Volker UllrichCDU/CSU - Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen trägt den Titel: Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der verfassungsrechtlichen Diskriminierung.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verfassungsrechtliche Diskriminierung ist etwas anderes!)
Das Wort „Diskriminierung“ beinhaltet die Abwesenheit von Respekt und Toleranz. Da muss ich ganz ehrlich sagen, Kollege Beck und auch andere: Wenn Sie hier Toleranz und Respekt einfordern, dann beweisen Sie mit Ihrer Wortwahl das Gegenteil von Toleranz und Respekt. Das ist einfach erbärmlich und dieses Hohen Hauses nicht würdig.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt darf man nicht mehr „Diskriminierung“ sagen, weil man den Diskriminierer beleidigt, oder wie?)
Im Lebenspartnerschaftsgesetz ist in vielen rechtlichen Bereichen
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Respekt vor Respektlosigkeit!)
die Gleichstellung schon vollzogen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Ja! Aber nicht wegen Ihnen!)
Wir wollen in anderen Teilen unserer Rechtsordnung, dort, wo es klarstellend ist, aber auch dort, wo die rechtlichen Verhältnisse zweier Partner betroffen sind, die Gleichstellung juristisch auf eine saubere Grundlage stellen; das ist gar keine Frage. Für uns gilt: Wer seiner persönlichen Bindung ein rechtliches Band gibt und der Gesellschaft damit in einem besonderen Maße Solidarität und Zusammenhalt signalisiert, kann auch mit der besonderen Unterstützung des Staates rechnen. Das meint auch der Schutz von Ehe und Familie. Das ist der Kern von Unionspolitik. Und da brauchen wir keine Belehrungen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, da brauchen Sie Belehrungen!)
Der Gesetzentwurf trifft jedoch Wertentscheidungen, die über die rein rechtliche Gebotenheit hinausgehen. Es geht wieder um die Frage, vor der wir schon vor einem Jahr gestanden sind: Folgen wir dem Bundesverfassungsgericht im Bereich der Sukzessivadoption, oder setzen wir eine eigene gesetzgeberische Wertentscheidung, nämlich die Volladoption zuzulassen? An den Argumenten, die wir vor einem Jahr im Hohen Hause ausgetauscht haben, hat sich bis heute nichts geändert.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Ungleichbehandlung ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht gerechtfertigt!)
Bei der Sukzessivadoption gewinnt ein Kind ein Mehr an Rechten, zum Beispiel was das Erbrecht und das Unterhaltsrecht betrifft, auch ist ein rechtliches sowie emotionales Band zu einem Partner schon vorhanden, während bei der Volladoption zwei völlig neue rechtliche Bänder entstehen
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kommt bei der Sukzessivadoption das Kind zur Lebenspartnerschaft? Durch eine Einzeladoption!)
und eine emotionale Bindung noch nicht vorhanden ist, die dann erst geknüpft werden muss. Insofern gibt es hier einen tatsächlichen Unterschied zwischen der Volladoption und der Sukzessivadoption.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege, wir reden nicht über die Stiefkindadoption! Bei der Sukzessivadoption geht es um eine Adoption in Folge! Das ist grober Unfug!)
– Herr Kollege Beck, auch wenn Sie es nicht hören wollen: Es ist diesem Gesetzgeber unbenommen, in Bereichen, in denen Ansatzpunkte für eine gesetzgeberische Wertentscheidung vorhanden sind, diese auch auszufüllen. – Entscheidender Ansatzpunkt bei der Frage der Adoption ist für uns immer noch das Kindeswohl und die Frage: Was ist für das Kind das Beste?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Im Übrigen sei auch angesprochen: Wenn Sie eine gesellschaftliche Wertentscheidung treffen wollen und wenn Sie für die Volladoption sind, dann wäre es redlicher, diesbezüglich einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir doch schon gemacht! Den haben Sie doch schon abgelehnt! Den haben wir doch schon gemacht!)
– noch einmal einbringen –, statt das Ganze als Annex zu einer an sich vernünftigen rechtlichen Regelung einzubringen. Damit täuschen Sie auch das Parlament.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wawzyniak? – Bitte.
Herr Kollege Ullrich, könnten Sie mir kurz erklären, worin im Hinblick auf das Kindeswohl der Unterschied besteht, wenn Mann und Frau eine Adoption durchführen oder wenn Mann und Mann oder Frau und Frau eine Adoption durchführen?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Das wird jetzt schwierig, da heil wieder herauszukommen!)
Es geht hier im Grunde genommen um eine gesetzgeberische Wertentscheidung, die die biologische Realität widerspiegelt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt sind wir im Karnickelstall, oder?)
Wir sind nicht gegen die Sukzessivadoption, weil hier ein Mehr an Rechten für Kinder begründet wird. Wir sagen aber auch, dass die Frage der Neubegründung von rechtlichen und emotionalen Beziehungen genau abgewogen werden muss.
Der Gesetzgeber ist nicht gezwungen, das zu tun. Deswegen hat sich der Bundestag letztes Jahr auch mit großer Mehrheit dagegen entschieden. Ich bitte Sie, das nach parlamentarischem Gebrauch zu akzeptieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Erlauben Sie eine zweite Zwischenfrage vom Kollegen Mutlu? – Bitte sehr.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie Alleinerziehenden ihr Kind wegnehmen?)
Kollege Ullrich, eigentlich dachte ich, die Frage hätte sich erledigt, weil die Kollegin das schon angesprochen hat. Aber nachdem Sie jetzt das mit der „Biologie“ gesagt haben: Können Sie mir einmal in Bezug auf das Kindeswohl diesen Gedanken der „Biologie“ noch ein bisschen ausführen? Ich habe das nicht verstanden.
(Heiterkeit bei der SPD und bei der LINKEN)
Als Laie, der ich bin, würde ich das von Ihnen gern einmal hören.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Herr Kollege, ich glaube, diese Debatte eignet sich nicht, um anekdotische und auch ironische Bemerkungen fallen zu lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das war nun wirklich eine Frage.
Sie müssen auch einmal zur Kenntnis nehmen, dass beispielsweise auch nicht verheiratete Paare kein Adoptionsrecht haben.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da liegt es an der familienrechtlichen Stabilität!)
Der Gesetzgeber nimmt eben in diesem Bereich verschiedene Wertungsentscheidungen vor, und diese Wertungsentscheidungen hat dieser Bundestag im letzten Jahr anerkannt. Daran wollen wir im Augenblick nicht rütteln lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verstolpern sich immer mehr!)
Der zweite Punkt, warum dieser Gesetzentwurf unseren Widerspruch erfährt, ist die Neuregelung des Artikels 17 b Absatz 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Nach dieser Regelung dürfen die rechtlichen Verhältnisse einer im Ausland geschlossenen Lebenspartnerschaft nicht über die hinausgehen, die man im Inland den Menschen zugesteht.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der Ehe haben wir so etwas nicht!)
Sie können – ich sage es Ihnen ehrlich – Rechtssicherheit nicht dadurch bekommen, dass Sie diese klare Klausel durch eine vage Generalklausel des Ordre public ersetzen und damit nicht zur Rechtsklarheit und Rechtswahrheit beitragen. Dass Sie eine klare Regelung durch eine Generalklausel ersetzen, das trägt nicht zur Rechtssicherheit bei. Deswegen sind wir auch – im Übrigen haben das auch das Bundesministerium des Innern und das Bundeskanzleramt zutreffend bemerkt – gegen diesen Vorschlag.
Herr Ullrich, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung des Kollegen Beck?
(Zuruf von der CDU: Kontrollieren Sie einmal, dass er nicht wieder ausrastet!)
– Darauf werde ich achten. Da brauche ich Ihre Hilfe nicht.
Herr Kollege, könnten Sie denn bitte dem Hohen Haus erläutern, wie wir das beim Eherecht regelten, dass die ausländischen Regelungen hier greifen, oder beschränken wir auch die Ehe so, wie wir die Lebenspartnerschaft im Lebenspartnerschaftsgesetz in ihren Rechtswirkungen beschränken, im internationalen Privatrecht und im deutschen Familienrecht in dieser Art und Weise?
Kollege Beck, wir führen jetzt keine juristische Debatte
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht einfach um die Wahrheit!)
über die Wirkung der Ehe, sondern es geht um Ihren konkreten Vorschlag, eine Norm, die sich bewährt hat und die einen klaren Rechtsgedanken zum Ausdruck bringt, abzuschaffen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir passen an das an, was bei der Ehe gilt, Herr Kollege!)
Diese Norm wollen wir beibehalten. Darum geht die Debatte. Wir haben gute Gründe, diese Norm beizubehalten, weil diese Norm – Artikel 17 b BGBEG – zur Rechtssicherheit und Rechtsklarheit beiträgt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, die Debatte zeigt, dass hier viele Aufgeregtheiten im Spiel sind, die nicht notwendig sind.
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Bundesregierung wird in den nächsten Wochen und Monaten einen Gesetzentwurf vorlegen, in dem alle diese Punkte, bei denen es geboten ist, die Gleichstellung endgültig durchzusetzen, geregelt sein werden. Dort, wo eine gesetzgeberische Wertentscheidung über diese Gebotenheit hinausgeht – bei der Frage Artikel 17 b und bei der Frage der Volladoption –, wird dieser Gesetzentwurf die von Ihnen gewünschten Regelungen nicht beinhalten.
Die parlamentarische Debatte und auch die Abstimmung am Ende des Verfahrens werden zeigen, welcher von den Vorschlägen die Mehrheit bekommt. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir überall dort, wo die Gleichstellung notwendig ist und wo sie auch geboten erscheint, beherzt und gern zustimmen. Aber dort, wo es einen gesetzgeberischen Spielraum gibt, werden wir ihn wahrnehmen, weil wir letztlich nur so unseren verfassungsmäßigen Auftrag erfüllen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viel Diskriminierung, wie Sie glauben, dass möglich sei, möchten Sie gern behalten!)
Vielen Dank, Kollege Ullrich. – Nächste Rednerin in der Debatte: Caren Lay für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4661817 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft |