26.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 88 / Tagesordnungspunkt 12

Marian WendtCDU/CSU - Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Laut Verfassungsschutz ist die PKK eine von ihrem Ursprung her marxistisch-leninistische Kaderpartei. Die PKK wollte 1978 eine Volksdiktatur mit sozialistischer Prägung errichten. Jetzt verstehe ich auch, warum die SED-Nachfolgepartei ein Ende des Verbots der PKK fordert. Vielleicht wollen Sie ja in der Türkei oder in Deutschland eine zweite DDR mitbegründen.

(Beifall des Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU] – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Genau! Ja! Jetzt verstehen Sie es auch!)

– Richtig.

Der Antrag der Linken mit dem Ziel, das Vereinsverbot der PKK in Deutschland aufzuheben, stellt auf die politischen Veränderungen in der Türkei und der Region ab:

(Zuruf von der LINKEN)

Mit ihrem Einsatz gegen den „Islamischen Staat“ und der Verkündung eines Friedensprozesses hätten sich auch die PKK und ihre Nachfolgeorganisation geändert.

Jedoch selbst dann, wenn ich das gelten ließe – wir haben hierüber bereits breit diskutiert –, haben sich andere Faktoren gerade nicht geändert. Da wäre zum Beispiel die Bereitschaft der PKK zu Bürgerkrieg und Terrorismus in der Türkei. Der vorgebliche Friedensprozess, mit dem die PKK in Europa wirbt, ist Makulatur.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Herr Öcalan!)

In den kurdischen Siedlungsgebieten ist die PKK nämlich weiterhin militärisch organisiert und als Guerilla tätig. Regelmäßig wird mit einem neuen Bürgerkrieg in der Türkei gedroht. Die PKK verstößt hiermit explizit gegen den Gedanken der Völkerverständigung, den wir in Artikel 9 Absatz 2 unseres Grundgesetzes fixiert haben. Dies ist ein ausdrücklicher Verstoß gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und führt in Deutschland zu einem Vereinsverbot.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)

Weiterhin wäre zu nennen, dass die PKK in Deutschland für den Einsatz in ihren Terroreinheiten wirbt, und das ist nicht nur auf Deutschland beschränkt.

Laut Angaben des Bundesverfassungsschutzes rekrutiert die PKK aktiv junge Menschen aus Europa für den Kampf im Nahen Osten. Außerdem gibt es in Deutschland seit 2004 circa 4 500 Ermittlungsverfahren mit PKK-Bezug. Das sind keine Kleinigkeiten: Erpressung von Spendengeldern, Körperverletzung und Landfriedensbruch.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele?

Gern.

Danke, Herr Kollege. Mir drängt sich eine Frage auf. Sie sagen, die PKK rekrutiere Kämpfer für den Kampf im Nahen Osten. Das ist ja nicht irgendein Kampf, sondern da geht es um den Kampf gegen den mörderischen IS und den ISIS in Syrien und im Irak.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Das wird auch in Deutschland nicht nur geduldet, sondern sogar gefördert. Sie konnten im Fernsehen den Bericht verfolgen, dass eine ganze Familie – ich glaube, aus Solingen – zum Kampf mit den Peschmerga für ihr Volk gegen den IS in den Irak gezogen ist. Diese Menschen werden gefeiert, und zwar nicht nur dort, sondern auch hier. Sie kommen auch wieder hierher und rühmen sich: Wir haben wenigstens etwas für die Freiheit getan. Wir haben etwas dafür getan, dass unsere Frauen nicht vergewaltigt werden. Wir haben etwas dafür getan, dass der IS gestoppt wird.

Genauso war es auch mit den Unruhen, die es hier in Deutschland gegeben hat. Nicht die PKK hat ihre Auffassung geändert, sondern es ging darum, dass in Kobane Menschen hingeschlachtet wurden, als der ISIS dort vorgedrungen ist, die Stadt fast erobert hat und die Menschen in völliger Verzweiflung zum Teil in die Türkei geflohen sind, zum Teil versucht haben, Kobane zu verteidigen – wie wir wissen, Gott sei Dank erfolgreich.

Dass sie erfolgreich waren, finden wir alle ganz gut; aber wenn sie jetzt junge Männer für den Abwehrkampf gegen ISIS und IS anwerben, ist das ein Grund für Sie, weiter am Verbot festzuhalten. Das ist doch irgendwie widersprüchlich. Sie können doch nicht einfach sagen: Sie rekrutieren hier. – Sie müssen dann auch sagen, wofür sie rekrutieren. Sie rekrutieren für eine Sache, die wahrscheinlich auch Sie grundsätzlich für richtig halten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich war letztes Jahr selber in der Region: Ich war fünf Tage lang in Arbil und Umgebung. Schade, dass wir im Bundestag keine große Landkarte haben. Sonst könnte ich Ihnen verdeutlichen, wie die Situation ist.

Es gibt zurzeit vier kurdische Siedlungsgebiete in dieser Region. Wir verhandeln und arbeiten eng zusammen mit einer staatlichen Organisation der kurdischen Regionalregierung im Nordirak. Das rechtfertigt nicht die Lieferung von Waffen an eine frei organisierte militante Organisation. Unser Kampf gegen den IS kommt in dieser Zusammenarbeit zum Ausdruck. Wir dürfen nicht den Fehler machen – das haben die Kollegen auch schon betont – und sagen: Der Feind unseres Feindes ist unser Freund. – Das macht es nämlich nicht besser. Das führt zu Selbstjustiz.

Es ist jeder herzlich eingeladen, sich Gedanken darüber zu machen, wie wir diesen Terror stoppen können. Dabei sind die demokratisch legitimierten Strukturen zu beachten. Die kurdische Regionalregierung ist durch Wahlen legitimiert. Die Bundesregierung ist durch Wahlen legitimiert. Wir im Bundestag, die durch Wahlen legitimiert sind, haben die Waffenlieferung dorthin beschlossen. Das ist doch der richtige Ansatz. Man kann doch ein undemokratisches System nicht mit undemokratischen Mitteln bekämpfen. Das ist der völlig falsche Weg. Wir dürfen, wie gesagt, auch nicht den Fehler machen, die PKK mit allen kurdischen Menschen gleichzusetzen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber in Kobane ist es die PKK!)

– In Kobane gab es die Unterstützung durch die Peschmerga. Die Peschmerga ist die Armee des kurdischen Staates im Nordirak, die dort Unterstützung geleistet hat.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die syrische PKK!)

In Kobane wäre es sicherlich auch die Aufgabe gewesen, mit der Türkei entsprechend zusammenzuarbeiten.

(Zurufe von der LINKEN)

Aber wir können diese Debatte nicht unabhängig von staatlichen und völkerrechtlichen Strukturen führen.

Kommen wir vielleicht noch einmal zurück auf die Frage – darauf sollten wir uns beschränken –, wie die PKK in Deutschland reagiert und agiert. Wir begründen ein Vereinsverbot mit ihren Aktivitäten in Deutschland. In diesem Zusammenhang bleibt für mich festzuhalten: Erpressung von Spendengeldern, Körperverletzung, Landfriedensbruch, Drogen- und Menschenhandel.

Es handelt sich also bei der PKK um eine kriminelle Vereinigung mit dem Ziel, in Deutschland Straftaten zu begehen. Dennoch versucht die PKK seit längerem, als legitime Vertretung der Kurden zu erscheinen. Sie versucht über zahlreiche Tarnorganisationen, die öffentliche Meinung dahin gehend zu beeinflussen, sie als solche Vertretung anzuerkennen. Wie ich bereits erwähnte, ist der Kampf gegen den IS zwar ein starkes Mittel, aber er ist keine Legitimation.

Abschließend ist es, glaube ich, auch für die Debatte wichtig, dass wir uns klar werden, um welchen Friedensprozess es in der Türkei und bei der PKK geht. Wer ernsthafte Friedensverhandlungen in der Türkei führen will, der darf nicht mit Bürgerkrieg drohen. Die Gefahr besteht aktuell. Damit stehen der Prozess und der entsprechende Wille auf tönernen Füßen. Die PKK, egal ob in Deutschland oder der Türkei, ist nach wie vor keine demokratische Organisation und widerspricht in Wort und Tat unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Nur diese ist Maßstab für ein Vereinsverbot. Weil die freiheitlich-demokratische Grundordnung unser Maßstab ist, müssen wir dafür sorgen, dass die PKK erst erlaubt wird, wenn sie die Bedenken glaubhaft und wahrhaftig ausräumt.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Die PKK hat die demokratischen Rechte durchgesetzt!)

Der Feind meines Feindes ist nicht mein Freund: Das ist für uns sehr wichtig. Denn eine Logik nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ widerspricht unseren rechtsstaatlichen Prinzipien. Aber mit Unrechtsstaaten kennt sich die Linke aus.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: So viel zur Solidarität mit der Türkei gerade eben!)

Aus diesem Grunde kann ich der Aufhebung des PKK-Verbotes keinesfalls zustimmen. Sie sagen, das Verbot sei ein Anachronismus; es ist jedoch ein Spiegel der aktuellen Lage und die einzig richtige Entscheidung einer wehrhaften Demokratie gegenüber einer terroristischen Organisation.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4662821
Wahlperiode 18
Sitzung 88
Tagesordnungspunkt Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans
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