Helmut BrandtCDU/CSU - Mitwirkungsrecht für Kommunen bei Gesetzgebung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren Zuschauerinnen und Zuschauer! Angesichts der zentralen Bedeutung der Kommunen gibt es durchaus gute Gründe, Frau Kassner, sich mit ihrer Lage auseinanderzusetzen – heute und auch künftig. Insofern stimme ich mit Ihnen durchaus überein. Die Kommunen sind tatsächlich in einer nicht ganz einfachen Lage. Immer wieder sehen sie sich Entscheidungen des Bundes, aber auch der Länder gegenüber, die ihnen Aufgaben aufbürden, insbesondere im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, die sich natürlich auch auf die Steuereinnahmen der Kommunen auswirken.
Ich verstehe, dass sich mancher Kommunalpolitiker gelegentlich mehr Einflussmöglichkeiten bei Entscheidungen von Bund und Ländern wünscht. Das war während meiner Zeit als Kommunalpolitiker nicht anders. Wir haben in den letzten Jahren – das ist hier mehrfach gesagt worden – finanziell sehr viel für die Kommunen getan und deutlich gemacht, dass eine Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände an politischen Entscheidungen, die die Kommunen betreffen, notwendig, aber eben auch gewollt ist.
So haben wir im Zuge der Föderalismusreform die Forderung der kommunalen Spitzenverbände, dass den Kommunen künftig keine Bundesaufgabe mehr direkt übertragen wird, eins zu eins umgesetzt. Der Weg neuer Aufgabenübertragungen auf Städte und Gemeinden führt seitdem nur über die Länder, und es wäre schön, wenn die Länder bei dieser Debatte hier stärker vertreten wären. Aufgrund der in den jeweiligen Landesverfassungen verankerten Konnexitätsregelungen ist die Übertragung von Aufgaben auf die Kommunen ohne eine entsprechende Finanzierung dem Grunde nach ausgeschlossen.
Wir haben die Vorschläge der Gemeindefinanzkommission, der selbstverständlich auch Vertreter der kommunalen Spitzenverbände angehörten, umgesetzt. Auch diese Vorschriften wurden bereits benannt. Die Sollvorschrift in § 69 Absatz 5 Satz 1 der Geschäftsordnung des Bundestages wurde in eine Istvorschrift umgewandelt, sodass die kommunalen Spitzenverbände seitdem ein Recht auf Stellungnahme im federführenden Ausschuss haben, und zwar immer dann, wenn wesentliche Belange der Kommunen berührt werden. Das wird auch so gehandhabt. Der Kollege hat ein gutes Beispiel dafür schon im vorbereitenden Gesetzgebungsverfahren aufgezeigt.
Daneben wurde in § 70 Absatz 4 der Geschäftsordnung geregelt, dass den kommunalen Spitzenverbänden Gelegenheit zur Teilnahme an einer öffentlichen Anhörung zu entsprechenden Gesetzentwürfen zu geben ist. Damit weiß jeder, dass die Einbindung der kommunalen Ebene in unsere Entscheidungen auf Bundesebene gewährleistet ist.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke, was soll noch mehr an Verbindlichkeit hergestellt werden? Ich habe Ihrer Rede, Frau Kassner, offen gesagt, nicht genau entnehmen können, worauf Ihr Antrag abzielt. Geht es lediglich um die Einführung eines selbstständigen Ausschusses oder auch um darüber hinausgehende Modelle? Das ist weder in Ihrer Antragsschrift noch in Ihren Ausführungen klar geworden. Deshalb vermisse ich konkrete Vorstellungen Ihrerseits, was eigentlich geändert werden soll.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen – auch Sie; das hat der Kollege Özdemir zu Recht sehr schön ausgeführt –, dass die Kommunen gemäß unserer Verfassung nun einmal keine eigenständige staatliche Ebene darstellen. Vielmehr haben wir nach der Wertung des Grundgesetzes einen zweigliedrigen Bundesstaat. Ich denke, dass das gut ist, und zwar aus folgendem Grund: Wir haben auf der einen Seite – das ist erwähnt worden – den Unterausschuss Kommunales, also einen Ausschuss, der sich durchaus mit kommunalen Belangen beschäftigt.
(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ohne Selbstbefassungsrecht!)
– Bisher ist noch kein einziger Antrag, den Ausschuss anzurufen, abgelehnt worden, Herr Kollege. Lassen Sie sich das im Innenausschuss einmal bestätigen. – Andererseits belegt die Einrichtung dieses Unterausschusses, dass wir – das ist wirklich so – uns im Innenausschuss jedes Mal sehr dafür einsetzen, dass bei kommunaler Betroffenheit auch die kommunale Ebene in das Entscheidungsverfahren einbezogen wird. Aber neben Bundestag und Bundesrat noch eine dritte Kammer einzuführen, würde im Grunde genommen – da muss ich dem Kollegen Özdemir uneingeschränkt recht geben; er hat das sehr gut dargestellt – das Aus für unser Gesetzgebungsverfahren bedeuten. Man stelle sich einmal vor, dass an dem ohnehin komplexen Verfahren neben Bundestag und Bundesrat, zudem noch unter Berücksichtigung von EU-Einflüssen, auch die Kommunen mit über 11 000 Städten und Gemeinden, Kreistagen und Kreisräten beteiligt sind. Wie soll das funktionieren? Wir brächten kein Gesetz mehr zustande. Das wäre die Konsequenz. Deshalb lehnen wir das ab.
Niemand hier bestreitet, dass die finanzielle Situation der Kommunen in bestimmten Bereichen und Landesteilen immer noch besonders schwierig ist. Eine ausreichende und zuverlässige Finanzausstattung ist die entscheidende Voraussetzung für eine funktionierende kommunale Selbstverwaltung. Dies sicherzustellen, ist das Anliegen der CDU/CSU in den vergangenen Jahren gewesen und wird es auch in Zukunft sein. Ich bedaure sehr – das hat gerade die in dieser Woche stattfindende Versammlung der Oberbürgermeister gezeigt, die, sofern ich das beurteilen konnte, überwiegend aus Nordrhein- Westfalen kamen –, dass die Mittel, die wir von der Bundesebene auf die Ebene der Kommunen leiten wollen, oft nicht zu 100 Prozent bei den Kommunen ankommen. Mit diesem Sachverhalt müssten sich die Landtage, aber auch die Städte und Gemeinden vor Ort einmal etwas intensiver beschäftigen.
Letzte Bemerkung: Wir kennen die Spitzenverbände der kreisfreien Kommunen, der Kommunen und der Kreise und wissen, dass selbst dort oft sehr unterschiedliche Auffassungen bei Gesetzesvorhaben bestehen. All dies zeigt, wie schwierig die Umsetzung Ihres Vorhabens ist. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Schade eigentlich!)
Zum Abschluss dieser Debatte hat der Kollege Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Mitwirkungsrecht für Kommunen bei Gesetzgebung |