Mark HauptmannCDU/CSU - CETA-Abkommen EU/Kanada
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer auf den Tribünen! Sie erleben gerade eine hitzige Debatte an einem Freitagmittag. Das ist beileibe nicht jeden Freitagmittag in diesem Hause so.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das liegt leider an der Großen Koalition!)
Fühlen Sie sich von daher eingeladen, zu sehen, dass unsere Demokratie mit allen Oppositionsrechten gut funktioniert und dass wir hitzig und engagiert über das heute anstehende Thema sprechen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So kann man die Redezeit auch verbrauchen!)
Bei aller Hitzigkeit sollten wir allerdings nicht vergessen, welche Chance das Jahr 2015 mit sich bringt. 2015 ist nämlich das Jahr, in dem wir mit CETA und TTIP die Chance haben, globale Standards nach europäischem Vorbild zu schaffen. Herr Ernst, Sie wissen ganz genau, dass die Konkurrenz nicht schläft. Da muss man nur nach Asien schauen. Aktuell verhandelt nämlich Kanada, über das wir heute sprechen, mit den USA, Japan und neun weiteren asiatischen Staaten über das TPP-Abkommen, das transpazifische Abkommen.
TPP würde 37 Prozent der weltweiten Produktion und 26 Prozent des weltweiten Handels umfassen. TPP würde damit natürlich auch neue Standards setzen. Eine pauschale Verweigerungsstrategie, wie Sie sie hier fahren, führt letztendlich doch nur dazu, dass die Standards für den Handel, den wir natürlich auch in Zukunft in Europa treiben, in Asien festgelegt werden und dass wir mit unseren hohen europäischen Standards außen vor bleiben. Das kann nicht in unserem Interesse liegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen sprechen wir uns für eine aktive Teilnahme am Zustandekommen von CETA aus.
Nun stellt sich die Frage: Warum Kanada? Kanada ist für Deutschland und Europa ein bedeutender Partner; es ist der zweitgrößte Flächenstaat der Welt und die elftgrößte Volkswirtschaft. Kanada ist unser G-7-Partner und eine der führenden Handelsnationen.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wieviel Grizzlybären haben die?)
Das kanadische Pro-Kopf-Einkommen beträgt 52 000 US- Dollar. Das ist übrigens weit mehr als der europäische Durchschnitt von 35 000 US-Dollar.
Dass wir eine Chance sehen, die Beziehungen zwischen Kanada und Europa über das CETA-Abkommen zu verbessern, versteht man, wenn man sich das aktuelle Handelsvolumen anschaut. Das Handelsvolumen zwischen Kanada und der EU betrug 2014 68 Milliarden Euro. Die EU bzw. die EU-Staaten haben mit Investitionen in Höhe von 260 Milliarden Euro schon enormen Vorschub geleistet. Die Vorteile, die das CETA-Abkommen mit sich bringt, sind unglaublich vielschichtig und relativ einfach – selbst für Sie –
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Danke für die Blumen! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sehr höflich sind Sie! – Gegenruf des Abg. Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Eigentlich zu höflich für euch!)
erkennbar: erstens die Intensivierung des Warenaustausches, zweitens die Beseitigung von rund 98 Prozent der Importzölle und drittens die Vereinfachung von Direktinvestitionen und des Marktzugangs vor Ort.
Dass die Debatte über CETA allerdings von Vorurteilen beherrscht wird, hat der Kollege Becker gerade sehr schön erläutert. Als nämlich die Verhandlungen mit Kanada 2009 aufgenommen wurden, waren selbst Sie, die Sie ja sonst nicht dafür bekannt sind, ruhig zu sein, komplett ruhig und haben geschwiegen. Sie haben mit Ihrem polemischen Kurs erst angefangen, als 2013 die Verhandlungen über TTIP begannen und es über TTIP einen öffentlichen Meinungsdiskurs gab.
Aktuell verhandelt die Europäische Kommission mit 21 weiteren Staaten oder regionalen Wirtschaftsgemeinschaften. Keine der anderen Verhandlungen scheint Sie zu interessieren. Daran sieht man, wessen Geistes Kind Sie sind. Sie haben ja auch keine sachliche Kritik geäußert und keine Verbesserungsvorschläge vorgelegt. Sie verfallen in alte antiamerikanische bzw. antinordamerikanische Reflexe.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Anti-Indianer!)
Sie verunglimpfen CETA und TTIP als Wirtschafts- NATO. Das zeigt sehr schön, wessen Geistes Kind Sie sind.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Becker [SPD])
Sehr geehrte Kollegin Dröge von den Grünen, dass Sie gegen CETA sind, ist für uns von der Union natürlich überhaupt keine Überraschung. Sie sind ja prinzipiell gegen alles, was irgendwie Fortschritt bedeuten würde.
(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich denke, Sie wollten mit uns koalieren!)
Sind Sie gegen zukünftige Verkehrsinfrastruktur? Ja, Sie sind dagegen. Sind Sie gegen Olympia in Bayern, Frau Künast? Ja, Sie sind dagegen. Wenn es darum geht, mit CETA und TTIP globale Standards im 21. Jahrhundert zu setzen, dann sind Sie natürlich auch dagegen.
(Lachen des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])
Ich habe einen kleinen Vorschlag bezüglich der Namensgebung Ihrer Partei. Seit der Koalition in Thüringen können Sie „Bündnis 90“ aus dem Parteinamen streichen.
(Lachen des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])
Nennen Sie sich „Die Grünen/Ihre Dagegenpartei“.
(Beifall des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/ CSU] – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Super!)
Das wird letztendlich dem Anspruch gerecht, den Sie hier in Berlin aktuell vertreten.
Herr Hauptmann, dazu sage ich jetzt nichts. Ich frage Sie, ob Sie eine Zwischenfrage oder eine Zwischenbemerkung des Kollegen Lenkert zulassen.
Nein. Ich halte es wie der Kollege Becker.
(Beifall der Abg. Margaret Horb [CDU/CSU] – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie sind dagegen! – Weitere Zurufe von der LINKEN)
– Herr Ernst, Sie hatten doch Ihre Chance an diesem Pult. Aber Sie haben sie nicht genutzt. Sie haben noch nicht einmal zu Ihrem eigenen Antrag gesprochen.
(Widerspruch bei der LINKEN)
Von daher: Wir brauchen an dieser Stelle keine weiteren Polemisierungen.
(Beifall der Abg. Margaret Horb [CDU/CSU] – Katja Kipping [DIE LINKE]: Ein echter Neinsager, der da spricht!)
Wir möchten allerdings auf Ihre Argumente eingehen,
(Zurufe von der LINKEN: Nur zu!)
nämlich welche Auswirkungen CETA für den Mittelstand mit sich bringt. Keine andere Wirtschaftsnation hat wie Deutschland 1 500 Hidden Champions, also mittelständische Weltmarktführer. Für diese Mittelständler ergeben sich durch CETA und auch durch TTIP besondere Vorteile, weil sich diese kleinen Mittelständler nicht wie Großunternehmen Dependancen im Ausland, zum Beispiel in Kanada, leisten können; sie sind vielmehr darauf angewiesen, dass sie keine Mehrkosten durch Doppelzertifizierungen haben, dass sie also nur einmal auf der Basis von einheitlichen Standards zertifizieren müssen, um auf dem transatlantischen Markt erfolgreich sein zu können.
Unsere deutschen Unternehmen sind vielfach in den Sektoren aktiv, die durch CETA besonders profitieren:
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Fracking!)
Fahrzeugproduktion, Maschinenbau, Pharmaindustrie, Elektroindustrie – Produkte all dieser Branchen haben 2014 rund 70 Prozent der deutschen Exporte nach Kanada ausgemacht. Hier sehen wir, wie gesagt, die enorme Chance, die sich für den Mittelstand bei uns in Deutschland durch CETA ergibt.
Jetzt gehe ich auf den von Ihnen angesprochenen Punkt ein, der die Schiedsgerichte betrifft. Ambitionierte Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP schaffen nicht nur Wachstum und Beschäftigung aufseiten beider Handelspartner, Freihandelspolitik ist immer auch Friedenspolitik.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Genau!)
Dieser Frieden wird eigentlich nur durch Ihre permanente Dagegenopposition gestört.
(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn „Dagegenopposition“?)
– Frau Künast, hören Sie doch zu.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb frage ich doch!)
