Klaus-Peter WillschCDU/CSU - CETA-Abkommen EU/Kanada
Für die Fraktion.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aha! Gut zu wissen!)
Liebe Frau Künast, sollte ich noch einmal direkt nach Ihnen reden, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie ein bisschen langsamer sprechen würden. Das Tempo hatte nicht unbedingt mit dem Gehalt Ihrer Rede zu tun.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer diese Stilkritik! Setzen Sie sich doch mal mit dem Inhalt auseinander! Das ist ja fürchterlich!)
Ein bisschen langsamer und ein bisschen gehaltvoller wäre es besser, weil man sich dann besser mit dem Gesagten auseinandersetzen kann.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für Leute wie Sie werden wir im Bundestag noch Chauvi-Preise schaffen! Wenn ich das über Sie so gesagt hätte, hätten Sie gesagt, ich sei diskriminierend gegen Männer! Aber gut!)
– Frau Künast, ich bin kein Mann, der über Diskriminierung klagt.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Geht das jetzt noch elf Minuten so weiter? – Weitere Zurufe von der LINKEN: Kommen Sie doch bitte zum Ende!)
Frau Präsidentin, können wir das nicht abstellen? Das ist ja furchtbar.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und schon beklagen Sie sich! So eine Memme! – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Wie bitte? Wollen Sie die Opposition abstellen?)
Reden Sie einfach.
Dieses Gequäke von der linken Seite ist schwer zu ertragen.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ja, ja! Also abstellen, ja?)
Frau Künast, ich will etwas zu den Investitionsschutzabkommen sagen,
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, da wären Sie der Erste aus Ihrer Fraktion!)
weil Sie sich darauf besonders fokussiert haben. Der Kollege Hauptmann ist schon auf die Einwendungen bzw. die Eingaben zu TTIP, also zum amerikanischen Freihandelsabkommen, eingegangen. Es gab 150 000 Kettenbriefe – Dinge, die Sie und andere im vorpolitischen Raum angeleiert haben.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Jetzt kommt schon wieder die Beschimpfung der Bevölkerung!)
Das alles ist legitim. Aber man sollte nicht so tun, als sei hier eine Volksbewegung entstanden; denn nur rund 5 000 von ihnen sind inhaltlich seriös und gehaltvoll. Sie werden abgearbeitet und Eingang in die Beratungsgrundlage finden, die den Mitgliedstaaten von der EU-Kommission vorgelegt wird.
Es ist keineswegs so – das wissen Sie genau –, dass irgendjemand hier im Saal will, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, unterwandert werden. Sie wissen, dass das nicht der Fall ist, behaupten das aber wider besseres Wissen, um parteipolitisch Punkte zu machen.
Es gibt beim Thema Investitionsschutz Regelungsbedarf gerade mit Blick auf kleinere mittelständische Unternehmen, die sich eben keine Riesenrechtsabteilung leisten können, um alle Ecken des Rechtssystems in den jeweiligen Investitionsländern auszuleuchten. Sie brauchen eine Möglichkeit, auf relativ unproblematische Art und Weise Recht zu bekommen und ihre Dinge zu regeln, wenn das der Wunsch beider Partner ist.
Sie wissen, dass gerade vor amerikanischen Gerichten im Ernstfall sieben- bis achtstellige Prozesskosten zusammenkommen. Sie wissen, dass die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen im Zuge solcher Prozesse nicht immer gewährleistet ist – es muss vieles offengelegt werden – und dass der Ausgang eines solchen Prozesses bei einer Laienjury wesentlich unberechenbarer ist als vor professionellen Wirtschaftskammern, wie es sie in anderen Ländern gibt. Investitionsschutzabkommen stellen sicher, dass Länder weiter attraktiv sind für ausländische Investoren. Deshalb sind wir prinzipiell der Auffassung, dass bei Wahrung rechtsstaatlicher Verfahren solchen freiwilligen Regelungen nichts entgegensteht.
