26.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 88 / Tagesordnungspunkt 3

Eckhardt RehbergCDU/CSU - Pkw-Maut

Loading Interface ...
Login or Create Account






Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Großen Koalition ist der Vorwurf gemacht worden, dass es einen Stillstand in der Verkehrspolitik gibt. Mitnichten! Sehen Sie sich allein den Verkehrshaushalt an! Zu Beginn der Legislaturperiode umfasste der Verkehrshaushalt 10 Milliarden Euro an Investitionen. Zum Ende dieser Legislaturperiode werden sie bei 13,4 Milliarden Euro liegen. Das ist ein Aufwuchs um mehr als 3 Milliarden Euro. Der Großteil davon wird in die Straße gehen.

Für den Verkehrshaushalt insgesamt ist in dieser Legislaturperiode ein Aufwuchs um 5 Milliarden Euro vorgesehen. Mit Einführung der Lkw-Maut für alle Bundesstraßen im Jahr 2018 werden es 8,2 Milliarden Euro sein. Das entspricht in etwa dem Betrag, der laut Daehre und Bodewig notwendig ist, damit der Bund die Instandhaltung sowie Ausbau und Neubau der Straßeninfrastruktur finanzieren kann.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo kommen denn die Zahlen her?)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Linken und Grünen, ist das kein Stillstand, sondern eine massive Fortentwicklung der Verkehrspolitik in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind Fantasiezahlen!)

Frau Kollegin Leidig, Sie meinen, dass die 500 Millionen Euro, die die Pkw-Maut einbringen soll, nichts seien. Warten wir doch bitte ab! Da der Kollege Bartol und der Kollege Schwarz kein Blatt vor den Mund genommen haben, sehe ich mich veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen: Welche Zahlen von der SPD geisterten denn herum, als es um die Frage ging, wie viel der Mindestlohn einbringen wird? Frau Schwesig ging damals von 4 Milliarden Euro aus. Ausweislich eines Antrags der SPD aus dem Jahr 2011 waren es dann noch 1 Milliarde Euro mehr an Steuereinnahmen und 1 Milliarde Euro mehr an Sozialbeiträgen. Kollege Schwarz, wenn wir über Erfüllungsaufwände sprechen, dann ist festzustellen, dass es heutzutage beim Zoll 1 600 Stellen mehr gibt. So viel dazu.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Kollegin Leidig, 500 Millionen Euro jährlich reichen zur Ausfinanzierung des Brückensanierungsprogramms. Ich will Ihnen einmal sagen, wie teuer Brückensanierung mittlerweile ist. In vielen Fällen wird es sich nicht um eine Sanierung, sondern um Ersatzneubauten handeln. Der Kostenpunkt einer Brücke über die Müritz in Mecklenburg-Vorpommern, gebaut im Jahr 1970 – solche Brücken sind auch für Westdeutschland typisch –, liegt bei 500 000 Euro für die Umsiedlung der Fledermäuse – mittlerweile scheinen diese Tiere umgesiedelt zu sein, weil man im neuen Fledermausturm Kot gefunden hat – und bei 32 Millionen Euro für die Sanierung. So viel kostet eine sicherlich nicht kleine Autobahnbrücke im Osten Deutschlands. Von dieser lassen sich Dutzende in ganz Deutschland finden. Deswegen sind zusätzliche Einnahmen in Höhe von 500 Millionen Euro im Rahmen der Nutzerfinanzierung keine Peanuts, sondern sie sind notwendig, um die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zu erhalten und auszubauen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es werden aber keine 500 Millionen! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn es denn 500 Millionen wären!)

Herr Kollege Rehberg, darf der Kollege Thomas Lutze eine Zwischenfrage stellen?

Bitte.

Bitte schön.

Sehr geehrter Kollege Rehberg, wir reden hier von der Pkw-Maut. Sie reden nun von Brückensanierungen. Ist Ihnen bekannt, dass ein 40 Tonnen schwerer Lkw ungefähr die 60 000-fache Belastung eines Pkw hat?

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Herr Kollege, das ist mir bekannt. Aber ist Ihnen bekannt, dass die Autofahrer in Deutschland insgesamt 53 Milliarden Euro aufbringen? Ist Ihnen weiterhin bekannt, dass nur aufgrund der Lkw-Maut Nutzer aus dem Ausland zum Erhalt und Ausbau des deutschen Straßenverkehrsnetzes massiv beitragen?

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider zu wenig!)

Ich halte es für solidarisch und gerecht, dass diejenigen, die mit Pkw unsere Straßen nutzen und nichts zu deren Erhalt beitragen, einen Beitrag leisten; denn nach meiner Meinung werden die privaten Pkw-Nutzer aus Deutschland schon genug zur Kasse gebeten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun kann man an dem Konstrukt Zweifel haben; diese wurden auch mit Hinweis auf das EU-Recht, das Verfassungsrecht und die Bund-Länder-Beziehungen dargelegt. Ich frage mich nur, welches Vertrauen und Zutrauen manche in die Bundesregierung haben.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir noch keins!)

Es handelt sich nicht um einen Gesetzentwurf des Bundesverkehrsministeriums, sondern um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung. Ob das EU-Recht eingehalten wird, wird im Wirtschaftsministerium geprüft. Ob das Verfassungsrecht eingehalten wird, wird nach meiner Kenntnis im Innenministerium geprüft. Die Einhaltung der Rechtsförmigkeit wird im Bundesjustizministerium geprüft. Wer nun aber meint, alle Einwendungen des Bundesrates seien gerechtfertigt, sollte sich selber fragen, was für ein Zutrauen er in die Prüfung der Einhaltung der Rechtsförmigkeit und des EU-Rechts durch die Ressorts hat.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Am Ende entscheidet der EuGH und nicht das Ministerium! – Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Herr Kollege, dass im Zweifel das Bundesverfassungsgericht oder europäische Gerichtshöfe entscheiden, ist mir klar. Aber ich weise mit allem Nachdruck darauf hin, dass es sich hier nicht um einen Gesetzentwurf von Alexander Dobrindt, sondern um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung handelt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja das Schlimme! Genau das ist der Skandal!)

Das sollte sich der eine oder andere vor Augen führen, wenn er so viele Zweifel hat.

Lassen Sie mich noch eine abschließende Bemerkung zu Nutzerfinanzierung und Steuerrecht machen. Ich weiß gar nicht, was einige gegen eine Nutzerfinanzierung haben.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts!)

Der Juncker-Investmentfonds baut komplett auf dem Prinzip der Nutzerfinanzierung auf. Wie groß war das Erschrecken bei einigen, als sie gemerkt haben, dass es sich um nutzerfinanzierte ÖPP-Projekte handelt. Da wurde die Begeisterung etwas geringer.

Schauen Sie sich an, was als erste Meldung aus der sogenannten Gabriel-Kommission kommt. Da wird von regionalen Infrastrukturfonds geredet, da wird von Bürgerfonds geredet, da wird über eine Autobahninfrastrukturgesellschaft geredet, teilweise, klar, renditefinanziert, aber zum großen Teil nutzerfinanziert. Deswegen sollten wir, wie ich glaube, auch wenn ich die Entwicklung in der Europäischen Union sehe, unser Augenmerk verstärkt auf die Nutzerfinanzierung legen. Wir werden uns darüber beim Thema Wasserstraßen und auch bei anderen Bereichen unterhalten müssen.

Ich warne vor einem: Wer meint, dass wir unsere Kfz- Steuer in Deutschland nicht eigenständig gestalten sollten, der gibt die nationale Steuerhoheit auf. Ich warne deswegen dringend davor, weil wir in anderen Fragen – ich will die jetzt nicht ansprechen – gegenwärtig in Brüssel sehr stark darauf pochen, dass wir bei der nationalen Steuerhoheit im europäischen Rahmen Ermessensspielräume haben.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das versenkt Ihr Minister doch gerade!)

Lassen Sie mich ganz zum Schluss eine persönliche Bemerkung machen. Ich habe lange die Haltung meiner Kolleginnen und Kollegen aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zum Thema Infrastrukturabgabe nicht verstanden, bis ich im April letzten Jahres zum ersten Mal in Südtirol war – danach habe ich sie verstanden; ich komme aus dem Norden Deutschlands –: Wenn du dich dort im Süden überhaupt nur bewegen willst, dann löhnst du jeden Tag. Das heißt, du löhnst in Österreich für die Vignette, für den Tunnel; und du löhnst in Italien; du löhnst, wenn du nach Tschechien oder in die Slowakei reist; überall musst du löhnen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es zahlen aber alle!)

Das sind wir im Norden Deutschlands nicht gewöhnt. Wenn man dann die Kennzeichen auf bayrischen Autobahnen sieht, dann hat man ein bisschen Verständnis für die Menschen in Bayern und Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: CSU-Versteher! – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Aber nur ein bisschen!)

Lassen Sie mich zum Abschluss als Norddeutscher sagen: Man sollte gelegentlich die Kirchturmpolitik sein lassen und sich die gesamtdeutsche Brille aufsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat nun die Kollegin Kirsten Lühmann für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

API URL

Data
Source Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Cite as Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Retrieved from http://dbtg.tv/fvid/4661084
Electoral Period 18
Session 88
Agenda Item Pkw-Maut
00:00
00:00
00:00
00:00
None
Automatically detected entities beta