Interessen der Bevölkerung wie auch gegen die Interessen der Wirtschaft.
Für uns steht fest: Wer neue Finanzierungsinstrumente einführen will, aber gleichzeitig das Geld der Steuer- und Mautzahler mit der Gießkanne nach Himmelsrichtungen ausgeben will, der wird am Ende nicht unsere Zustimmung erhalten.
(Beifall bei der SPD)
Der Aufwuchs der Investitionsmittel muss in den kommenden Jahren mit einer klaren Priorisierungsstrategie einhergehen.
Zuerst müssen wir uns um die bestehenden Brücken und Straßen kümmern.
Beim Neu- und Ausbau müssen wir 80 Prozent der Mittel in überregionale Projekte investieren. Dabei hat die Beseitigung von Engpässen absolute Priorität. Genau so steht es auch im Koalitionsvertrag, und daran lassen wir auch nicht rütteln.
(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Gleichzeitig werden wir für die bessere Anbindung der ländlichen Räume 20 Prozent der Investitionsmittel zur Verfügung stellen.
Ich denke, das ist der vernünftige Weg.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist das größte Mitgliedsland der Europäischen Union.
Lassen auch Sie eine Zwischenfrage zu, Herr Kollege?
Ja.
Bitte schön.
Kollege Bartol, ich unterstütze Ihre Position, was die Bundesverkehrswegeplanung angeht, weil damit tatsächlich eine vernünftige Entwicklung der Infrastruktur möglich wäre. Ich möchte Sie aber fragen, was Sie zu der Tatsache sagen, dass der Bundesverkehrsminister jenseits der parlamentarischen Beratungen und jenseits der Priorisierung bereits eigenmächtig für Maßnahmen zum Neubau von Straßen 2,6 Milliarden Euro bewilligt hat.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tja!)
Frau Leidig, der Bundesverkehrsminister ist ebenso wie ich Teil dieser Koalition. Für den Bundesverkehrsminister und für mich ist der Koalitionsvertrag Grundlage. Ich freue mich, dass Sie uns allen bestätigen, dass es ein guter Koalitionsvertrag ist; das hört man von der Opposition nicht allzu oft.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Margaret Horb [CDU/CSU] – Lachen der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
Es ist, wie ich glaube, auch ganz klar: Im Moment haben wir geltende Bedarfspläne, haben wir geltende Ausbaupläne. Natürlich ist ein Bundesverkehrsminister am Ende auch dazu da, gemeinsam mit uns im Parlament zu entscheiden, wofür Mittel freigegeben werden und ob die Straßen gebaut werden, die zum Beispiel im Investitionsrahmenplan oder in anderen Plänen stehen. Ich glaube wirklich, dass Einigkeit zwischen mir und dem Minister darüber besteht, dass es beim Bundesverkehrswegeplan 2015 für uns alle am Ende um die Frage geht, ob wir einen Paradigmenwechsel einleiten oder nicht. Insofern sehe ich da kein Problem.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir alle sind uns einig, dass wir gute Nachbarn in einem geeinten Europa sein wollen. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Pkw-Maut keine EU-Ausländer diskriminieren, also nicht gegen europäisches Recht verstoßen darf. Die EU-Verkehrskommissarin nennt zwei Kriterien, die aus Sicht der Europäischen Kommission entscheidend sind: Die Gebührensätze für die Zeitvignetten müssen im Vergleich zur Jahresvignette für ausländische Autofahrer verhältnismäßig sein, und die gleichzeitige Einführung einer Pkw-Maut und einer entsprechenden Ermäßigung bei der Kfz-Steuer für Deutsche darf nicht zu einer Diskriminierung führen. – Die Bundesregierung ist insgesamt zu der Einschätzung gekommen, dass beide Kriterien erfüllt sind. Das Bundesverkehrsministerium hat dazu ein umfangreiches Gutachten vorgelegt, und wir im Deutschen Bundestag werden uns auch diese Bewertung noch einmal ganz genau anschauen.
Wir wissen, dass sich die EU-Kommission zu der Frage vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens nicht endgültig äußern wird. Damit steht auch fest: Die Vereinbarkeit mit europäischem Recht wird endgültig erst nach Abschluss des parlamentarischen Verfahrens geklärt werden können. Eines aber sollten wir im weiteren Verfahren jedoch sicherstellen: Sollte die EU-Kommission mit einer Klage gegen die Pkw-Maut erfolgreich sein und die Entlastung bei der Kfz-Steuer kippen, darf am Ende nicht eine Belastung für alle übrigbleiben.
(Beifall bei der SPD – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Wie soll das denn gehen? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird aber genau so kommen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesländer haben sich sehr ausführlich mit der Pkw-Maut beschäftigt. In seiner Stellungnahme hat der Bundesrat 23 Kritikpunkte aufgeführt. Ich finde, wir dürfen die Bedenken der Bundesländer nicht einfach beiseiteschieben. Wir sollten sie alle ernst nehmen. Wenn es verfassungsrechtliche Bedenken gibt, ob der Bund den Kfz-Meldestellen der Kommunen neue Aufgaben übertragen darf, muss das geklärt werden. Wenn die Länder der Meinung sind, dass sie eigentlich bei der Pkw-Maut gefragt werden und zustimmen müssten, muss das geprüft werden. Wenn es Zweifel an einer ordentlichen Kontrolle der Pkw-Maut gibt, muss das bewertet werden. Wenn es in Grenzregionen immer noch Proteste gibt, weil die Gäste aus den Nachbarländern die deutschen Städte eben nur über Bundesautobahnen erreichen können, müssen wir uns das, finde ich, alle gemeinsam anschauen.
(Beifall bei der SPD)
Wenn es weiter Zweifel am Datenschutz gibt, sollten wir die auch ausräumen. Je weniger Daten gespeichert werden, umso besser.
Das heißt, die vorgelegten Gesetzentwürfe werfen noch viele Fragen auf. Wir sollten sie gemeinsam klären.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt beginnt die Kärrnerarbeit der Fachpolitiker in den Ausschüssen. Es gilt wie immer das Struck’sche Gesetz: Es gibt keinen Automatismus. Kein Gesetzentwurf verlässt den Bundestag so, wie er hineingekommen ist. – Ich finde, diesen Grundsatz sollten wir alle gemeinsam ernst nehmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Oliver Krischer ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4658766 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Pkw-Maut |