Gudrun ZollnerCDU/CSU - Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemeinsam durchs Leben zu gehen, füreinander da zu sein, gegenseitig Verantwortung zu übernehmen, das sind Werte, die unsere Gesellschaft ausmachen. Diese gelebten Werte finden wir besonders im Zusammenleben von zwei Menschen, die sich entschließen, zu heiraten. Wenn ein Mann und eine Frau diesen Schritt tun, nennen wir es klassische Ehe. Wenn zwei Frauen oder zwei Männer diesen Schritt tun, nennen wir es eingetragene Lebenspartnerschaft. Die gelebten Werte finden wir aber hier wie dort.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Trotzdem: Wenn man bezogen auf die Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe, wie im Gesetzentwurf der Grünen angesprochen, von Verfassungswidrigkeit spricht, möchte ich darauf verweisen, dass die Privilegierung der Ehe immer noch im Grundgesetz verankert ist.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat das Bundesverfassungsgericht in sechs Entscheidungen anders gesehen! Sind Sie des Lesens nicht mächtig? – Caren Lay [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)
Im letzten Familienbericht der Bundesregierung wird thematisiert, dass die Pluralisierung der Lebensformen zunimmt. Dazu gehören neben der klassischen Familie auch Singles, unverheiratete Paare, Alleinerziehende und eben auch homosexuelle Paare, Mütter- und Väterpaare. Die Regenbogenfamilien erobern ihren eigenen Platz in der Familienlandschaft. Deshalb setzt sich die Regierungskoalition intensiv mit diesem Thema auseinander. Auch interfraktionell wird in den einzelnen Arbeitsgruppen sehr professionell diskutiert und miteinander umgegangen.
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das wissen wir ja nicht! Das ist ja geheim!)
Das würde ich mir oft auch hier im Plenum wünschen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für das gute interfraktionelle Arbeiten möchte ich mich ganz herzlich bei den einzelnen Kolleginnen und Kollegen bedanken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Seit Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahre 2001 gibt es eine weitgehende Gleichbehandlung von Lebenspartnern und Eheleuten. In vielen wesentlichen Bereichen sind Lebenspartner mit Ehegatten mittlerweile gleichgestellt worden. Noch in der letzten Legislaturperiode wurde geregelt, dass das Ehegattensplitting auch für Lebenspartner gilt, womit diese Benachteiligung rückwirkend zum Jahr 2001 behoben wurde. Damit profitieren auch Lebenspartner und nicht nur Ehegatten vom Splittingvorteil bei der Einkommensteuer.
Erst letztes Jahr wurden die Regelungen zur Sukzessivadoption vom Deutschen Bundestag umgesetzt. Hier möchte ich etwas ganz Persönliches hinzufügen: Ich bin alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen. Es war nicht einfach, zwei Kinder ohne ihren Vater großzuziehen. Die Funktion des männlichen Vorbilds konnte ich als Frau nicht erfüllen; es fehlte. Das möchte ich zu diesem Punkt, Kindeswohl, einfach nur anführen.
Mit dem bis letztes Jahr laufenden bundesweiten Modellprojekt „Homosexualität und Familien“ unterstützte das Bundesfamilienministerium Beratungsstellen, damit heterosexuelle Angehörige beim späten Coming-out eines Partners oder Kindes kompetent begleitet werden konnten.
Ansprechen möchte ich außerdem an dieser Stelle die hervorragende Arbeit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die 2011 von der Bundesrepublik Deutschland errichtet worden ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
In den vergangenen Jahren ist viel für Andersliebende getan worden. Die Regierungsparteien möchten diesen Weg fortsetzen und haben deshalb die Anliegen der Homosexuellen auf der Tagesordnung, insbesondere was den Bereich Diskriminierung und Homophobie angeht. Erst gestern war die Auftaktkonferenz des Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“. Eine der Arbeitsgruppen hat sich mit dem Thema beschäftigt, wie man Akzeptanz für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt herstellen kann. In diesem Zusammenhang soll es zum Abbau von Homophobie ein bundesweites Projekt und mehrere Modellvorhaben geben.
Eine tolerante Gesellschaft lässt sich aber nicht nur durch Gesetze verordnen. Toleranz kann nur erreicht werden, wenn wir Vorurteile abbauen, auch gegenüber der CSU, Frau Kollegin,
(Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber CSU- Mitglieder dürfen untereinander heiraten?)
wenn wir aufeinander zugehen und wenn wir bereit sind, andere Lebensentwürfe zu akzeptieren und zu respektieren, und zwar von allen Seiten. Wie wichtig das ist, wird deutlich, wenn wir über die Grenzen Deutschlands hinausblicken. So geht die Diskriminierung und Verfolgung homosexueller Menschen in mehreren afrikanischen Ländern ungebremst weiter; im asiatischen Raum werden sie zum Teil sogar mit dem Tod durch Steinigung bestraft. Weltweit ist Homosexualität noch in über 70 Staaten strafbar. Dazu kommen Länder wie Russland, wo Homosexualität zwar legal ist, Schwule und Lesben aber dennoch massiv unter Unterdrückung und Repressalien leiden. Es gilt daher, Diskriminierung und Homophobie entschieden entgegenzuwirken und für Toleranz und Respekt einzutreten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es ist unstrittig, dass Lebenspartnerschaften heute zu unserer Gesellschaft gehören, dass Regenbogenfamilien alltäglich und doch anders sind. Wir werden deshalb „weiterhin bestehende Ungleichbehandlungen“, wie es im vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen heißt, durch einen eigenen Entwurf, der aktuell in den Ressorts zur Abstimmung liegt, aufgreifen. Änderungen im Sozialrecht, der Zivilprozessordnung, der Insolvenzordnung, im BGB usw. werden gemäß dem Koalitionsvertrag umgesetzt, sodass die entsprechenden Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechterstellen, zeitnah beseitigt werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Frau Kollegin Zollner. – Nächster Redner in der Debatte: Johannes Kahrs für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Ich bin mal gespannt, ob er vollumfänglich aussagt!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4661848 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft |