26.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 88 / Tagesordnungspunkt 7

Ewald SchurerSPD - Portugal: Rückzahlung der IWF-Finanzhilfe

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Entscheidend ist, dass Portugal in der Tat in der Lage ist, sich wieder am Kapitalmarkt zu vernünftigen, bezahlbaren Bedingungen zu refinanzieren; darauf hat Staatssekretär Kampeter richtigerweise hingewiesen. Portugal kann es sich jetzt im Prinzip leisten, mit leichten wirtschaftlichen Gewinnen den teuersten der drei Kredite, nämlich den des IWF, vorzeitig über 30 Monate hinweg zu tilgen. Das ist ein gutes Zeichen. – Das war der erste Punkt.

Zweiter Punkt. Wir diskutieren manchmal ein bisschen im luftleeren Raum. Man darf eine Analogie nicht vergessen. Wir reden morgen über Griechenland. Dort gab es von 1967 bis 1974 angesichts der schweren Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges – das ist auch unsere Verantwortung – ein Obristenregime. Portugal hatte bis 1974 ein faschistoides Regime. Darin liegt die Analogie. Wir wissen aus der Wirtschaftswissenschaft und aus der Praxis, dass Länder, in denen lange Zeit keine zivilen Kräfte regieren, bei den Investitionen im öffentlichen Sektor wie auch im privaten Sektor schlecht dastehen. Dies hat die beiden Länder sicherlich schwer getroffen. Da haben sich die Potenziale einer sozialen Marktwirtschaft nicht wirklich entwickeln können.

Der nächste Punkt. Die Weltwirtschaftskrise von 2008 – erst einmal die Finanzkrise, in der Folge die Wirtschaftskrise – hat den Ländern, die eh schon riesige strukturelle Defizite hatten, auf brutale Weise – in einer Art Reality Check – gezeigt, wo sie stehen. Sie sind dann besonders hart getroffen worden. Insofern sind die Kritiken, zum Beispiel die Einlassungen des Kollegen Kindler, ein Stück weit richtig. Da wurde dann so hart gespart – in Portugal hat es zu einer Korrektur durch das dortige Verfassungsgericht geführt –, dass man schon sagen muss: Man sollte mit einer gewissen Nachdenklichkeit über dieses Thema diskutieren. Insofern werden kritische Sequenzen von mir durchaus anerkannt.

Jetzt geht es darum: Portugal hat sich jetzt ein Stück weit erholt; ich würde das gern auch über Griechenland sagen können. Wenn man die Makroökonomie Portugals betrachtet, dann erkennt man, dass es bisher vor allen Dingen Zuwächse in der Binnenwirtschaft gibt, weil die Kaufkraft im Lande gestiegen ist.

Im Übrigen ist Folgendes interessant: Weil Portugal immer noch Probleme bei der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU hat, hat das Land versucht, die alten Kolonialstrukturen zu restrukturieren und zum Beispiel mit Brasilien mehr Handel zu betreiben. Portugal hat versucht, darüber kleine Vorteile zu akquirieren. Das ist dem Land in bedingtem Maße gelungen; das ist interessant. Es hängt also mit der Binnenkonjunktur und mit den alten Strukturen der Kolonialwelt zusammen, die – wie alle kolonialen Strukturen – nicht sehr schiedlich- friedlich und demokratisch waren.

Noch immer – lieber Steffen Kampeter, das wissen wir – leidet Portugal darunter, dass seine Konkurrenzfähigkeit innerhalb der EU nicht optimal ist. Um es ganz vorsichtig zu sagen: Portugal hat, was Produktivität angeht, viel aufzuholen.

Wenn junge Leute mit einer Ausbildung – was wir nicht wollen – das Land verlassen, ist das für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes nicht gut. Deswegen sind diese Zeichen, die jetzt im Hinblick darauf gesetzt werden, dass man sich wieder selbst entschulden kann, verdammt wichtig für die Psychologie und – wie es der Herr Staatssekretär gesagt hat – das Vertrauen. Insofern ist es auch wichtig für die Fähigkeit, im Land zu investieren.

Im Rahmen des 300 Milliarden-Euro-Plus-Programms, das in Brüssel mit unserer Hilfe konstruiert und gezeichnet wird – das müssen sowohl die Bundesregierung als auch Union und SPD beachten –, muss ganz gezielt – auch das hat der Kollege Kindler angesprochen – investiert werden. Es muss in neue Projekte und Wertschöpfungen investiert werden, um Chancen gerade für die junge Generation zu eröffnen, damit deren Angehörige wieder im Lande bleiben können.

Was Bildung und Ausbildung anbelangt, wäre unser dualer Weg, bei dem sich die Sozialpartner, die Gewerkschaften und die Arbeitgeber auf belastungsfähige Konstrukte einigen, von größter Wichtigkeit. Wir sollten nicht nur klagen, sondern sagen: Junge Menschen brauchen eine profunde Berufsausbildung, damit sie im Lande investieren können. – Das sind für mich die ganz großen Projekte, um die es an der Stelle geht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

– Herzlichen Dank! – Meine letzte Aussage lautet: Es ist ein guter Deal, dass EFSF und EFSM der Konstruktion zustimmen, sodass innerhalb von 30 Monaten im Rahmen der einzelnen Teilschritte der Tilgung eine halbe Milliarde Euro gespart werden kann. Wenn diese halbe Milliarde Euro in wirtschaftliches Leistungsvermögen investiert werden würde, wären wir schon wieder auf dem richtigen Weg.

Insgesamt kann und muss man sagen: Portugal hat jetzt wirklich das Schlimmste hinter sich. Es ist in der Lage, sich wieder ein Stück weit frei zu refinanzieren. Es gibt die Hoffnung, dass die Europäische Union und wir mit unserer großen Verantwortung als Partner Portugal auf einen guten Weg in die Zukunft führen, indem wir das Land massiv unterstützen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Alois Karl das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4662168
Wahlperiode 18
Sitzung 88
Tagesordnungspunkt Portugal: Rückzahlung der IWF-Finanzhilfe
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