Johannes KahrsSPD - Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 1998 bin ich im Deutschen Bundestag. Seit 1998 diskutieren wir dieses Thema. Seit 1998 gibt es hier in diesem Hohen Hause von vielen Parteien große Bereitschaft, dieses Thema abzuräumen und ein für alle Mal klar zu sagen, dass der, der die gleichen Pflichten hat, auch die gleichen Rechte beanspruchen darf.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir sind uns hier in großen Teilen des Hauses einig.
Das Tempo dieser Entwicklung hat sich allerdings immer an den Entwicklungsfortschritten in der Union bemessen. Das hat gedauert.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dauert an!)
Man sieht ja: Wir sind jetzt im Jahr 2015 und sind immer noch nicht da angekommen, wo wir hinwollen. Aber an dem, was wir heute von der Kollegin Sütterlin-Waack und von der Kollegin Zollner gehört haben, sieht man, wie weit die Union sein kann. Das hätte ich 1998 oder 2005 nie gedacht. Man muss anerkennen: Es geht weiter, und es gibt Fortschritt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Michaela Noll [CDU/CSU]: So sind wir!)
Trotzdem kann ich verstehen, dass es vielen Betroffenen in diesem Land nicht schnell genug geht. Für die, die 16, 20, 25 oder 30 Jahre alt sind, die sich selber fragen, ob sie sich outen möchten, die in diesem Land einen Arbeitgeber haben, der das vielleicht anders sieht, wäre es schon gut, wenn der Deutsche Bundestag die gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt und nicht hinterhertrödelt oder vom Verfassungsgericht geschoben oder getreten werden muss. Das wäre der Auftrag des Deutschen Bundestages. Daran, finde ich, müssen wir uns messen lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wenn wir uns diese Debatte angucken, stellen wir fest, dass es immer wieder einige Kolleginnen und Kollegen gibt, bei denen die gesellschaftliche Realität später ankommt. Wir haben das Problem, dass viele die jetzige Regelung, die jetzige Gesetzeslage, als Diskriminierung wahrnehmen – ich zum Beispiel.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich auch!)
In der Union wird das in Teilen anders gesehen. Jeder hilft sich, wie er kann. Aber am Ende ist es so, dass wir als Gesetzgeber darauf hinwirken müssen, dass es gleiche Rechte und gleiche Pflichten gibt für jede Frau, für jeden Mann.
Wir müssen uns zum Beispiel der Frage stellen, die auch eben schon diskutiert worden ist, wie es denn mit der Privilegierung der Ehe ist. Ich finde, man muss sich überlegen, was man privilegiert, und sollte überall da privilegieren, wo es Kinder gibt, wo Kinder aufgezogen werden. Die bedürfen der Fürsorge des Staates. Da ist das gesellschaftliche Engagement notwendig. Ich persönlich sehe gar nicht ein, warum diejenigen, die in einer Lebenspartnerschaft leben, und diejenigen, die in einer Ehe leben, nicht gleichbehandelt werden.
Zum Zwecke, diese Gleichbehandlung sicherzustellen, legt Heiko Maas jetzt einen Gesetzentwurf vor, der das umsetzt, was im Koalitionsvertrag steht, also was wir mit der CDU/CSU vereinbart haben. Dieser Gesetzentwurf ist übrigens auch besser als der, den die Grünen vorgelegt haben. Deswegen freue ich mich, wenn wir diesen Gesetzentwurf zügig bekommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das heißt, wir werden rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechterstellen, beseitigen. Das ist gut so. Das werden wir tun. Ich glaube, dass es im wahren Leben auch etwas Selbstverständliches ist. Traurig ist, dass es bis zum Jahre 2015 gedauert hat, das zu realisieren.
(Beifall der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
An dieser Stelle ist es allerdings so, dass unser Koalitionsvertrag der Union hilft – ich sage einmal –, über die vielbefahrene Straße der modernen Gesellschaft zu kommen. Ich lese ja, wie die Union sich bemüht – ich bin Hamburger und habe es gerade erlebt –, dass man über sie als eine moderne Großstadtpartei spricht. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich glaube, das Thema Großstadtpartei hat sich für Sie so lange erledigt, wie die Zielgruppe der Lesben und Schwulen weiterhin glaubt, dass sie durch Ihre Politik täglich diskriminiert wird. Das mögen Sie anders sehen, aber es gilt in diesem Fall der Empfängerhorizont. Es gelten in diesem Fall die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Es gilt in jedem Fall – so sehe ich das – die Wahrheit, die Lebensrealität, so wie sie bei den Menschen ankommt.
Das heißt, wir im Deutschen Bundestag müssen uns darum kümmern, dass dieses Thema bald abgeräumt wird. Wir im Deutschen Bundestag sind in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass Lesben und Schwule gleichgestellt werden, und zwar in allen Bereichen. Wenn man sagt, auf der einen Seite gibt es die Lebenspartnerschaft und auf der anderen Seite die Ehe, und beide sind rechtlich komplett gleichgestellt, dann stelle ich mir als ganz schlichter Mensch, als Hamburger,
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
die Frage: Wie kann es sein, dass man etwas, was gleich ist, nicht auch gleich nennen kann? Warum ist es, Gott verdammt noch mal, nicht möglich, dies auch Ehe zu nennen?
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])
Es muss doch möglich sein, dass wir uns in diesem Hohen Hause einmal tief ansehen und sagen, dass Menschen, die füreinander einstehen, die Pflichten und Rechte haben, auch in einer Ehe sind. Die Privilegierung der Ehe ist nicht gefährdet, wenn Lesben und Schwule auch in einer Ehe sind; denn den anderen wird nicht etwas weggenommen, sondern es gibt dann eine Gleichstellung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das ist das Ziel, das Sie in unserem Grundgesetz finden und das sogar im Koalitionsvertrag steht. Ich hoffe, dass wir es in dieser Legislaturperiode mit der Union schaffen, auch noch über diese Hürde zu kommen.
Seit 1998 nehmen wir hier Hürden, mal mehr, mal weniger, mal hilft uns das Verfassungsgericht. Am Ende werden wir alle in der gesellschaftlichen Realität ankommen, auch die Kolleginnen und Kollegen der Union. Die Frage ist: Wie hoch soll der Preis noch sein, den Sie bereit sind, dafür zu zahlen? Hat Ihnen Hamburg nicht gereicht? – Warten wir Bremen ab; dann können wir uns die nächsten Landtagswahlen ansehen.
Ich glaube, die gesellschaftliche Realität ist weiter. Es gilt weiterhin: 100 Prozent Gleichstellung nur mit der SPD.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da warten wir jetzt einmal den Referentenentwurf ab, und dann gibst du mir eine Runde aus!)
Vielen Dank, Johannes Kahrs. – Der letzte Redner in dieser Debatte: Armin Schuster für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Electoral Period | 18 |
Session | 88 |
Agenda Item | Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft |