26.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 88 / Tagesordnungspunkt 12

Uli GrötschSPD - Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann gut verstehen, dass der heute diskutierte Antrag zur Aufhebung des Betätigungsverbotes für die Arbeiterpartei Kurdistans und die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste für viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land ein sensibles und höchst emotionales Thema ist.

Ja, den Kurden ist über Jahrzehnte viel Unrecht angetan worden, und sie genießen gerade in der Türkei bis heute nicht die politische und kulturelle Freiheit, die ihnen meiner Meinung nach vielleicht zusteht. Das hat die SPD offen und klar gesagt, und es ist mir auch wichtig, das gleich am Anfang zu betonen.

(Beifall bei der SPD)

Andererseits – und ich glaube, dass man diese Perspektive nicht außen vor lassen darf – sind in den Kämpfen mit der PKK auch viele Menschen ums Leben kommen, sodass, aus der anderen Perspektive betrachtet, Situationen und Gefühle entstanden sind, die für mich nichts mit Frieden zu tun haben. Auch das und auch diese Menschen sollten wir nicht vergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Und weil mir diese Differenzierung, die auch von meinen Vorrednern gemacht worden ist, so enorm wichtig ist, will ich hier ganz deutlich sagen: Es geht hier und heute nicht um die Situation der mehr als 800 000 Kurden in Deutschland.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Doch!)

Und es geht auch nicht um die Situation der Kurden in der Türkei. Es geht heute nicht um Kultur, um Brauchtum oder um Akzeptanz oder Integration, sondern es geht einzig und allein um die Frage, wie die PKK heute zu Gewalt als Mittel des politischen Kampfes steht, –

(Beifall bei der SPD – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Dann bring doch mal Beweise!)

also um eine spezifische innenpolitische Frage.

Ich zähle bei der Bewertung dieser Fragestellung – das wurde heute noch gar nicht gesagt – durchaus auch sehr auf die Einschätzung der dafür zuständigen Sicherheitsbehörden in Deutschland. Ich gehe mal davon aus, dass die Behörden, die ständig einen professionellen Blick auf die PKK in Deutschland richten, auch zu einer einwandfreien Beurteilung gelangen. Es geht also auch um die Frage, ob die für eine Einschätzung zuständigen Behörden des deutschen Sicherheitsapparats der PKK eine grundlegende friedliche Neuausrichtung bescheinigen können oder nicht.

Und diese Einschätzung fällt denkbar deutlich aus. Die Einschätzung der Sicherheitsbehörden hat sich hinsichtlich des Agierens der PKK in Deutschland in den letzten Jahren im Kern auch nicht verändert.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Warum? Hat sich die Einstellung zur Türkei verändert?)

Ich darf einmal kurz aus dem letzten Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz zitieren, wo es dazu heißt:

Das Bundesministerium des Innern teilt in seinem Bericht zu gegenwärtigen Erkenntnissen zur Fortführung des Vereinsverbots der PKK

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Zitieren Sie mal die CIA! Die NSA!)

vom 16. Oktober 2014 übrigens diese Auffassung. Auch daraus möchte ich kurz zitieren:

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: NSA wird zitiert!)

Ich komme gerade von einem Gespräch mit einer Politikwissenschaftsprofessorin,

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Bravo!)

die in ganz Deutschland – hören Sie mir nur gut zu – als Expertin für die Frage der Kurden angesehen ist und die ganz bestimmt nicht im Verdacht steht, dahin gehend grundsätzlich negativ eingestellt zu sein. Sie hat, weil ich sie danach gefragt habe, vor etwa einer Stunde sinngemäß gesagt, dass sie es so einschätzt: Wenn es unten hochkocht, dann ploppt das auch bei uns wieder hoch. – Der Kollege Berghegger saß neben mir und hat das genauso gehört, sodass man also sagen kann, dass nicht nur der Sicherheitsapparat, sondern auch Wissenschaftler dieser Meinung sind, im Übrigen auch solche, die so wie wir alle – das unterstelle ich einmal – den Kurden, der kurdischen Bevölkerung gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt sind.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Allen Menschen!)

Wie gesagt, wir reden hier nicht über die mehr als 800 000 Kurden, sondern wir reden hier über die PKK und ihr Verhältnis zur Gewalt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Können wir also tatsächlich ausschließen, dass die PKK und ihre Unterorganisationen keine Gefahr mehr für die innere Sicherheit in Deutschland sind? Können wir mit Gewissheit sagen, dass sich die Einstellung der PKK zu Gewaltanwendung und militantem Verhalten nachhaltig geändert hat? Mit Blick auf die Fakten- und Nachrichtenlage meine ich: Nein, das können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Jüngste Vorkommnisse zeigen uns auch, dass Gewaltanwendung und Gewaltaufforderungen vonseiten der PKK weiterhin auf der Tagesordnung stehen.

Ich nenne Ihnen kurz drei Beispiele:

Im September des letzten Jahres erschien in der türkischsprachigen PKK-Nachrichtenagentur ein Artikel, in dem die kurdische Jugend in Europa zu aktiven Aktionen aufgerufen wurde.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Pfui Teufel!)

Daraufhin kam es zu Besetzungen von Flughäfen, Bahnhöfen, Parteibüros, Rundfunk- und Fernsehsendern.

Anfang Oktober 2014 kam es an mehreren Tagen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Salafisten in Celle und Hamburg. Thorsten Voß, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hamburg, sagt, dass die Gewalt aus wechselseitigen Provokationen heraus entstand und beide Gruppen bewaffnet waren.

Außerdem hat das BMI Erkenntnisse darüber, dass die PKK bislang Personen im mittleren zweistelligen Bereich rekrutiert hat, um in Syrien und im Irak gegen den IS zu kämpfen. Dazu möchte ich sagen: Auch wenn wir damit sozusagen einen gemeinsamen Feind haben, ist für mich der Feind meines Feindes nicht automatisch mein Freund.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)

Meiner Meinung nach reichen diese Beispiele aus, um deutlich zu machen, dass die PKK nicht als harmlos zu bewerten ist – nach wie vor nicht.

Ich sage zum Schluss noch: Ich glaube auch nicht, dass wir die innenpolitische Situation in der Türkei vom Plenarsaal des Deutschen Bundestages und von Deutschland aus so beeinflussen können, dass es in Deutschland unmittelbar und sofort spürbar ist. Aus all diesen Gründen ergibt sich für mich ganz klar, dass wir dem Antrag der Fraktion Die Linke nicht zustimmen können. Aus den gleichen Gründen lehnen wir es ab, die PKK von der EU-Terrorliste zu streichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Marian Wendt, CDU/CSU- Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Solche Leute wie Sie, da können wir die Koffer packen!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4662797
Wahlperiode 18
Sitzung 88
Tagesordnungspunkt Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans
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