26.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 88 / Tagesordnungspunkt 4

Sibylle PfeifferCDU/CSU - UN-Nachhaltigkeitsziele

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über die nachhaltigen Entwicklungsziele, die sogenannten SDGs, die im Herbst in New York verabschiedet werden sollen. Ich möchte zuerst auf die Millenniumsentwicklungsziele, die MDGs, zurückschauen. Sie waren nicht vollständig und willkürlich. Wir haben auch nicht alle erreicht. Aber sie waren fokussiert auf einige Kernziele, die man überprüfen konnte. Sie gaben wichtige Impulse. Es waren Zusagen möglich. Die G 7 hat sich damit befasst, und deshalb waren sie erfolgreich.

Wenn man darüber nachdenkt, kann man sehen, was jetzt auf uns zukommt. Wir werden 17 Ziele und 169 Unterziele haben. Ich finde, das ist ein ambitionierter Katalog. Er wäre nachhaltig, und er wäre umfassend. Das ist es, was wir offensichtlich alle erreichen wollen: das Umfassende, das alles Abdeckende. Das, was man bei den alten Zielen kritisiert hat, nämlich dass sie das nicht sind, haben wir jetzt bei den SDGs. Es wird so gut wie kein Bereich ausgeklammert. Die NGO-Szene ist enthusiastisch bis zum Gehtnichtmehr. Die findet das alles ganz toll.

Ich allerdings, liebe Freunde, habe einige Bedenken. Ich will sie nur einmal äußern, damit wir uns ein bisschen für die Probleme sensibilisieren. Ich befürchte, dass wir bei 17 Oberzielen und 169 Unterzielen nicht alles erreichen; bei den alten MDGs hatten wir weniger Ziele. Es könnte dazu kommen, dass sich die Staaten einzelne Ziele herauspicken, die gerade kommod sind, die sie vielleicht sogar schon erfüllt haben, dass sich Beliebigkeit breitmacht und Ziele nicht mehr der Überprüfbarkeit unterliegen. Ich fürchte, dass es uns nicht gelingt, ein System zu entwickeln, das uns alle irgendwie weiterbringt, weil jeder tut und lässt, was er will, was er kann oder was er möchte. Die Schlagkraft geht damit verloren, und ich glaube, das ist nicht richtig.

Unser Anspruchsdenken – das haben wir hier in den Reden vor allen Dingen der Opposition gehört –, jeden Sektor, jeden Aspekt und jede Kleinigkeit zu berücksichtigen, halte ich für den falschen Weg.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch kein Anspruchsdenken! Das ist Leistungsdenken!)

Wir entwickeln so keinen Markenkern. Wir sind nicht mutig genug, um uns auf einige Themen zu konzentrieren, die wir dann aber auch erreichen können. Wenn wir das nicht können und nur noch Politik nach dem Motto „Wünsch dir was“ machen – der eine will dies, der andere will jenes, der Dritte hat da eine Priorität –, dann kommen wir zu keinem Ergebnis. Das befürchte ich, und das will ich nicht.

Natürlich können wir uns, wenn wir Prioritäten setzen wollen, sehr wohl auf Prioritäten einigen. Aber wir sollten nicht über Beliebigkeit diskutieren; dafür ist die Zeit zu schade, und damit ist man nicht erfolgreich. Ich hoffe, dass wir uns in Foren wie zum Beispiel G 7 oder G 20 auf einen prioritären Katalog einigen können, den wir dann genauso nachhaltig abarbeiten, wie wir es bei den MDGs gemacht haben. Ich glaube, mit Kanzlerin Merkel haben wir da einen guten Partner. Das erkennen wir, wenn wir auf die G-7-Agenda von Elmau schauen. Da werden wir sehen, wo die Kanzlerin Prioritäten setzen will.

Das Entscheidende ist, dass wir in diesem Zusammenhang von langfristigen Entwicklungsagenden und Nachhaltigkeitszielen sprechen. ISIS, liebe Claudia Roth, und die Befriedung der Ostukraine sind Dinge, die uns im Moment beschweren. Ohne pathetisch klingen zu wollen: Hier geht es um viel mehr. Es geht nämlich darum, unsere Welt langfristig überlebensfähig zu halten.

Wenn wir an die Themen Migration, Klima, Armut und Weltbevölkerungswachstum denken, dann stellen wir fest, dass das schwierige und langfristige Entwicklungen sind, die uns beschweren werden. Schauen wir doch einmal ganz kurz auf Afrika. Im Jahr 2050 wird sich die Bevölkerung Afrikas verdoppelt haben. Wenn wir der Jugend dort keine Perspektiven, keine Ziele und keine wirtschaftliche Zukunft bieten und der Jugend kein selbstbestimmtes und würdiges Leben in Aussicht stellen können, dann wird sie den Rattenfängern vor Ort nachlaufen. Das ist so. Wir sollten nicht glauben, Boko Haram und ISIS seien weit weg und brauchten uns nicht zu interessieren. So ist es nicht. Alle Ereignisse auf der großen weiten Welt haben für uns Bedeutung.

Ich würde gerne Bundespräsident Köhler zitieren, wenn Sie, Herr Präsident, nichts dagegen haben, der gesagt hat, dass jeder von uns eigentlich weiß, dass wir nur alle zusammen alles regeln können. Alles, was auf der Welt passiert, tangiert uns hier direkt. Wir sollten nicht unterscheiden zwischen „denen da“ und „uns hier“; vielmehr sind wir alle ein ganz großes Gefüge. Wir sind eine große Schicksalsgemeinschaft. Das ist auch für unsere Wahlkreise wichtig. Sie wissen alle: Wir gehen in die Wahlkreise und reden über Ortsumgehungen, Rentenerhöhungen und Breitbandausbau. Das alles ist ganz wichtig. Ich zitiere aber Horst Köhler, der gesagt hat:

– sicherlich auch nicht zwischen dem Westen und dem Rest –

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der SDG-Prozess so wichtig. Deshalb brauchen wir einen Erfolg. Deshalb brauchen wir die neue zwischenstaatliche Ordnung, die es geben wird.

Damit einhergehend werden auch Verantwortlichkeiten reduziert, und in diesem Zusammenhang reden wir über die öffentliche Entwicklungsfinanzierung, die ODA. Die ODA ist nicht mehr die allein selig machende Finanzierungsquelle. Aber sie ist Teil der Finanzierung, und deshalb sind wir froh, dass wir die SDGs diskutieren. Wir sind erst am Beginn und müssen uns in irgendeiner Weise einigen. Ich glaube, dass es für die Zukunft unseres Planeten, unserer Erde, unserer Welt wichtig ist, dass wir erfolgreich sind hinsichtlich der Finanzierungsfragen, hinsichtlich der Gemeinsamkeiten, vor allen Dingen aber hinsichtlich der gemeinsamen Verantwortlichkeiten, die wir haben.

Wir haben mit den Nachhaltigkeitszielen, mit dem Klimaabkommen in Paris, mit der Finanzierungskonferenz in Addis Abeba die Chance, ein ganz neues Buch zu schreiben, ein Buch über ein kooperatives Verhältnis der Staaten untereinander, über Fairness, über Nachhaltigkeit in der Zusammenarbeit. Ich glaube, das ist richtig, selbst wenn uns einige für naiv halten in der Frage, ob uns überhaupt der große Wurf gelingt. Wir müssen daran arbeiten, weil es für die Zukunft, für unsere Enkel gut ist. Die Welt braucht uns. Die Welt braucht nichts anderes als die SDGs.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Carsten Träger, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4661564
Wahlperiode 18
Sitzung 88
Tagesordnungspunkt UN-Nachhaltigkeitsziele
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