Kristina SchröderCDU/CSU - Regulierung privater Sicherheitsfirmen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gewaltmonopol des Staates ist eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats. Der Bürger verzichtet darauf, Gewalt auszuüben, um seine Rechte durchzusetzen, und unser Grundgesetz legt fest, dass dies allein Justiz- und Exekutivorganen vorbehalten ist. Wir sind uns einig, dass dieses Prinzip essenziell für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ist. Juristisch ist das Gewaltmonopol durch den Antrag der Grünen zur Regulierung privater Sicherheitsfirmen auch nicht tangiert. Schließlich verfügen die Angestellten dieser Firmen nur über die sogenannten Jedermannsrechte; das will hier, glaube ich, auch niemand ändern.
De facto sprechen wir heute aber sehr wohl über Aspekte des Gewaltmonopols, und zwar aus zwei Gründen. Erstens. Wenn immer mehr Menschen für unterschiedliche Zwecke private Sicherheitsfirmen beauftragen, dann scheinen sie der Auffassung zu sein, der Staat komme seinen Pflichten, die aus dem Gewaltmonopol resultieren, nur ungenügend nach.
Ich finde, das muss uns nachdenklich stimmen. Schließlich kann niemandem daran gelegen sein, dass in unserem Land Zustände wie beispielsweise in Südafrika einreißen. Dort ist die Lage so, dass diejenigen, die sich das leisten können, einen privaten Sicherheitsdienst engagieren, um ihr Leben und ihr Eigentum zu schützen, weil der Staat das nicht in ausreichendem Maße gewährleistet. Ganze Wohnsiedlungen sind umzäunt und privat bewacht. Von solchen Zuständen sind wir in Deutschland glücklicherweise noch meilenweit entfernt. Ich möchte nicht, dass es auch bei uns eine Frage des Kontostands wird, wie sicher man ist oder wie sicher man sich fühlt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Insofern frage ich mich, liebe Grüne, wie Sie es zusammenbekommen wollen, dass Sie – so steht es in Ihrem Antrag – eine Erosion des Gewaltmonopols befürchten, aber an anderer Stelle immer mal wieder gerne Misstrauen gegen unsere Sicherheitsbehörden schüren
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Berechtigte Kritik!)
und mit dafür verantwortlich sind, wenn zum Beispiel in Schleswig-Holstein die rot-grüne Landesregierung gerade 120 Polizeistellen abgebaut hat.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie sich mal die Polizeireform in Sachsen-Anhalt an!)
Der zweite Grund, warum die heutige Debatte auch das Gewaltmonopol betrifft, ist folgender: Es reicht doch schon aus, wenn privates Sicherheitspersonal subjektiv als Vertretung des Staates empfunden wird. Die meisten Flüchtlinge, die in eine Asylbewerberunterkunft kommen, gehen mit Sicherheit davon aus, dass Menschen in Uniform, die ihnen auch Anweisungen geben, Vertreter des Staates mit hoheitlichen Rechten sind.
Daher sollten wir uns nach der umfassenden Regelung der Bewachung von Seeschiffen in internationalen Gewässern in der letzten Legislaturperiode sehr genau überlegen, welche Anforderungen wir an private Sicherheitsfirmen stellen, die im Inland tätig sind. Deshalb haben wir uns in unserem Koalitionsvertrag dieses Thema vorgenommen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immerhin!)
Ob und in welcher Form wir gesetzgeberisch eingreifen und wie weit wir bei der Regelungstiefe gehen wollen, darüber muss jetzt diskutiert werden. Aber fest steht erst einmal: Sowohl das Bundeswirtschaftsministerium als auch das Bundesinnenministerium sehen Handlungsbedarf und haben sich intensiv, wenn auch noch nicht abschließend mit dem Thema befasst.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben ja jetzt eine Diskussionsvorlage gemacht!)
Die Innenministerkonferenz hat im Dezember 2013 Vorschläge zur Überarbeitung des Bewachungsrechts beschlossen. Bundesinnenminister de Maizière hat sich daraufhin mit der Bitte um Unterstützung an Bundesminister Gabriel gewandt, der zuständig ist, weil das Ganze eine gewerberechtliche Frage ist. Das ist auch der Grund, weswegen wir hier eine Federführung der Wirtschaftspolitik haben.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können wir gerne streitig stellen!)