Deutschland hat Investitionsschutzregelungen vor rund 50 Jahren erfunden und mit rund 130 Staaten solche Verträge abgeschlossen, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Bisher hat es auf dieser Basis ganze drei Klagen gegen Deutschland gegeben. Hier wird also ein Popanz aufgebaut,
(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: So ist es! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie merken doch auch, dass das zunimmt!)
um ihn dann zu bekämpfen, der überhaupt nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Im Übrigen war keine dieser drei Klagen erfolgreich.
Die weltweit aktivsten Kläger auf der Basis von Investitionsschutzabkommen sind übrigens nicht, wie so häufig unterstellt wird, die Amerikaner, sondern die Europäer. So stammen die Kläger in 53 Prozent aller bekannten Verfahren aus der Europäischen Union; nur in 22 Prozent der Fälle gehen die Klagen auf amerikanische Kläger zurück. Derzeit laufen vor dem Schiedsgericht in Washington, dem ICSID, mehrere Klagen von europäischen Ökostromunternehmen gegen Spanien und Tschechien wegen der Kürzung der dortigen Ökostromförderung. Sicherlich wird niemand in diesem Zusammenhang behaupten wollen, dass etwa die Stadtwerke München, die zu den Klägern gehören, die Demokratie in Spanien abschaffen wollen.
Der Mythos, dass die Staaten im Rahmen von Schiedsgerichtverfahren zumeist die Verlierer sind, wird ebenfalls durch die Statistik widerlegt. Von den 274 ISDS-Fällen, die weltweit bis Ende 2013 abgeschlossen wurden, konnten die Staaten 43 Prozent für sich entscheiden; in weniger als einem Drittel der Fälle – 31 Prozent – wurde zugunsten der klagenden Investoren entschieden.
Die viel zitierte Causa Vattenfall passt überhaupt nicht in diesen Zusammenhang. Dieser Fall zeigt gerade, dass es Unternehmen bereits jetzt – ohne TTIP, ohne das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen – möglich ist, einen Staat zu verklagen; denn dort gilt natürlich auch das Rechtsstaatsgebot.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist genau das Problem!)
Es ist also dringend notwendig, hier mehr Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen. Dazu hat der Minister einen hervorragenden Beitrag geleistet. Ich habe mich wirklich selten so gefreut über eine Rede. Wenn wir den SPD-Werbeblock einmal ausblenden – den muss ich ja nicht super finden –, war das eine Rede, bei der ich hundertprozentig dahinterstehe. Es ist richtig, dass wir als eine Nation, die wie kaum eine andere vom freien Handel in der Welt lebt, uns diesen Fragen nüchtern, sachlich und möglichst auch gemeinsam stellen müssen, um unser Land, unser Vaterland nach vorne zu bringen und unserer Industrie zu helfen, sich in diesem Umfeld zu bewähren und gute Ausgangspositionen vorzufinden.
Ich will noch kurz einige Zahlen nennen, auch auf die Gefahr hin, dass ich Sie ermüde; aber bisher sind die Zahlen offenbar noch nicht tief genug bei Ihnen eingedrungen, als dass es richtig wäre, den volkswirtschaftlichen Vorlesungsblock fallen zu lassen. Das Handelsvolumen mit dem Nicht-EU-Ausland hat sich allein zwischen 1999 und 2010 verdoppelt. Der Anteil der EU am weltweiten Exportgeschäft für Waren beträgt 15 Prozent – der Chinas nur 12 Prozent, der der USA 11 Prozent –, für Dienstleistungen 25 Prozent. Wieder zum Vergleich: Der Anteil der USA beträgt hier 19 Prozent, der von China 6 Prozent und der von Japan und Indien jeweils 4 Prozent. Der Wert der Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen der 28 EU-Mitgliedstaaten betrug im Jahr 2012 4,5 Billionen Euro. Die Direktinvestitionen der EU im Ausland betrugen im Jahr 2012 5 Billionen Euro.
Deutschland profitiert als größte Volkswirtschaft in der EU und drittgrößter Exporteur weltweilt in besonderem Maße von dieser Entwicklung. Der Anteil unserer Exporte am deutschen Bruttoinlandsprodukt, also unsere Exportquote, liegt bei rund 51 Prozent. Die deutschen Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen betrugen im Jahr 2013 1,4 Billionen Euro.
