Claudia Roth - Portugal: Rückzahlung der IWF-Finanzhilfe
Frau Präsidentin, herzlichen Dank für diese Eisbrecherfunktion zur Eröffnung einer Debatte, von der ich behaupten möchte, dass sie zu den erfreulicheren Facetten der europäischen Stabilisierungspolitik in dieser Woche zählen dürfte. Wir reden über Portugal. Die Portugiesen haben beantragt, einen Teil ihrer aus Solidarität und im Ausgleich gegen wirtschaftspolitische Reformen erhaltenen Kredite vorzeitig zurückzuzahlen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber im Deutschen Bundestag und, glaube ich, auch in der europäischen Zusammenarbeit gilt: Wer einen Kredit vorzeitig zurückzahlen kann und möchte, der scheint wirtschaftlich auf einem guten Kurs zu sein. Die Zusammenarbeit zwischen Portugal, der Troika und der Euro-Gruppe ist offenkundig ein Erfolg.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das geht nicht nur aus dem Antrag, sondern auch aus den Daten zu Portugal hervor. Portugal wächst wieder, im Übrigen stärker als der Durchschnitt der Euro-Zone. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Sie ist immer noch zu hoch, aber die Richtung stimmt. Die Beschäftigung nimmt zu, und die Arbeitslosigkeit sinkt.
Die Wettbewerbsfähigkeit der portugiesischen Volkswirtschaft gemessen an den Lohnstückkosten verbessert sich. Infolgedessen ist das enorme Leistungsbilanzdefizit, das vor einigen Jahren noch ein Indikator für die mangelnde wirtschaftspolitische und wirtschaftliche Performance der Portugiesen war, nahezu ausgeglichen.
Das Vertrauen der Märkte, also der Geldgeber, die Portugal anstelle der europäischen Steuerzahler Geld leihen mögen, ist zurückgekehrt. Das ermöglicht diese entsprechende Entwicklung.
Portugal unterscheidet sich von anderen Ländern, über die wir in diesen Tagen diskutieren, auch dadurch, dass die portugiesische Finanzministerin, Maria Albuquerque, bei ihrem Besuch in Deutschland in der vergangenen Woche ein klares Bekenntnis geleistet hat. Nicht nur, dass sie alles zurückzahlen möchte, was wir auf europäischer Ebene den Portugiesen zur Verfügung gestellt haben, sondern sie hat auch ein klares Bekenntnis geliefert, dass sie die wirtschaftspolitischen Reformen, die auch für Portugal schmerzhaft waren und Opfer gefordert haben, fortsetzt, weil sie gut für Portugal und gut für Europa sind. Das ist eine gute Botschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wenn Portugal nun einen Teil seines IWF-Kredits – es geht hier immerhin um rund 14 Milliarden Euro – wegen aktuell günstiger Finanzierungsbedingungen zurückzahlen will, sollten wir uns diesem Anliegen positiv nähern, und zwar in dem Sinne, wie es die charmante Präsidentin gesagt hat, nämlich indem wir gemäß § 3 Absatz 2 Nummer 2 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes die Zustimmung des Deutschen Bundestages für eine entsprechende Vereinbarung mit den Portugiesen herbeiführen. Diese Zustimmung ist vor allen Dingen deswegen notwendig, weil Portugal von der sogenannten Parallelitätsklausel für die vorzeitige Tilgung von Darlehen der EFSF abweichen will. Diese Abweichung bedeutet – das will ich in aller Klarheit sagen –, dass Portugal seine IWF-Kredite teilweise vorzeitig tilgen kann, ohne dass die EFSF eine vorzeitige Rückzahlung ihrer Kredite verlangt.
Wenn ich sehe, dass der Teil der Kredite, den wir von der Parallelitätsklausel ausnehmen, teilweise doppelt so hoch verzinst wird wie unter derzeitigen finanzmarktwirtschaftlichen Bedingungen, kann ich den Antrag Portugals unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten völlig nachvollziehen. Damit erhöht sich die Schuldentragfähigkeit Portugals und steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch die anderen Kredite ordnungsgemäß und vollständig im Rahmen des Zeitplans bedient werden.
Vor diesem Hintergrund bittet die Bundesregierung durch den Bundesfinanzminister um Ihre unmittelbare Zustimmung zu dieser Änderung der Vereinbarung mit Portugal. Wenn Sie zustimmen, signalisieren Sie Respekt vor dem erfolgreichen wirtschaftspolitischen Kurs der portugiesischen Regierung, die aus einer schwächelnden wieder eine wachsende Volkswirtschaft gemacht hat. Sie erleichtern die weitere finanz- und wirtschaftspolitische Erholung Portugals, wenn Sie gestatten, dass die teuren Teile der Kredite ausgegliedert werden. Mit Ihrer Zustimmung geben Sie ein Signal, das nicht nur in Portugal vernommen wird: Anstrengungen und Reformen lohnen sich. – Wachstum und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sind Indikatoren, die Europa zusammenhalten. Sie unterstützen eine Regierung, die ihren Reformkurs fortsetzen möchte und zu ihren Verpflichtungen steht. Die portugiesische Regierung sagt Ja zu Reformen und Ja zu Europa.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Steffen Kampeter. – Nächster Redner in der Debatte ist Richard Pitterle für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4662085 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Portugal: Rückzahlung der IWF-Finanzhilfe |