Im November 2014 wurde dann eine Bund-Länder- Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich unter Vorsitz des Bundeswirtschaftsministeriums der Überarbeitung des Bewachungsrechts annimmt. Die erste Sitzung fand im Januar 2015 statt. Die Arbeitsgruppe war sich einig, dass insbesondere der Bereich „Zuverlässigkeitsüberprüfung und Sachkundenachweis“ neu geregelt werden sollte. Das unterstütze ich. Ich kann mir darüber hinaus weitere sinnvolle Maßnahmen vorstellen.
Die Vorfälle im letzten Jahr im nordrhein-westfälischen Burbach haben uns alle schockiert. Dort soll privates Wachpersonal Asylbewerber misshandelt und dies auf Fotos und Videos festgehalten haben. Wenn eine moderate Anhebung der Mindeststandards dazu beitragen kann, weitere solcher Fälle zu vermeiden, dann sollten wir das in Angriff nehmen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Schön, dass Sie uns zustimmen!)
Es ist doch schon bemerkenswert, dass unsere Gewerbeordnung derzeit strengere Regelungen für die Bewachung von Diskotheken vorschreibt als für diejenigen, die in Asylbewerberunterkünften mit schwer traumatisierten Menschen umgehen.
Aber auch die Länder tragen bei diesem Thema politische Verantwortung. Sie haben es nämlich selbst in der Hand, in ihren Ausschreibungen zur Überwachung von Asylbewerberunterkünften bei den Anforderungen an die Sicherheitsfirmen über die Mindestanforderungen der Gewerbeordnung hinauszugehen.
Das Land Hessen ist hier ein positives Beispiel. Es fordert von den Sicherheitsfirmen, die es unter Vertrag nimmt, für das gesamte Personal das erweiterte Führungszeugnis vorzulegen, das Einverständnis zu einer Sicherheitsüberprüfung durch die Polizei, und es fordert, dass das Personal regelmäßig Deeskalationstrainings zu absolvieren und interkulturelle Kompetenzen nachzuweisen hat. Außerdem vergibt Hessen Aufträge an Sicherheitsunternehmen ausschließlich selbst und überlässt dies nicht den Subunternehmen. Im nordrhein-westfälischen Burbach war genau dies der Fall: Dort war der Sicherheitsdienst ein Subunternehmen der Betreiberfirma der Asylbewerberunterkunft. Es ist also auch eine politische Frage, wie weit ein Land bereit ist, sich in diesem sensiblen Bereich zu engagieren, selbst Verantwortung zu übernehmen und bei der Ausschreibung nicht nur auf die Kosten zu schauen, sondern auch auf Qualitätskriterien.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nordrhein-Westfalen hat ja auch schon geliefert!)
Aus wirtschaftspolitischer Blickrichtung ist natürlich eines klar: Jede Verschärfung der Mindeststandards für Sicherheitsfirmen ist auch ein Eingriff in die Gewerbefreiheit. Es liegt zunächst in der Freiheit und der Verantwortung des Einzelnen, für die Bewachung seines Eigentums oder die Sicherung der eigenen Veranstaltung denjenigen einzustellen, den er für diese Zwecke für geeignet hält. Jeder kann, wenn es um eine schwierige Aufgabe geht, die Anforderungen an die beauftragte Person hochschrauben, oder er kann sagen: Meinen Schrottplatz zu bewachen, ist nicht so furchtbar anspruchsvoll; da reichen mir die Mindestanforderungen der Gewerbeordnung.
Insofern plädiere ich für eine Neuregelung mit Augenmaß, die innenpolitische und wirtschaftspolitische Erwägungen berücksichtigt und nur dort regulierend eingreift, wo wir uns begründet einen Mehrwert versprechen können. Bis Ende des Jahres wird die Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein Eckpunktepapier mit Vorschlägen zur Novellierung des Gewerberechts erarbeiten. In diesem Sinne freue ich mich auf interessante Diskussionen zu diesem Thema.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächster Redner hat Thomas Lutze von der Linken das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4662984 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Regulierung privater Sicherheitsfirmen |