Sebastian HartmannSPD - Pkw-Maut
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Phasenweise war der Debattenverlauf wieder von hoher Emotionalität geprägt – Aufregung, Vorwürfe härtester Art, sogar der Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit –, dabei geht es im Kern doch um die Finanzierung der deutschen Infrastruktur,
(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Eben nicht! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ja schön!)
darum, wie man ausreichend Geld für Brücken und Straßen, Bundesautobahnen und Bundesstraßen bereitstellen kann.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus welcher Partei sind Sie eigentlich? CSU?)
– Herr Hofreiter, warten Sie doch mal ab; dann werden Sie auch sehen, was wir gleich vorschlagen werden. Wir werden auch etwas zum Verfahren sagen.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt kein Widerspruch!)
Die Große Koalition hat sich an verschiedenen Stellen auf den Weg gemacht, die Infrastrukturfinanzierung auf andere Füße zu stellen. Tatsächlich geht es um eine Umschaltung von einer Steuerfinanzierung hin zu einer verstärkten Nutzerfinanzierung. Aber das Ziel ist nicht allein der Weg. Wir wollen eine Infrastrukturabgabe, die keine Mehrbelastung für den deutschen Autofahrer und die deutsche Autofahrerin darstellt. Diese Infrastrukturabgabe muss EU-rechtskonform sein, und sie muss vor allen Dingen einen tatsächlichen Finanzierungsbeitrag leisten.
Es ist kein Geheimnis, dass die Pkw-Maut – oder Infrastrukturabgabe, wie sie heute heißt – kein Herzensanliegen der SPD war und dies auch nicht werden wird.
(Beifall bei der SPD)
Die Gründe der SPD für ihre Zustimmung sind die Fortschritte bei wichtigen Fragen des Arbeitsmarktes – wie beim Mindestlohn –, bei der Mietpreisbremse, deren Vereinbarung nun endlich gelungen ist, bei der besseren Gleichstellung von Mann und Frau und bei der Rente mit 63, um Ordnung auf dem Arbeitsmarkt herzustellen.
Wir beraten diesen Gesetzentwurf heute in erster Lesung. Vor uns steht ein langes Verfahren, in dem noch viele Fragen zu klären sind. Deswegen möchte ich an den Koalitionsvertrag erinnern:
Das ist die Richtschnur des Handelns, und die SPD steht zu diesem Koalitionsvertrag. Ob die Bedingungen des Koalitionsvertrages erfüllt sind, wird jedoch erst die Beratung der beiden vorliegenden Gesetzentwürfe zeigen, für die wir uns ausreichend Zeit nehmen werden, um sie ordentlich und gut zu machen. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land können sich darauf verlassen, dass der Koalitionsvertrag Bestand hat und wir keinen Schnellschuss machen, sondern uns vernünftig mit den Vorgaben des Koalitionsvertrages auseinandersetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben als Parlament ausreichend Zeit. Schauen wir uns doch einmal den Zeitablauf an: Im Januar des vergangenen Jahres haben wir die neue Bundesregierung gebildet, im Juli des vergangenen Jahres wurde das erste Konzept – passenderweise an meinem Geburtstag, am 7. Juli – vorgelegt,
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Ende Oktober gab es den ersten Referentenentwurf, mit dem die Infrastrukturabgabe im Vergleich zu der Version im Juli deutlich verändert wurde, und Mitte Dezember erfolgten dann der Kabinettsbeschluss und die Einbringung des Gesetzentwurfs.
Nun haben wir Februar 2015; es sind 14 Monate ins Land gegangen. Es gehört auch ein Stück zu unserem parlamentarischen Selbstverständnis, dass wir uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier ausreichend Zeit nehmen, diesen Gesetzentwurf vernünftig zu beraten.
Die Opposition hat bisher allerdings nur wenig Konstruktives beigetragen. Wir werden erst jetzt in die Debatte einsteigen und uns die eingebrachten Vorschläge anschauen. Wir brauchen aber kein Wahlkampfgetöse, sondern eine vernünftige Auseinandersetzung mit den Argumenten, die in die Debatte eingebracht worden sind.
Wir nehmen die Hinweise des Bundesrates sehr ernst.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)
Die Stellungnahme ist umfänglich, und die 23 Punkte, die dort benannt worden sind, werden im parlamentarischen Verfahren aufzuarbeiten sein. Es wäre sicherlich zu kurz gedacht, wenn ich sagen würde: Es ist doch selbstverständlich, dass sich die SPD die Position des Bundesrates zu eigen macht, da sie in 14 von 16 Bundesländern regiert und in 9 Bundesländern den Regierungschef stellt. Damit ist die Position des Bundesrates automatisch auch die Position der SPD. – Nein, so ist es nicht. Diese Vorschläge und Anmerkungen enthalten aber viele Punkte, mit denen man sich auseinandersetzen muss.
Warum führen wir eine Infrastrukturabgabe ein? Es geht tatsächlich um den zusätzlichen Beitrag. Ein wichtiger Hinweis im Zusammenhang mit der Finanzierung der Infrastruktur ist, dass man sich auch einmal die vorgelegten Gutachten anschauen sollte. Es geht um die Plausibilität, und ich gebe den Kolleginnen und Kollegen recht: Da es uns in der Diskussion im Kern darum geht, vernünftige Mittel in ausreichender Höhe zu erheben – 600 Millionen Euro waren die Zielmarke im Juli des vergangenen Jahres, 500 Millionen Euro sind es nach dem jetzigen Vorschlag –, müssen wir darauf dringen, dass die Berechnung nachvollziehbar und plausibel ist und gutachterlich unterlegt wird.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, sie ist nicht nachvollziehbar?)
Nicht nachvollziehen kann ich – das muss ich in aller Offenheit bekennen –, dass man sich darum einen Rechtsstreit liefert; denn tatsächlich geht es uns doch darum, einen zusätzlichen Beitrag für die Finanzierung der Infrastruktur zu erreichen. Daraus sollte man kein Staatsgeheimnis machen, und es hat auch mit dem parlamentarischen Selbstverständnis zu tun, dass wir das hier beraten.
Herr Minister, wir waren hier sehr nah bei Ihnen, als Sie gesagt haben: Nein, man muss die Informationen erst einmal in das Parlament einbringen, bevor man sie der Öffentlichkeit mitteilt. – Leider war es aber so, dass es am vergangenen Wochenende zunächst in den Medien stand und wir erst danach den Downloadlink erhalten haben. Ich denke, im weiteren Verfahren werden wir uns mit diesen Gutachten, die nun endlich veröffentlicht sind und Voraussetzung für die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf sein können und werden, auseinandersetzen.
(Beifall bei der SPD)
Der Bundesrat erwartet in seiner Stellungnahme zu Recht, dass wir ein rechtssicheres Verfahren anwenden. Es ist auch in den Raum gestellt worden, dass man aufpassen muss, ob die Belastung eventuell bestehen bleibt, während die Entlastung plötzlich entfällt. Aus Sicht der SPD sind die Entlastung durch die Senkung der Kfz-Steuer und die Belastung durch die entsprechende Einführung einer Nutzerabgabe untrennbar miteinander verbunden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir verlassen uns auf das Wort des Ministers, dass das Ganze EU-rechtskonform erfolgt. Die entsprechenden Gutachten sind bekannt. Es ist aus Sicht der SPD überhaupt kein Problem, die Gesetzentwürfe untrennbar miteinander zu verbinden, sodass das eine nur mit dem anderen geht. Das hätte auch den Charme, dass jedem Kritiker, der die EU-Rechtskonformität infrage stellt, der Wind aus den Segeln genommen wird, da die Behauptung nicht weiter aufrechterhalten werden könnte, dass hier etwas getan wird, was die deutschen Autofahrerinnen und Autofahrer belastet.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber so! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Darauf läuft es aber am Ende hinaus!)
– Herr Krischer, Sie wissen noch gar nicht, ob das so ist. Wir werden die Gesetzentwürfe erst einmal beraten. Dann schauen wir, was dabei herausgekommen ist. Wenn wir die Gesetzentwürfe in der notwendigen Zeit ausreichend beraten haben, werden wir beschließen. Danach kann man dann schauen, ob das vor irgendeinem Gericht in Deutschland oder in der EU scheitern könnte. Das ist die Reihenfolge – und nicht anders.
Da Sie sich so aufregen, möchte ich der Opposition eines sagen: Sie können sich hier nicht zum Retter der deutschen Autofahrerinnen und Autofahrer aufschwingen. Dass Sie das nicht sind, haben Sie hier deutlich bewiesen:
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie fordern die vollständige Einführung einer Maut auf allen Bundesstraßen,
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für Lkws!)
ohne gleichzeitig die Autofahrerinnen und Autofahrer zu entlasten.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wer das Bürokratiemonster bekämpfen will, kann nicht alle Straßen bemauten,
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hallo! Für Lkws!)
alle Autos fotografieren und dann noch sagen: Das ist eine bürgerfreundliche Lösung. – So wird es nicht gehen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Auch die Linken können es sich an dieser Stelle nicht so einfach machen. Sie können nicht einerseits den Befund erheben, dass wir zu wenig Geld für die deutsche Infrastruktur haben, andererseits eine Nutzerabgabe ablehnen und gleichzeitig sagen:
(Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Wir wollen hier keine Steuern erhöhen. – Übrig bliebe eine Finanzierung durch Steuern. – Jetzt kann die Frage gestellt werden.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein!)
– Herr Kauder, wenn Sie erlauben, möchte ich diese eine Zwischenfrage gerne zulassen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das verlängert doch nur alles!)
Ja, aber ich nicht.
Entschuldigung, Herr Präsident.
Gelegentlich finde ich ja auch statt.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Da Ihnen offenkundig entgangen ist, dass Ihre Redezeit seit geraumer Zeit vorbei ist, muss ich Ihnen sagen, dass es nach abgelaufener Redezeit keine Möglichkeit gibt, Zwischenfragen zuzulassen. Das versuchen wir beim nächsten Mal.
(Gustav Herzog [SPD]: Schade! Er hätte wirklich gut geantwortet, Herr Präsident!)
Herr Präsident, ich bedaure das und nehme das natürlich hin. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf die Beratungen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Zu einer Kurzintervention hat jetzt der Kollege Behrens das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4659124 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Pkw-Maut |