Katarina BarleySPD - Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft
Zum Sprengstoffgesetz, meine sehr verehrte Frau Präsidentin, wollte ich jetzt eigentlich nicht ausführen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts bei uns in Deutschland ist bunt, ist vielfältig, und das ist auch gut so. Es gibt viele unterschiedliche Formen des Zusammenlebens. Es gibt verheiratete Paare, unverheiratete Paare, Patchworkfamilien, Regenbogenfamilien, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. All das ist in der Realität längst akzeptiert. Ich selbst komme aus einem sehr katholisch geprägten Wahlkreis, aus einer kleinen Stadt. Bei uns existieren all diese Lebensformen sehr friedlich und normal nebeneinander.
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und ohne Sprengstoff!)
– Genau, ganz ohne Sprengstoff. – Leider findet diese Normalität noch keine vollständige Entsprechung in der Gesetzgebung. Bei den Rechten und auch bei den Pflichten besteht noch immer Handlungsbedarf, diese gesellschaftliche Realität auch rechtlich abzusichern.
Bei den gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften haben wir schon viel erreicht. Aber von einer hundertprozentigen Gleichstellung sind wir noch immer entfernt, und das – das ist heute schon mehrfach angeklungen –, obwohl das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe immer wieder entschieden hat, dass Ungleichbehandlungen von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften verfassungswidrig sind. Wir alle hier im Hause wissen das. Aber noch immer findet rechtliche Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung statt. Noch immer werden gleichgeschlechtliche Paare in einer Reihe von Rechtsbereichen gegenüber Ehepaaren benachteiligt, zum Beispiel bei der Namensgebung des Kindes, bei der Übernahme von Mietverträgen sowie bei Insolvenz- oder Zwangsversteigerungsverfahren. Noch immer werden in einigen Vorschriften, vor allen Dingen im Zivil- und Verfahrensrecht, Lebenspartnerschaften unterschiedlich behandelt, ohne dass es dafür einen überzeugenden Grund gäbe.
Ich möchte nach dem bisherigen Debattenverlauf noch einmal auf die Adoption eingehen. Das ist ein besonders wichtiges Thema, weil es dabei um das Kindeswohl geht. Wir müssen uns ja vor Augen führen: Wir reden hier nicht über Rechtsvorschriften, sondern über real existierende Menschen. Schon heute leben viele Kinder in gleichgeschlechtlichen Familien, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften; manche von ihnen im Wege der Sukzessivadoption rechtlich legalisiert als Familie, andere eben nicht. Herr Kollege Ullrich, Sie verwechseln da vielleicht die Sukzessivadoption mit der Stiefkindadoption.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auch bei der Sukzessivadoption muss das Kind nicht von einem Ehepartner stammen.
Wir müssen uns, glaube ich, schon darüber bewusst sein, welche Auswirkungen es hat, wenn wir sagen: Wir gewähren euch das Recht, eine normale Familie zu sein, eben nicht.
(Zuruf des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/ CSU])
Auch hier geht es, Frau Sütterlin-Waack, um das Kindeswohl. Wir dürfen den Kindern, die in einer gleichgeschlechtlichen Familie groß werden und nicht unter die Regelungen einer Sukzessivadoption fallen, nicht den Eindruck vermitteln, dass sie weniger wert sind und dass ihre Familie in rechtlicher Hinsicht weniger eine Familie ist als eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft, die in den Genuss der Vorteile einer Sukzessivadoption gekommen ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch das Bundesverfassungsgericht das so sehen wird.
(Zuruf von der CDU/CSU: Glaube ich nicht!)
Auch da liegt ein bisschen das Problem. Ich finde es als Juristin eher peinlich, wenn wir als Gesetzgeber unsere Verantwortung nicht wahrnehmen, sondern uns vom Bundesverfassungsgericht immer wieder sagen lassen müssen,
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehenden Auges!)
dass wir unserer Verantwortung nicht gerecht werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die vollständige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften ist uns ein Kernanliegen. Wir haben damit im Wahlkampf Werbung gemacht; das ist richtig.
(Mechthild Rawert [SPD]: Und das war gut so!)
– Stimmt, das war auch gut so. – Wenn uns alle lesbischen und schwulen Paare gewählt hätten, dann hätten wir vielleicht etwas mehr Durchschlagskraft gehabt, um das in der jetzigen Koalition durchsetzen zu können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann gäbe es den Gesetzentwurf heute nicht!)
Das wäre vielleicht ein Appell für das nächste Mal.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir haben den klaren Auftrag aus dem Grundgesetz und auch vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, die Gleichstellung vollständig umzusetzen. Das steht in unserem Koalitionsvertrag, und wir lassen dieses Ziel nicht aus den Augen.
Das Bundesverfassungsgericht ist kein Ersatzgesetzgeber. Die Pflicht und das Recht zur Gestaltung liegen beim Parlament. Alles andere wäre für uns ein Armutszeugnis. Wir werden weiterhin auf die Umsetzung des Koalitionsvertrags dringen. Der Justizminister hat einen Referentenentwurf vorgelegt; der Kollege Brunner hat das schon ausführlich beleuchtet. Wir werden nicht nachlassen, bis zum Ende der Legislaturperiode hier noch Verbesserungen vorzunehmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin.
Ich darf einmal ganz kurz Weiterbildung betreiben – danke für die Information –: Laut Sprengstoffgesetz gilt die Fortsetzung der Erlaubnis zum Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen nach dem Tode des Erlaubnisinhabers oder der Erlaubnisinhaberin für Ehegatten, nicht für Lebenspartner bzw. Lebenspartnerinnen. – Das war eine Erläuterung, weil Sie alle so unwissend geschaut haben.
Nächste Rednerin: Ulle Schauws für Bündnis 90/Die Grünen.
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 88 |
Agenda Item | Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft |