Andrea WickleinSPD - CETA-Abkommen EU/Kanada
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen und vor dem Fernseher zu Hause! Sie sehen: CETA und TTIP werden von vielen Menschen in unserem Land diskutiert, auch hier im Bundestag. Die Menschen mischen sich ein, sie demonstrieren, sie wenden sich mit ihren Fragen und Sorgen an uns, und sie holen die europäische Handelspolitik endlich aus den vertraulichen Zirkeln heraus.
(Beifall bei der SPD)
Das alles sind für mich positive Zeichen. Sie zeugen von einer aktiven Bürgergesellschaft, von der Forderung, bei wichtigen Entscheidungen für unser Land, für Europa beteiligt zu werden, mit dabei zu sein.
Dieses Engagement zeigt vor allem auch, dass für die Menschen unsere Errungenschaften – die hohen Standards, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parlamente oder der erreichte Verbraucherschutz – sehr wichtig sind. Das sind übrigens auch die Errungenschaften eines europäischen Binnenmarkts, der in den letzten Jahrzehnten in Europa entstanden ist. Diese Errungenschaften dürfen natürlich nicht zur Disposition stehen.
Ich muss hier noch einmal ganz klar sagen: Die EU plant keinen gemeinsamen Binnenmarkt mit Kanada oder den USA. Die EU-Kommission hat den Auftrag, einen Vertrag für ein Handelsabkommen vorzulegen, so wie es gerade mit Südkorea oder mit Singapur erfolgt ist und mit vielen anderen Ländern in der Vergangenheit auch schon.
Ich finde die öffentliche Debatte zu den Freihandelsabkommen sehr wichtig und wertvoll, wenn sie auf der Grundlage von sachlichen Argumenten und Inhalten erfolgt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Viel zu lange wurden Freihandelsabkommen einfach nur verhandelt und beschlossen, ohne dass die Öffentlichkeit miteinbezogen wurde. Und das ist auch eine berechtigte Kritik. Ich habe aber den Eindruck, dass unter der neuen Handelskommissarin Malmström ein neuer Wind weht und sie sich zu mehr Transparenz verpflichtet fühlt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, bei aller berechtigten Kritik an der Geheimniskrämerei der Vergangenheit und auch an einzelnen Punkten – im Kern geht es doch heute um folgende Frage: Wollen wir Europäerinnen und Europäer die Handelsregeln in der globalen Welt mit unseren Werten, Standards und Normen mitgestalten, oder überlassen wir das anderen Wirtschaftsräumen und leben dann mit deren Regeln?
Beim Freihandelsabkommen mit Kanada sehe ich für deutsche Unternehmen große Chancen. Kanadas Wirtschaft steht vor enormen Herausforderungen. Der Rohstoffsektor muss sich neue Märkte erschließen und die hierfür erforderlichen Infrastrukturen schaffen. Unter anderem ist der Ausbau des Öl- und Gaspipelinenetzes geplant. Gerade im Energiesektor könnten unsere Unternehmen durch Aufträge in Kanada sehr profitieren.
Dazu kommt, dass sich Kanada und die EU sehr nahe sind, nicht nur kulturell, sondern auch, was die sozialen und industriellen Standards betrifft. Übrigens wird das CETA-Abkommen in Kanada von einer übergroßen Mehrheit positiv gesehen.
(Dirk Becker [SPD]: So ist es!)
Für uns steht aber dennoch fest: Bei den Investitionsschutzregeln muss es noch Verbesserungen geben. Und dafür sehe ich auch gute Chancen. Das belegen die intensiven Bemühungen des Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel, der gemeinsam mit sechs europäischen Handelsministern Vorschläge für ein modernisiertes Investitionsschutzsystem vorgelegt hat; wir haben heute schon darüber gesprochen.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das kann er uns ja dann mal erzählen!)
Auch die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im EU-Parlament, auf deren Stimmen es bei der Verabschiedung des Vertrages ankommt, werden alles dafür tun, dass es bei der derzeit laufenden Rechtsförmlichkeitsprüfung noch Veränderungen geben wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ziel ist es doch, den Freihandel so zu gestalten, dass wir alle davon profitieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gerade für uns als Exportnation ist es immens wichtig, Handelshemmnisse abzubauen, ohne Standards zu gefährden. Immerhin generieren wir 40 Prozent unseres Wohlstandes durch internationalen Handel. Jeder vierte Arbeitsplatz hängt am Export.
(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Sehr richtig! Hören Sie zu, Herr Ernst!)
Herr Kollege Ernst, lieber Klaus,
(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Sie waren doch bei der Reise des Wirtschaftsausschusses nach Kanada dabei.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Eben!)
Wir haben vor Ort sehr intensive Gespräche mit Unternehmen geführt.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Eben! Genau deswegen!)
Die Unternehmen haben uns ganz klar gesagt, wie wichtig es für sie ist, dass Normen und Zertifikate angeglichen werden, dass Zölle beseitigt werden, um Aufwand und Kosten zu sparen.
Die kanadische Firma Bombardier, die in Deutschland circa 9 000 Mitarbeiter an neun Standorten beschäftigt, erhofft sich durch CETA die Vereinfachung des Personalaustausches und natürlich auch die Vereinfachung der Zertifizierungsverfahren, die derzeit sage und schreibe 18 bis 24 Monate dauern.
Aber gerade auch kleine und mittelständische Unternehmen könnten vom Abbau der Handelshemmnisse profitieren. Ich habe mit kleinen Unternehmen gesprochen, die auf Erleichterungen in den Handelsbeziehungen zu Kanada setzen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linken, der Unterschied zwischen uns besteht darin, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch die Chancen von Freihandel sehen und deshalb um positive Veränderungen in CETA ringen. Unser Ziel muss doch ein Mehrwert für die Wirtschaft und für die Bürgerinnen und Bürger sein. Keine andere Partei hat bisher einen ähnlich breiten Diskussionsprozess geführt wie die SPD.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb ist aus meiner Sicht eine pauschale Ablehnung des CETA-Verhandlungsergebnisses, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern, nicht akzeptabel. Deshalb können wir diesem Antrag auch nicht zustimmen.
Außerdem ist jetzt nach dem öffentlichen Konsultationsverfahren erst einmal die EU-Kommission am Zuge, mit Kanada Veränderungen des Rohtextes abzustimmen. Die Kritik, insbesondere aus Deutschland, ist dort angekommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind ein selbstbewusstes Parlament, und wir werden uns deshalb auch selbstbewusst mit dem Vertragstext, wenn er vorliegt, auseinandersetzen und am Ende verantwortlich die richtigen Entscheidungen treffen. Das gilt im Übrigen auch für das Europäische Parlament.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen herzlichen Dank. – Ich bitte die Parlamentarischen Geschäftsführer nach vorne. Wir müssen kurz die Reihenfolge der Redner klären.
So, in der Rednerliste ist ein bisschen getauscht worden, und es gibt einen Verzicht der Kollegin Dr. Scheer.
Wir freuen uns ganz besonders, dass wir jetzt den Wirtschaftsminister hören. Sigmar Gabriel hat das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Siggi!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4667189 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 89 |
Tagesordnungspunkt | CETA-Abkommen EU/Kanada |