Sie haben vergessen, dass Deutschland bereits 86 Abkommen über Schlichtungsverfahren zwischen Staat und Investoren unterzeichnet hat. Ausgehend von all diesen 86 unterzeichneten Abkommen ist es nur zu zwei Verfahren gegen Deutschland gekommen. Bisher musste Deutschland keine Schadenszahlungen leisten. Wenn man sich dann auch noch die Details anschaut, dann sieht man, dass bei den Schiedsgerichtsurteilen nur in 31 Prozent der Fälle den Investoren eine Entschädigung zugesprochen wurde. Das heißt, in 70 Prozent der Fälle bekommen die Investoren gar keine Entschädigung. Das verschweigen Sie natürlich in Ihrer Argumentation.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Warum vertrauen Sie denn deutschen Gerichten nicht? Was haben Sie denn gegen die deutsche Gerichtsbarkeit?)
Wir müssen sehen, dass internationale Schiedsgerichte ein bewährtes Instrument des Welthandels sind. Wir haben natürlich auch erkannt, dass es bei den Regelungen zu den Schiedsgerichten Veränderungen geben muss, gerade im Bereich der Transparenz. Der UN- Schiedsgerichtshof hat 2014 neue Transparenzregeln erlassen. Klageschrift, Anhörungen und Urteil sind öffentlich einsehbar. Mit der geplanten Unterzeichnung der Mauritius-Konvention sollen die neuen Transparenzregeln auch für die Schiedsgerichtsverfahren vor 2014 gelten. Das heißt, die Transparenzregeln werden sogar auf alte Fälle übertragen.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Wie die blaue Mauritius!)
Die CDU/CSU-Fraktion hat im Bundestag den Vorschlag unterbreitet, dass von deutscher Seite auch Bundesrichter als Richter bei den Schiedsgerichtsverfahren anerkannt werden könnten.
Ich möchte zusammenfassen: Sie führen seitens der Linken an, dass Sie mit einer Absenkung der Umwelt-, Sozial- und Verbraucherstandards rechnen. Wir sagen: Sie verwechseln die Angleichung der Standards mit einer Herabsetzung. Abgesehen davon überrascht es mich doch schon sehr, dass Sie auf der einen Seite permanent die Europäische Kommission, Europa und alles, was aus Brüssel kommt, kritisieren, sich aber hier in dieser Debatte permanent auf die hohen europäischen Standards berufen und mahnen, dass wir sie verteidigen sollten. Was wollen Sie eigentlich? Ihre Argumentation ist schlicht nicht schlüssig.
(Zuruf von der LINKEN: Dass Sie das nicht verstehen, wundert mich jetzt nicht!)
Wir wollen von unserer Seite dafür Sorge tragen, unsere hohen Standards zu exportieren, anstatt sie abzuschaffen.
(Dirk Becker [SPD]: So ist das!)
Deswegen möchte ich abschließend zusammenfassend sagen, dass wir 2015 die einmalige Chance haben, auf der Basis gemeinsamer Werte langfristige wirtschaftliche Kooperationen zu schaffen. Wir generieren damit Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze.
(In den Reihen der CDU/CSU löst sich eine Tischplatte)
Noch bestimmen wir die Regeln, aber Asien schläft nicht. Wir wissen nicht, wie lange die Tür zum europäisch-kanadischen oder zum europäisch-amerikanischen Markt in dieser Form offensteht. Lassen Sie uns doch die Chance nutzen, bevor sich die Tür schließt, diese gemeinsamen Standards hochzuhalten, unsere hohen europäischen Standards in diese Debatte einzubringen. Wir sollten nicht der Versuchung nachgeben, die Abkommen vorschnell abzulehnen, weil das die Gefahr birgt, dass wir in Zukunft transpazifische Standards auch hier in Europa übernehmen müssen.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Warum sollten wir das denn tun?)
Insofern ist Ihr Antrag in dieser Debatte schlicht abzulehnen. Wir bitten, vernünftig zu sein und die mit CETA verbundenen Chancen zu nutzen, damit wir den globalen Wirtschaftsstandard in Zukunft erfolgreich gestalten können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Hauptmann. – Braucht die randalierende Abteilung bei der CDU/CSU Hilfe? Bricht da gleich etwas auseinander?
(Widerspruch der Abg. Michaela Noll [CDU/CSU])
Wenn Sie Unterstützung brauchen, sorge ich gerne dafür.
Nächster Redner in der Debatte: Alexander Ulrich für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4667135 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 89 |
Tagesordnungspunkt | CETA-Abkommen EU/Kanada |