Diese Zahlen habe ich einfach einmal genannt, um Ihnen deutlich zu machen, welch herausragende Bedeutung der freie Welthandel für uns als Handelsnation hat. Davon hängen unzählige Arbeitsplätze ab. Hiermit spielt man nicht, und man fährt auch keine billigen Kampagnen auf Nebenkriegsschauplätzen, sondern man stellt sich gemeinsam der Verantwortung für das Land. Dazu sind alle herzlich eingeladen.
Wenn wir uns jetzt noch einmal den Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen Europa und den USA anschauen, dann sehen wir: Wir tauschen täglich Dienstleistungen im Wert von 2 Milliarden Euro aus; das Handelsvolumen beträgt jährlich 140 Milliarden Euro. Die USA sind damit Deutschlands wichtigster Handelspartner außerhalb der EU.
Der Kollege Hauptmann hat genau wie der Kollege Lämmel schon darauf hingewiesen, dass wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass wir auf Grundlage unserer atlantischen Freundschaft und Partnerschaft das, was uns wichtig ist, jetzt in einem sehr viel größeren Umfang zum Maßstab für den Welthandel machen können. Es ist den Schweiß der Edlen wert, dass wir uns dafür einsetzen und uns nicht von anderen Regionen der Welt überholen und abhängen lassen.
Wenn es um den Verbraucherschutz, den Arbeitsschutz und den Umweltschutz geht, dann kann man auf internationaler Ebene manchmal über vieles gar nicht reden, weil nicht die gleiche Sprache gesprochen wird und anderswo ganz andere Standards herrschen. Oftmals herrscht der Grundsatz „race to the bottom“. Ein solches Herunterregulieren wollen wir nicht. Wenn wir uns klug anstellen, dann können wir jetzt gemeinsam mit unseren transatlantischen Partnern Standards für sehr viele Konsumenten und Handeltreibende setzen, die nachher auch für den Rest der Welt Maßstab und wegweisend sein werden.
Wir tun das doch auch schon seit Jahren. Gemeinsam mit unseren Partnern, mit denen wir unproblematische Beziehungen haben, versuchen wir in Form von Freihandelsabkommen, Dinge festzuklopfen – Abschaffung von Zöllen, Angleichung von technischen Vorschriften –, die es uns erleichtern, Handel zu treiben. Dies soll uns zugleich ermöglichen, uns auf gemeinsame Standards zu einigen. Es ist sehr viel einfacher, mit unseren Partnern hier auf ein ordentliches Maß an Übereinstimmung zu kommen und damit etwas Gutes für die Wirtschaft zu tun, als mit Ländern aus einem anderen Kulturkreis.
Ich bitte alle im Haus, dieses Thema mit der notwendigen Ernsthaftigkeit zu behandeln. Bei diesem Thema geht es um die Zukunft unserer Kinder, und es ist entscheidend für die Antwort auf folgende Fragen: Wie können wir in der Welt Einkommen erzielen? Wie kann unsere Wirtschaft performen? Wie kann sie in der Welt erfolgreich sein?
Wenn wir als Welthandelsnation weiter erfolgreich bleiben und dabei gewährleisten wollen, dass wir die Regeln in diesem Spiel entscheidend mitbestimmen, dann brauchen wir Partner, die ähnlich denken wie wir. Diese finden wir auf der anderen Seite des Atlantiks. Deshalb lautet mein Appell an Sie alle: Helfen Sie mit, das alles noch zu verbessern! Stellen Sie das nicht prinzipiell infrage, sondern arbeiten Sie mit daran, dass wir sowohl mit Kanada als auch mit den USA ein ordentliches Freihandelsabkommen hinbekommen!
Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Jetzt erteile ich noch einmal dem Kollegen Klaus Ernst von der Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4667284 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 89 |
Tagesordnungspunkt | CETA-Abkommen EU/Kanada |