Peter WeißCDU/CSU - Abkommen mit Polen zur Zahlung von Ghetto-Renten
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Uri Chanoch vom Center of Organizations of Holocaust Survivors in Israel hat bei der von uns durchgeführten Anhörung zum Ghettorentengesetz vorgetragen: Für mich und für jeden Ghettoüberlebenden bedeutet die Anerkennung der Arbeitsleistung im Ghetto, dass endlich auch dieser Teil der Geschichte zur Kenntnis genommen und entschädigungsrechtlich bzw. sozialrechtlich berücksichtigt wird. Aus meiner Sicht ist die Umsetzung des Ghettorentengesetzes ein wesentlicher Schritt in Richtung Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen. – Er hat damit recht.
Ich will feststellen: Mit dem Sozialversicherungsabkommen mit Polen, das wir heute schließen, erfüllen wir diesen Anspruch voll und ganz durch die Reformen, die wir im Ghettorentenrecht vorgenommen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Gerade die letzte, von Kollegin Griese bereits dargestellte Reform des Ghettorentenrechts, mit der wir die Wahlmöglichkeit geschaffen haben, vier Jahre rückwirkend mit einem höheren Zahlbetrag oder rückwirkend ab 1997 mit einem niedrigeren Zahlbetrag Ghettorenten zu beantragen, haben wir in einem intensiven Dialog mit der israelischen Botschaft hier in Berlin, mit dem israelischen Seniorenministerium, dessen Staatssekretär mehrmals zu Gesprächen hier war, vorbereitet. Zuletzt war diese Reform auch ein Topthema der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen unter Vorsitz von Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Frau Kollegin, Sie können davon ausgehen, dass in Israel alles getan wird, dass jeder Berechtigte über seinen Anspruch informiert wird, dass ihm auch Unterstützung durch die israelische Regierung und die dortige Sozialversicherung dabei gewährleistet wird, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ich glaube, das haben wir damals mit den Israelis wirklich gut und solide vorbereitet, und es wird auch entsprechend umgesetzt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Tat, für einen in Polen Berechtigten war es bislang nicht möglich, einen Antrag zu stellen. Das war jetzt keine Gemeinheit gegenüber Polen. Gott sei Dank haben wir seit 1975 mit Polen ein ausgezeichnetes, funktionierendes Sozialversicherungsabkommen. Dieses Abkommen folgt einem mustergültigen Prinzip, nämlich dem sogenannten Eingliederungsprinzip, sprich: Eine in Deutschland wohnende Person muss ihre Rentenansprüche an die deutschen Behörden stellen und bekommt sie auch erfüllt, jemand, der in Polen lebt, muss seine Rentenansprüche an die polnischen Behörden stellen und bekommt sie dort erfüllt. Das ist eigentlich ein mustergültiges Abkommen; das möchte ich noch einmal betonen. Auch deshalb will ich hier sagen: Es war richtig, dass wir das Sozialversicherungsabkommen mit Polen von 1975 vollumfänglich aufrechterhalten.
Richtig ist auch, dass hier schon früher über die Frage diskutiert worden ist: Was macht man denn nun mit Anspruchsberechtigten in Polen? Ehrlich gesagt, hatte dazu angesichts des geltenden Sozialversicherungsabkommens niemand eine durchführbare Idee. Es ist diese Bundesregierung, die mit Ihnen, Herr Staatssekretär Bucior, eine Lösung gefunden hat, die vorher überhaupt nicht diskutiert worden ist, ausdrücklich und nur allein für die Frage des Zugangs zur Ghettorente ein eigenes, gesondertes Sozialversicherungsabkommen zu schließen. Dazu möchte ich den erfinderischen und klugen Beamtinnen und Beamten sowohl im deutschen Arbeitsministerium wie im polnischen Arbeitsministerium herzlich gratulieren.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Deshalb können wir heute als Deutscher Bundestag dieses Abkommen, dieses gesonderte Abkommen für Polen, ratifizieren.
Ich will das so zusammenfassen: Nach den zwei Reformen des Ghettorentengesetzes und mit dem zusätzlichen neuen Sozialversicherungsabkommen mit Polen kommt dieser, wie ich finde, wichtige Bereich, nämlich dass man für die Leistungen, die man im Ghetto erbracht hat, auch einen Rentenanspruch hat, zu einem wirklich guten Abschluss. Ich freue mich, wenn heute der gesamte Deutsche Bundestag diesem Sozialversicherungsabkommen zustimmt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als nächster Redner hat Volker Beck von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4662888 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Abkommen mit Polen zur Zahlung von Ghetto-Renten |