Kirsten LühmannSPD - Pkw-Maut
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Wir haben heute in der Debatte genauso viel Lob wie Kritik über die geplante Infrastrukturabgabe gehört. Es war von einem Paradigmenwechsel die Rede, es war von Murks die Rede; aber ich glaube, dass das bei einem Projekt, das in der Politik und in der Öffentlichkeit so viele Kontroversen auslöst, ganz normal ist.
Worüber reden wir? Die Infrastruktur in Deutschland muss finanziert werden und benötigt ausreichende Mittel. Die Koalition hat in den vier Jahren, in denen sie regieren wird, 5 Milliarden Euro zusätzlich dafür zur Verfügung gestellt. Aber wir alle kennen das Bodewig- Gutachten, das besagt, dass das nicht ausreicht. Wir brauchen einen weiteren Aufwuchs. Wir haben nie behauptet, dass dies mit der Infrastrukturabgabe oder einer Pkw-Maut, wie man das landläufig so nennt, ausreichend gelingen kann. Sie ist nur ein Baustein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wirkliche Einnahmen versprechen wir uns erst von der Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Einen ersten Schritt dazu machen wir heute Abend. Wir werden in einem Gesetz die Ausweitung der Lkw- Maut auf weitere 1 100 Kilometer Bundesstraßen und die Ausdehnung der Mautpflicht auf Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen auf den parlamentarischen Weg bringen.
(Beifall bei der SPD)
Der nächste Schritt wird die Ausweitung der Lkw- Maut auf alle Bundesstraßen sein.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2018! Wenn ihr nicht mehr regiert!)
Diese im Koalitionsvertrag vereinbarten Schritte der Nutzerfinanzierung werden die Mittel für die Infrastrukturverbesserung dauerhaft jährlich um gut 2 Milliarden Euro erhöhen, und das ist dringend erforderlich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dies, meine Herren und Damen, ist eine wichtige und spürbare Maßnahme zum Erhalt und Ausbau unseres Straßennetzes. Zudem ist diese Maßnahme sachgerecht, da sie Fahrzeuge, die die Straßen überproportional schädigen, auch stärker zur Kasse bittet als andere. Die Maut wird streckenbezogen erhoben. Das heißt, wer viel fährt, zahlt auch viel. Das ist gerecht, und das wird von den betroffenen Fahrzeughaltenden, übrigens den inländischen wie den ausländischen, auch akzeptiert.
Im Koalitionsvertrag haben wir die Nutzerfinanzierung durch eine Pkw-Maut vereinbart, die nicht unser Herzensanliegen ist. Aber: Eine Koalition geht man ein, um für die eigenen Vorstellungen parlamentarische Mehrheiten zu bekommen. Man schreibt Gemeinsames fest und sucht Kompromisse für den Rest. Das ist im Bund so wie in den Ländern und wie in den Kommunen. Ich denke, liebe Kollegen und Kolleginnen, die Grünen in Hessen hätten sich vor der Wahl auch nicht vorstellen können, dass sie einmal dem Weiterbau der A 44 zustimmen werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben in den Koalitionsvertrag Kriterien für die Pkw-Maut festgeschrieben, und wir werden den heute eingebrachten Gesetzentwurf daran messen. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Zweckbindung der Mittel. Auch dies ist ein Grund für die hohe Akzeptanz der Lkw- Maut. Die Einnahmen sind zweckgebunden und werden von der VIFG, der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, verwaltet – transparent und unter parlamentarischer Kontrolle. Daher werden wir diese Gesellschaft und ihr erfahrenes Personal mit der Verwaltung weiterer Gelder beauftragen. Auch der steuerfinanzierte Straßenbau kann durch die VIFG organisiert werden. Mehr Transparenz bedeutet mehr Fähigkeit zur Steuerung durch das Parlament und mehr Akzeptanz bei den Menschen, die die Steuern und Abgaben dafür aufbringen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein offener Punkt bei der Pkw-Maut ist auch die Europarechtstauglichkeit. Wir gehen davon aus, dass der Gesetzentwurf mit dem Europarecht vereinbar sein kann.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann!)
Die neue EU-Verkehrskommissarin Bulc hat bei ihrem Besuch im Verkehrsausschuss allerdings unmissverständlich erklärt, dass sie dieses Gesetz erst prüfen kann und wird, wenn es verabschiedet ist. Alles andere wäre aus ihrer Sicht auch Stückwerk. Einen Entwurf vor einem parlamentarischen Verfahren zu beurteilen, wäre unvollständig.
Wir alle kennen nun die Zahlen und Berechnungen, die dem Gesetzentwurf zugrunde liegen, aber erst seit wenigen Tagen. Was Fachabteilungen im Verkehrsministerium erarbeitet und was Fachleute nachgerechnet haben, können wir nicht in wenigen Tagen auf Plausibilität prüfen. Das wird Teil des parlamentarischen Verfahrens sein. Wir werden dort intensiv darüber beraten, ob die Annahmen über die Zahlen, zum Beispiel über die Menge der Geschäftsreisenden ohne Übernachtung, oder die Hochrechnungen älterer Verkehrszählungen auf heutige Verhältnisse schlüssig sind.
Nun wissen wir aber alle: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tja, Prognosen betreffen immer die Zukunft, Frau Lühmann!)
Dieser kritische Ausspruch wird einem Naturwissenschaftler, dem dänischen Physiker Niels Bohr, zugeschrieben, also einem Mann, der sich mit exakten Berechnungen auskannte. Wenn man seit Jahren die Berichterstattung zur Pkw-Maut in den Medien verfolgt hat, musste man eigentlich den Eindruck gewinnen, dass dazu bereits alles gesagt sei. In dieser Debatte ist uns jedoch das Gegenteil gezeigt worden. Gehen wir also mit Ruhe und Sorgfalt das Thema an. Vor uns liegen noch intensive und arbeitsreiche Wochen, bevor die Pkw-Maut hier in diesem Hause verabschiedet wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Ulrich Lange für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4661133 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Pkw-Maut |