26.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 88 / Tagesordnungspunkt 11 + ZP 3

Matthias W. BirkwaldDIE LINKE - SGB IV optimiertes Meldeverfahren

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selten waren von einem Gesetzentwurf so viele unterschiedliche Menschen betroffen wie von diesem. Ursprünglich ging es um einfachere, computergestützte Meldeverfahren zwischen den Unternehmen und den Sozialversicherungsträgern; Kollegin Hiller-Ohm hat darüber eben gesprochen. Aber jetzt sind zum Beispiel auch betroffen: die volljährige Waise, das junge Paar, bei dem es einen Verhütungsunfall gab, der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss, der jetzt eine berufliche Ausbildung anstrebt, und die langzeitarbeitslose Verkäuferin, die vom Jobcenter in das Programm „Soziale Teilhabe“ aufgenommen werden wird. Diese Liste der Betroffenen ließe sich übrigens beliebig verlängern.

Aber all diese Menschen haben überhaupt gar keine Chance, die parlamentarischen Beratungen auch nur im Ansatz nachzuvollziehen. Warum? Weil die Bundesregierung ohne erkennbaren Grund sachlich völlig unzusammenhängende Gesetzesänderungen in ein sogenanntesOmnibusgesetz gepackt hat. Transparenz, Bürgernähe und gute Debattenkultur, meine Damen und Herren von der Koalition, kriegen Sie mit einem Sammelsuriumgesetz wie diesem nicht hin. Darum, meine Damen und Herren, lehnen wir Linken ein solches Omnibusverfahren grundsätzlich ab.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und SPD, schauen wir uns dennoch einmal Ihren bunten Strauß an Gesetzesänderungen an!

(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Bunt ist er schon mal!)

Zuerst die guten Punkte:

(Ulli Nissen [SPD]: Hört! Hört!)

Erstens. Sie verbessern den Unfallversicherungsschutz für die Ebolahelferinnen und Ebolahelfer. Das ist gut.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Zweitens. Es ist gut, dass Sie Waisen, die in einer Ausbildung sind, die Waisenrente künftig nicht mehr kürzen wollen, auch wenn ihr Einkommen oberhalb von 500 Euro liegt. Gut!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Drittens. Sie strukturieren die assistierte Ausbildung für höchstens 10 000 sozial- und bildungsbenachteiligte Jugendliche neu. Das ist zwar ein richtiger Schritt,

(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Und auch gut!)

aber er ist viel zu klein angesichts von 260 000 Jugendlichen, die in Übergangsmaßnahmen stecken statt in einer ordentlichen Ausbildung. Und: Dieses befristete Programm wird von der Bundesagentur für Arbeit und von den Jobcentern finanziert. Die Arbeitgeber müssen keinen Cent dazubezahlen, und das, meine Damen und Herren, ist ungerecht.

(Beifall bei der LINKEN – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

Aber wenn es den Jobcentern und den Arbeitsagenturen wirklich gelingen sollte, 10 000 Jugendliche in eine ordentliche Ausbildung zu bekommen, dann wäre das richtig und gut.

Meine Damen und Herren, kommen wir zur Pille danach. Zehn Jahre hat der peinliche Eiertanz um die Pille danach gedauert,

(Heiterkeit bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

zehn Jahre auf dem Rücken von jungen Frauen, die nach einem Verhütungsunfall Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft haben. Nun ist er zu Ende, und die Verschreibungspflicht für die Pille danach wird endlich abgeschafft. Das findet die Linke gut.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber warum ist der Eiertanz zu Ende? Zu Ihrem Vergnügen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, zitiere ich die FAZ von gestern:

– gemeint ist Gesundheitsminister Hermann Gröhe –

Stimmt! Deshalb sollten die Bundesregierung und die Koalition sich bei diesem Thema auch nicht vor Stolz auf die Brust klopfen; denn dafür gibt es keinen Grund.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Schluss noch zu einem besonders kritischen Punkt kommen. Frau Staatssekretärin Lösekrug-Möller, Langzeiterwerbslose, die demnächst über das neue Programm „Soziale Teilhabe“ einen Job erhalten, sollen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I erwerben dürfen. Das heißt auf Deutsch: Wenn die Teilnehmenden nach der Maßnahme keinen regulären Job auf dem ersten Arbeitsmarkt ergattern, dann schicken Sie sie sofort wieder zurück in Hartz IV. Diesen Drehtüreffekt in Hartz IV lehnen wir Linken ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, wir brauchen öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse. Aber sie müssen gleichwertig und voll sozialversicherungspflichtig sein.

Meine Damen und Herren, unter dem Strich finden sich in Ihrem bunten Strauß von Gesetzesänderungen einige wenige rote Rosen,

(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Es waren ganz schön viele!)

manche Nachtschattengewächse, viele Zwiebelblüten und eine Distel. Deswegen enthalten wir uns bei Ihrem Gesetzentwurf.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Gabriele Schmidt.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4662649
Wahlperiode 18
Sitzung 88
Tagesordnungspunkt SGB IV optimiertes Meldeverfahren
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta